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schaft mit seiner Definition schwer getan. Die
Vielzahl von Definitionsversuchen steht für die-
se Schwierigkeiten. Zwei von diesen haben in
den Lehrbüchern eine weite Verbreitung gefun-
den. Die zeitlich gesehen erste von beiden sieht
Controlling als Koordination von Teilsystemen
der Führung (vgl. etwa Horváth 1978 und Küp-
per 1987), die zweite als Rationalitätssicherung
der Führung (vgl. Weber/Schäffer 1999). Die
erste ist dabei – ohne dies allerdings zu expli-
zieren – auf den Koordinationskontext Pläne fo-
kussiert; ihre Systemdifferenzierung macht nur
für diesen Kontext Sinn (vgl. Schäffer 1996).
Die Rationalitätssicherungsperspektive stellt
zumindest die Frage, ob Rationalitätssicherung
nicht nur im Kontext von Plankoordination als
Controlling bezeichnet werden sollte. Damit ist
nicht nur der Begriff des Controllers, sondern
auch der des Controllings historisch sehr eng
mit der Koordination durch Pläne verbunden.
Anpassungs- und Ergänzungsbe-
darf der Koordination durch Pläne
als Folge der Digitalisierung
Die vier anfangs genannten Koordinationsme-
chanismen haben unterschiedliche Effizienz-
und Effektivitätsbereiche. Treiber für den Wech-
sel zwischen ihnen sind die bereits angespro-
chene, durch Wettbewerbsdynamik ausgelöste
Unsicherheit einerseits und Komplexität ande-
rerseits. Diese kennt die Organisationstheorie
als klassische Kontingenzfaktoren. Koordinati-
on durch Programme kann zwar hoher Komple-
xität gerecht werden, ist aber sehr anfällig ge-
genüber Dynamik („man kann die Regeln nicht
jeden Tag ändern“). Auch Koordination durch
Pläne ermöglicht es, hohe Komplexität zu ma-
nagen; ihr gelingt es aber auch, in einem dyna-
mischen Kontext effektiv und effizient zu funk-
tionieren. Wird die Unsicherheit sehr hoch, ist
allerdings keine Planung im Sinne des „klassi-
schen“ Controllings mehr möglich. Hier kann
Selbstabstimmung helfen, die aber – so zumin-
dest die traditionelle Auffassung – hinsichtlich
der Komplexität der Koordinationsaufgabe
schnell an ihre Grenzen stößt.
Heute wird die Unsicherheit in den Unternehmen
und Märkten insbesondere durch Digitalisierung
getrieben. Die Veränderungen sind erheblich wie
sprunghaft (disruptiv). Dadurch wird die Koordi-
gänzt. Koordination durch Pläne wächst in die
Rolle des führenden Koordinationsmechanis-
mus – auch angestoßen durch äußeren Druck
z. B. von Banken, die bei Kreditvergabe „übli-
che“ Planungen als Basis verlangen. Noch an
anderer Stelle lässt sich ein Wechsel des vor-
herrschenden Koordinationsmechanismus be-
obachten: Im Bereich öffentlicher Institutionen
wird zunehmend – im Sinne eines „New Public
Managements“ – die vorherrschende Pro-
grammkoordination mittels Gesetzen und ande-
ren Regelungen durch Pläne ergänzt und in Tei-
len ersetzt. Auch hier haben Controller in größe-
rer Zahl Einzug gehalten. In einem anderen Seg-
ment der Wirtschaft, Start-ups, sind Controller
dagegen nicht zu finden. Diese werden anders
geführt. Der Grund dafür liegt in der sehr hohen
Unsicherheit ihres Geschäfts. Vorherrschender
Koordinationsmechanismus dort ist Selbstab-
stimmung, unabhängig davon, dass einzelne
Planungskomponenten (wie z. B. Personalpla-
nung und Liquiditätsplanung) schon früh Einzug
halten, nicht zuletzt angestoßen durch die An-
forderungen der Kapitalgeber. Und wie im Fall
der oben erwähnten mittelständischen Unter-
nehmen gibt es natürlich auch für Start-ups
Wachstumsschwellen, die einen Wechsel zur
Koordination durch Pläne nahelegen.
Die Bezeichnung „Controller“ steht für einen
Berufsstand, für Stelleninhaber, die ein be-
stimmtes Aufgabenbündel zu erledigen haben.
Letzteres wird international auch als „Control-
lership“ bezeichnet. Dieser Begriff hat sich im
deutschsprachigen Raum in der Praxis nicht
durchgesetzt. Bei der Suche nach einer präg-
nanten Bezeichnung ist diese (wesentlich ange-
stoßen durch Albrecht Deyhle) einen nahelie-
genden Weg gegangen: Begriffspaaren wie
Kostenrechner / Kostenrechnung (int.: Manage-
ment Accountant / Management Accounting)
oder Einkäufer / Einkauf folgend hat sich das
Begriffspaar Controller / Controlling durchge-
setzt. Der Begriff des Controllings ist also spä-
ter entstanden als der des Controllers und wur-
de aus den Tätigkeiten von Controllern abgelei-
tet, nicht – wie der Begriff Controller – aus dem
anglo-amerikanischen Raum importiert. Inter-
national ist er bis heute im Kontext der Unter-
nehmenssteuerung unüblich.
Bedingt durch die praxisgeprägte Entstehung
des Begriffs Controlling hat sich die Wissen-
Alle vier Koordinationsmechanismen werden in
Organisationen stets parallel verwendet. Dabei
lässt sich in aller Regel eine dominierende Form
feststellen. Hierauf waren auch die eben ange-
führten Anwendungsschwerpunkte bezogen. In
ihrer dominierenden Form sind die genannten
Koordinationsmechanismen jeweils in die Un-
ternehmenskultur eingebettet bzw. verlangen
und erzeugen eine bestimmte Form der Kultur,
um optimal funktionieren zu können.
Die Entwicklung des Berufs-
stands der Controller und des
Controllingbegriffs im deutsch-
sprachigen Raum
Controller als Stellen- bzw. Berufsbezeichnung
geht im deutschsprachigen Raum auf die
1950er Jahre zurück (vgl. Schäffer/Schmidt/
Strauß 2014 und Binder 2006). Ihre Verbrei-
tung in den 1960er und 1970er Jahren erfolg-
te in einer Phase der wirtschaftlichen Entwick-
lung, in der Koordination durch Pläne die vorhe-
rige Dominanz persönlicher Weisungen des Un-
ternehmers bzw. des Top-Managements
zunehmend ablöste. Dies bedeutete eine De-
zentralisierung der Führungsaufgabe und erfor-
derte eine gemeinsame Sprache zur Koordina-
tion der dezentralen Manager. Steuerungsrele-
vante erfolgsorientierte Informationen lieferte
insbesondere die Kostenrechnung. Die Vertei-
lung der Führungsaufgabe verlangte neben ei-
ner gemeinsamen Sprache auch entsprechen-
de Koordinationsprozesse. Diese wurden in
Form einer systematischen Planung und Kon
trolle aufgebaut. Kostenrechner hatten nur kos-
tenstellenbezogene Planungserfahrung. Die
Gesamtplanung erfolgte in eigenen Planungs-
stellen. Konsequent wurden in der Folge beide
Felder zusammengefasst und unter einen neu-
en Namen gestellt: Aus Kostenrechnern und
Planern wurden Controller. Es entstand ein
neuer Berufsstand, der internationale Wurzeln
hatte, aber im deutschsprachigen Raum vorher
nicht bekannt war.
Eine vergleichbare Entwicklung ist auch heute
noch im Mittelstand zu beobachten. Wenn klei-
nere Unternehmen dort eine „Wachstums-
schwelle“ überschreiten, werden persönliche
Weisungen des Unternehmers durch eine Ver-
teilung der Führungsaufgabe zunehmend er-
Controlling neu denken!