DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 3/2015 - page 11

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das Zusammenleben deutlich besser funktioniert
als in Häusern, in denen sich niemand engagiert.
Beispielsweise leben in der Paul-Hertz-Siedlung
in manchen Hausaufgängen die Nachbarn schon
seit mehr als 50 Jahren stabil zusammen. Das
spürt man, wenn man in diese Häuser kommt –
nichts liegt in den Treppenhäusern auf dem Bo-
den, alles ist gepflegt und gut in Schuss, weil alle
aufpassen und sich miteinander darum kümmern.
Es ist kein Zufall, dass dies häufig genau jene
Häuser sind, in denen Mitglieder der Mieterbei-
räte wohnen.
Diese Form der guten Nachbarschaft wird in
Zukunft aufgrund des demografischen Wandels
wichtiger, die Menschen werden älter. Und viele
Mieter würden gerne ein Leben lang in den ei-
genen vier Wänden bleiben. Solange aber jeder
hinter seiner eigenen Tür bleibt und sich rechts
und links keiner für die Nachbarn interessiert,
wird das schwer. Dazu haben die Kommissions-
mitglieder imRahmen der Erstellung des siebten
Altenberichts der Bundesregierung den Begriff
der „sorgenden Gemeinschaft“ geprägt. Nach
Meinung dieser Kommissionmüssten Kommunen,
Städte und Gemeinden „sorgende Gemeinschaf-
ten“ schaffen. Dafür brauche es Menschen, die
sich engagieren.
Die Unternehmen der Wohnungswirtschaft haben
einen guten Zugang zu denMenschen, die in ihren
Wohnungen leben. Sie können die Bewohner dabei
unterstützen, eine gute Nachbarschaft auf den
Weg zu bringen. Ihnen kommt somit eine beson-
dere Verantwortung zu. Die Gewobag entschloss
sich daher, das Instrument Mieterbeirat weiterzu-
entwickeln. Auch wenn Mieterbeiräte von Man-
chen schon als nicht mehr zeitgemäß betrachtet
wurden – die Gewobag arbeitet daran, sie für die
Mieter durch vielfältige Formen der Unterstützung
und durch die Würdigung dieses ehrenamtlichen
Engagements attraktiver zu machen.
Die Gewobag fördert das Ehrenamt mit klar be-
grenzten Aufgaben. Sie knüpft bei den Themen an,
die die Menschen bewegen, die in den Quartieren
wohnen. Und die Gewobag bringt die, die sich
engagieren, erfolgreich miteinander in Kontakt.
Ehrenamt braucht Strukturen
Die Gewobag MB beteiligt die Mieter heute deut-
lich mehr, als es der Berliner Senat von seinen
Wohnungsunternehmen verlangt. Gab es 2011
nur sechs Mieterbeiräte mit 24 Ehrenamtlichen,
sind es 2015 schon 17 Mieterbeiträte mit 68 Eh-
renamtlichen. Die Mieterbeiräte werden dabei
als Chance angesehen, mit den Menschen, die in
den unterschiedlichen Gewobag-Wohnquartieren
wohnen, auf allen Ebenen ins Gespräch zu kom-
men. Dieses Engagement zeigt Erfolge:
• Mieterbeiräte kennen ihr Wohnumfeld und
die Menschen, die dort leben. Sie spüren, was
sich ändert, und informieren das Wohnungs-
unternehmen, lange bevor die Entwicklun-
gen es sonst erreichen würden.
Ein Beispiel: Brigitte Meyer ist seit gut drei
Jahren im Mieterbeirat in Tegel-Süd enga-
giert. Wenn die Parkbänke zerstört sind, Sand
fehlt, wenn ungewöhnlich viele Mieter wegen
der Betriebskostenabrechnung anrufen, dann
meldet sie diese Dinge. Sie investiert viel Zeit
und Energie, damit Tegel-Süd wieder schöner
wird. Sie unterstützt Künstler, die mit Kindern
Streetart-Workshops machen, und organisiert
Pflanzaktionen und Feste. Auch, wenn erstmal
nur wenige kommen, sagt sie: „Das wird schon,
manmuss vorangehen, dann ziehen die anderen
schon nach.“ Ihr macht es Spaß.
• Mieterbeiräte haben deutlich mehr Einblick
als ihre Nachbarn. Sie sind bei Veranstaltun-
gen dabei, treffen Kiezkoordinatoren der Ge-
wobag MB und Kundenberater der Gewobag
– kurz: Sie sind im Kontakt mit anderen Grup-
pen, die imQuartier aktiv sind.
Ein anderes Beispiel: Der Wassertorkiez in
Kreuzberg ist ein Schmelztiegel sehr unter-
schiedlicher Kulturen. Rania Nehme ist dort
imMieterbeirat aktiv. Wer hier etwas bewegen
will, muss gut vernetzt sein und den Kontakt
zu den vielen Projekten und Gruppen suchen.
Rania Nehme kennt die Leute – die, die hier
laut poltern, und auch die Leisen, von denen
sie weiß: Wenn die sich zu Wort melden, dann
brennt ihnen wirklich etwas unter den Nägeln.
In enger Kooperation mit den Gruppen vor Ort
hat Rania Nehme geholfen, eine sog. Kiezstube
einzurichten. Und diese Kiezstuben – Orte in
Gewobag-Quartieren, an denen sich Nachbarn
treffen, sich austauschen, gemeinsam kochen
u. v. m. – kommen gut an.
• Mieterbeiräte begleiten die Entwicklungen in
den Quartieren über lange Zeit.
Sie sind für jeweils fünf Jahre gewählt. Sie kön-
nen deshalb nicht nur auf aktuelle Ereignisse
reagieren, sondernwissen und vermitteln auch,
warum bestimmte Dinge so sind, wie sie sind.
Ehrenamt braucht Unterstützung ...
Um die Mieterbeiräte bei ihrer Aufgabe zu unter-
stützen, hat die GewobagMB neue Formate zu ihrer
Unterstützung entwickelt. Denn: Wer sich enga-
giert, will und soll einen Mehrwert davon haben.
Weiterbildung
Mit „nAHkOM“ wurde durch die Gewobag MB ein
Fortbildungsprogramm entwickelt, mit dem wir
Mieterbeiräte für ihre Aufgaben qualifizieren. Die
Abkürzung „nAHkOM“ steht für Nachbarschaft
und Kommunikation und hat mehrere Module:
Gruppendynamik, multikulturelles Zusammenle-
ben in den Kiezen sowie Konfliktmanagement und
Kommunikation. „Der fachliche und praktische
Input aus dem Training hilft mir sehr“, sagt Rania
Nehme, die als Mieterbeirätin imWassertorkiez oft
mit Konflikten zu tun hat.
Workshops
Zwei bis drei Mal im Jahr organisiert die Gewo-
bag MB Workshops, zu denen die Mieterbeiräte
die Themen vorschlagen. Ob in Kreuzberg
UMSETZUNG DER UNTERNEHMENSSTRATEGIE
Der
strategische
Fahrplan
Strategie ProQuartier –
Verantwortung übernehmen für Berlin
• Aktive Quartiersentwicklung
• Beitrag zur sozialen und politischen
Stabilität
• Integration und Förderung von Nach-
barschaften
- Beteiligung an soziale ausgewogener
Entwicklung der Stadtteile
- Förderung als stabilisierender Impuls
• Bildungsanreize insbesondere für
Kinder und Jugendliche
• 14 Schwerpunktquartiere in
8 Stadtbezirken
• Teilnahme an 20 weiteren Stadtteil-
konferenzen und Arbeitsgruppen
• 16 Mieterbeiräte mit
65 Ehrenamtlichen
• Rund 50 Nachbarschaftsaktivitäten
pro Jahr
• 13 Kooperationspartner
• Vermittlung bei Nachbarschafts-
konflikten
Standortanalyse
Zielstellung ableiten
Identifikation der
Handlungsfelder
Verwirklichung eines
integrierten, sozialen
Quartierskonzepts
Quelle: Gewobag
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