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06/17 spezial Recruiting
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Interessenten, Kunden und der Ge-
schäftsführung prägt. Ähnlich wie bei
der Unternehmenskultur ist eine Auf-
listung der Werte jedoch nur Theorie,
solange diese Werte nicht im Unterneh-
men gelebt werden. Was genau Werte
wie Integrität, Nachhaltigkeit, Gerech-
tigkeit, Einzigartigkeit, Freiheit oder
Optimismus in jedem Unternehmen
individuell bedeuten, lässt sich weniger
durch Stichpunkte als durch konkrete
Beispiele in Form von Geschichten ver-
ständlich machen. Anhand folgender
Leitfragen können Führungskräfte re-
gelmäßig ein neues Beispiel aus ihrer ei-
genen Arbeit und der Zusammenarbeit
mit ihren Kollegen identifizieren und er-
zählen: Welche Situation gab es, in der
sie eine wirklich schwere Entscheidung
treffen mussten, in der sie mit einem In-
teressenkonflikt zwischen zwei Werten
konfrontiert waren oder in der sie sich
so verhalten haben, dass es den Unter-
nehmensgründer mit Stolz erfüllt hätte?
Die Zusammenarbeit fördern
Wenn neue Mitarbeiter oder Führungs-
kräfte in ein Team kommen oder wenn
Teams durch Hierarchien, geografische
Distanz oder andere Einflüsse wenig
Zusammengehörigkeitsgefühl oder so-
gar Misstrauen untereinander haben,
können Geschichten diese Beziehun-
gen stärken. Eine Möglichkeit ist, dass
alle Teilnehmer ihre Lebensgeschichte
erzählen, indem sie Collagen aus Zeit-
schriftenbildern erstellen, die jeweils
die Vergangenheit, die Gegenwart und
die Zukunft darstellen. Wenn Menschen
die Gelegenheit bekommen, zu erken-
nen, dass sie ähnliche Werte teilen, sind
sie auch in der Lage, produktive und
kollaborative Beziehungen aufzubauen.
Ein anderer Weg, als Führungskraft
die Verbundenheit des eigenen Teams
zu gewinnen, sind Geschichten, die
Empathie und Vertrauen generieren.
Eine Grundvoraussetzung dafür, dass
Mitarbeiter den Weg, der durch eine
Führungsperson vorgegeben wird, mit-
gehen, ist Vertrauen. Um jemandem
vertrauen zu können, muss man ihn
kennen. Hierfür gilt es jedoch, eine Prä-
misse über Bord zu werfen, die viele
Manager immer noch pflegen: Dass sie
keine Schwächen haben dürfen. Doch ein
perfekter Protagonist, der ohne Ängste,
Konflikte, Herausforderungen oder auch
erste Niederlagen sein Abenteuer be-
schreitet, wird kein Publikumsliebling
sein. Wer Empathie wecken will, braucht
die glaubwürdige Geschichte eines Men-
schen, der Höhen und Tiefen erlebt.
Mitgefühl ist dabei allerdings nicht mit
Mitleid zu verwechseln. Die Geschichte
muss immer von Erfahrungen erzählen,
die den Respekt des Publikums verdie-
nen. Und dieser Respekt sorgt für eine
bessere Zusammenarbeit.
Vielfalt und Inklusion wertschätzen
Nicht nur wirtschaftliche Argumen-
te sprechen dafür, eine inklusive und
heterogene Teamstruktur zu fördern.
Doch es müssen immer noch Vorbehalte
und kommunikative Hürden abgebaut
werden. Storytelling ist ein vielverspre-
chendes Instrument, das auf der einen
Seite helfen kann, Bewusstsein für die
Wichtigkeit von Diversität und Inklusi-
on zu schaffen. Auf der anderen Seite
sind persönliche Geschichten auch ein
anschauliches Spiegelbild dafür, wie
sich gelebte Diversität von unterschwel-
ligen oder offensichtlichen Vorbehalten
unterscheidet. Um gegenseitiges Ver-
ständnis füreinander zu entwickeln, ist
es hilfreich, ähnlich wie bei Geschich-
ten, die eine gute Zusammenarbeit oder
Unternehmenskultur fördern, Empathie
zu pflegen, Beispiele zu illustrieren und
hierfür ein Forum zu geben.
Geschichten richtig erzählen
Die häufigsten Anlässe für Storytelling
kommen im alltäglichen Miteinander
vor. Nur geben diese Situationen selten
Raum für epische Erzählungen oder vi-
suelle Hilfsmittel. Eine Orientierung für
das richtige Erzählen einer Geschichte
gibt das „CAR“-Modell, das sich auf die
wesentlichen Elemente beruft: Context,
Action und Result. „Context“ setzt den
zeitlichen und örtlichen Rahmen für
die Geschichte, stellt den Protagonisten
und sein Ziel vor und erläutert, was ihm
im Weg steht. Der „Action“-Teil umfasst
alle Handlungen, die der Protagonist
unternimmt, um Hindernisse und Kon-
flikte zu überwinden und sein Ziel zu
erreichen. Der Teil „Result“ zeigt, wie
die Geschichte endet. Gleichzeitig dient
er dazu, die richtige Lektion zu über-
mitteln und zu guter Letzt auch darauf
zurückzuführen, warum die Geschichte
überhaupt erzählt wurde.
Die Geschichte eines Unternehmens
wird nicht nur von einer Person ge-
schrieben. Damit trotzdem eine mög-
lichst einheitliche Dramaturgie entsteht,
ist es wichtig, dass Storytelling im Un-
ternehmen gelebt wird, dass Mitarbei-
ter verstehen, in welcher Werte-Welt sie
sich befinden und wo die Reise hingehen
soll. Dann können sie das auch weiter-
geben, um eine Unternehmenskultur zu
schaffen, die Menschen mit gleicher Ge-
sinnung vereint, welche sich mit ihrem
Unternehmen identifizieren.
Auf diese Weise kann das beschrie-
bene Leadership Storytelling auch für
das Employer Branding genutzt werden.
Hat das Unternehmen gute Geschich-
ten gesammelt, können diese – wenn
die Inhalte passen – auch an Bewerber
kommuniziert werden. Haben sich im
Unternehmen überzeugende Geschich-
tenerzähler etabliert, können sie auf
Veranstaltungen wie Recruiting-Events
oder Azubi-Tagen potenzielle Bewerber
mit spannenden Begebenheiten aus dem
Unternehmen inspirieren. Leadership
Storytelling sollte daher nicht als sepa-
rates Kommunikationsinstrument ange-
sehen werden, sondern auch als ein Teil
des Employer Brandings.
MIRIAM RUPP
ist Gründerin
und Geschäftsführerin von
Mashup Communications und
Autorin des Buchs „Story­
telling für Unternehmen“.
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