PM_spezial_Trends_im_Recruiting_06_2017 - page 13

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06/17 spezial Recruiting
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Azubi-Bewerber. Fach- und Führungs-
kräften sowie Studierenden und Absol-
venten gönnt er das „Sie“. Das ist ein
gängiges Modell. Ähnlich verfahren die
Deutsche Telekom oder der Schuhhänd-
ler Deichmann, der angehende Auszu-
bildende duzt, Kandidaten, die sich als
Verkäufer bewerben, jedoch siezt. Doch
nicht überall dient die Antwort auf die
Frage „Schüler-Bewerber oder nicht?“
als Kriterium, um die Grenze zwischen
„Du“ und „Sie“ zu ziehen. So duzt Uni-
lever nicht nur Azubi-, sondern auch
Praktikumsbewerber. Absolventen wer-
den ebenso gesiezt wie Fachkräfte mit
Berufsausbildung.
Eine Frage der Authentizität
Wie ist die jeweilige Praxis zu bewer-
ten? Die Frage nach „Du“ oder „Sie“
wirft zwei Probleme auf. Zunächst sollte
die Entscheidung für „Du“ oder „Sie“ an-
hand eines identitätsbasierten Ansatzes
erfolgen, denn nur dieser sorgt für au-
thentische Kommunikation. Nicht „Was
wollt ihr hören?“, sondern „Was passt zu
uns?“ sollte im Mittelpunkt stehen. Die
Identität des Unternehmens sollte den
Außenauftritt maßgeblich bestimmen.
Wer in Stellenanzeigen alle Ziel-
gruppen duzt, sollte das „Du“ auch im
Arbeitsalltag stattfinden lassen – kon-
sequent und über alle Hierarchieebenen
hinweg. Das ist unseres Wissens bei Ikea
ebenso der Fall wie in den eher „jungen“
E-Commerce-Unternehmen. Ikea und
andere machen es also richtig, wenn sie
alle Bewerber duzen. Heidelberg Cement
macht es ebenso richtig, wenn das Unter-
nehmen konsequent alle Bewerber siezt,
auch die Azubi-Anwärter. Voraussetzung:
Das „Sie“ passt zur Firmenkultur.
Schwierig wird es bei den synchronen
Duzern und Siezern. Hier weist der Ge-
brauch von „Sie“ und „Du“ oftmals auf
ein generelles Missverständnis der Ar-
beitgeberkommunikation hin, die nach
dem Prinzip „Studien zeigen mir, was die
jungen Leute wollen und ich verspreche
denen dann das Blaue vom Himmel“
ausgerichtet ist. Dieses Vorgehen ist
unter dem Aspekt der Authentizität we-
nig hilfreich. Zwar hat 2016 eine Studie
von „U-Form Testsysteme“ gezeigt, dass
eine relative Mehrheit von 42 Prozent
der Azubi-Bewerber das „Du“ in der Be-
werberansprache bevorzugen. Dennoch
empfehlen die Studieninitiatoren nicht
allen Unternehmen automatisch auf das
„Du“ umzusteigen. Die Ansprache müsse
zur Kommunikationspraxis im späteren
Ausbildungsalltag passen. Also: Wer
Azubis in der Stellenanzeige duzt, sollte
das zumindest auch in der Ausbildung
tun und ihnen das Recht einräumen, ih-
re Ausbilder zu duzen. Duzen ist keine
Einbahnstraße, sondern eine Vereinba-
rung zwischen Gesprächspartnern, die
zueinander finden wollen.
Mangelnde Konsistenz
Nicht zufällig sind die „Synchronen“ be-
sonders anfällig für das zweite Problem
im Gebrauch von „Sie“ und „Du“ in Stel-
lenanzeigen, die Konsistenz. Dazu ein
Beispiel: Die Commerzbank löst auf der
Karrierewebseite die Frage der Anspra-
che, indem sie Schüler, Studierende und
Absolventen duzt, Berufserfahrene siezt.
Das ist insofern überraschend, als uns
deutsche Großbanken bislang nicht durch
lässige Umgangsformen aufgefallen sind.
Aber hier geht es ja um die Konsistenz:
Trainees werden im Gegensatz zur Praxis
auf der Karrierewebseite in einigen Stel-
lenanzeigen gesiezt. Ein anderes Beispiel:
Steigenberger Hotels gehört eigentlich zu
den Siezern. Auf der Karrierewebsite gilt
das auch für Azubi-Bewerber. In Stellen-
anzeigen hängt es vom jeweiligen Haus
ab: Je nach Hotel werden Azubi-Bewerber
mal geduzt und mal gesiezt.
Es gibt sogar Beispiele von Arbeit-
gebern, die innerhalb einer einzelnen
Stellenanzeige zwischen „Du“ und „Sie“
wechseln. Eine derartige Nachlässigkeit
fügt sich in ein sprachliches und inhalt-
liches Gesamtbild in deutschsprachigen
Stellenanzeigen ein, in dem handwerk-
liche Mängel nicht die Ausnahme, son-
dern die Regel darstellen. Konsistenz
und Sorgfalt sowie Authentizität in der
Kommunikation könnten einen Beitrag
dazu leisten, sich als Arbeitgeber deut-
lich zu positionieren und gar von der
Mehrheit abzuheben.
DR. MANFRED BÖCKER
ist
geschäftsführender Gesell-
schafter der Employer Telling
GbR mit Sitz in Köln.
SASCHA THEISEN
ist ge-
schäftsführender Gesellschaf-
ter der Employer Telling GbR
mit Sitz in Köln.
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