PM spezial Kanzleien 04/2016 - page 27

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KANZLEIEN
_MEHR ALS 20 ARBEITSRECHTLER
spezial Kanzleien im Arbeitsrecht 2016
Zuletzt haben sich im Markt der arbeits-
rechtlichen Beratung häufig Spezialkanzlei-
en etabliert. Was können Sie diesen meist
kleineren Einheiten entgegensetzen?
Dr. Christopher Melms:
Diese Entwicklung
hat bisher auf unser Geschäft keine wesentli­
che Auswirkung. Generell kann man aber zwei
Faktoren nennen: Zum einen können größere
Kanzleien Mandanten neben den alltäglichen
arbeitsrechtlichen Fragen bei Sonderprojekten
jederzeit Teams mit auch einer größeren Man­
power und sehr flexibel zur Verfügung stellen.
Aufgrund der Teamstärke kann eine größere
Einheit meist auf umfangreichere und kurzfris­
tige Anfragen schnell reagieren. Full-Service-
Kanzleien bieten zum zweiten die Möglichkeit,
dass sie, falls der Mandant Fragen zu ande­
ren Rechtsgebieten hat,
Anwälte aus diesen
Rechtsgebieten sofort hinzuziehen können.
Die Expertise außerhalb des Arbeitsrechts sitzt
also bei uns direkt „im Haus“, so dass Abstim­
mungsprozesse bei interdisziplinären Manda­
ten reibungslos funktionieren. Wir arbeiten
in unserer Kanzlei häufig fachübergreifend
zusammen. Unsere Mandanten schätzen das.
Neben Restrukturierungen liegt ein Schwer-
punkt Ihrer Beratung im Gesundheitsbe-
reich. Welche Aufgaben eröffnen sich hier?
Melms:
Im Gesundheitsbereich haben viele
Arbeitgeber in den letzten Jahren mit Schwie­
rigkeiten zu kämpfen gehabt. Es herrscht ein
starker Kostendruck in der Branche. Dies hat
dazu geführt, dass in vielen Krankenhäusern
Restrukturierungen vorgenommen werden
mussten und noch weitere erforderlich sind.
Sie haben zu einem erhöhten Bedarf an ar­
beitsrechtlicher Beratung geführt. Das umfasst
zum einen die Restrukturierung ohne Perso­
nalabbau durch diverse Maßnahmen wie
zum Beispiel durch neue Arbeits- und Vergü­
tungsmodelle, die Gründung von Servicege­
sellschaften oder die Zusammenziehung von
Spezialkompetenzen in einzelnen Häusern.
Dabei ist Expertise in scheinbar exotischen
Bereichen wie den Altersvorsorgesystemen
der Versorgungsanstalt des Bundes und der
Länder sowie der Zusatzversorgungskassen
erforderlich. Das ist ein für Arbeitgeber sehr
risikobehaftetes Feld, in dem wir mit unse­
ren Spezialisten bereits umfassend beraten
haben. Manchmal ist ein Personalabbau nicht
zu vermeiden. Auch solche Projekte haben
Teams von uns begleitet. Außerdem spielt
das Thema Arbeitskampf eine Rolle: Gewerk­
schaften haben erhöhte Lohnforderungen ge­
stellt, die in der Branche nicht durchsetzbar
sind. Unsere Beratung umfasste die Abwehr
solcher Forderungen. Bei Arbeitskämpfen sind
auch sogenannte Notdienstvereinbarungen
von Bedeutung, bei denen wir beraten haben.
Außerhalb der Restrukturierungs- und Arbeits­
kampfthemen gehört zum Beispiel die Ge­
staltung von Chefarztverträgen zur typischen
Beratungstätigkeit.
Welche arbeitsrechtlichen Beratungsfelder
gab es 2015 und was sind die Trends 2016?
Melms:
Das Thema flexibler Personalein­
satz ist nach wie vor äußerst praxisrelevant
und wird auch wegen des aktuellen Gesetz­
entwurfs zu Arbeitnehmerüberlassung und
Werkverträgen die Diskussion beherrschen. Da
diese Gestaltungsmittel für die Unternehmen
durch Rechtsprechung und Gesetzgebung im­
mer unattraktiver gemacht wurden, könnten
Interview
mit Dr. Christopher Melms, Leiter der Praxisgruppe Arbeitsrecht, München
Dr. Christopher Melms
die Unternehmen vermehrt Festanstellungen
vornehmen. Sollte es jedoch zu einer Wirt­
schaftskrise kommen, dann wird es zu umso
schmerzlicheren Personalabbaumaßnahmen
kommen. Es ist sinnvoll, den Arbeitgebern
einen „konjunkturellen Spielraum“ beim Per­
sonaleinsatz zu lassen. Es wird außerdem
interessant sein, wie sich die Flüchtlingskrise
auf den Arbeitsmarkt auswirkt. Dies ist aber
bisher kein großes Beratungsthema. Letztend­
lich ist der Gesetzgeber gefordert, zielführen­
de Regelungen zu treffen, sodass benötigte
Arbeitskräfte schnell und unbürokratisch ein­
gegliedert werden können. Eine spannende
Entscheidung erwarten wir vom Bundesver­
fassungsgericht. Es soll im Lauf des Jahres
entscheiden, ob das Tarifeinheitsgesetz ver­
fassungskonform ist. Der Beschluss wird weit­
reichende Konsequenzen für die Praxis haben.
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