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SPEZIAL RECRUITING
_STELLENANZEIGEN
spezial Recruiting 06/17
S
o viel Duzen war noch nie. Über-
all steht das formale „Sie“ unter
Druck – mindestens so stark wie
die Bürokrawatte. Das Social Me-
dia Zeitalter hat das „Du“ längst hoffähig
gemacht und der Einfluss des Englischen
sowie der Start-up-Kultur macht das „Sie“
auf den Arbeitsfluren zum sprachlichen
Fossil. Aber in der Arbeitgeberkommu-
nikation ist die formale Ansprache noch
sehr vital. Das zumindest zeigt ein Blick
auf 120.000 Stellenanzeigen, die das HR-
Beratungsunternehmen Employer Telling
für die Studie „Club der Gleichen: Edition
Stellenanzeigen“ analysiert hat.
Sie belegt zwar einen Trend zum „Du“
in den Jobannoncen, zeigt aber auch:
Das formalere „Sie“ bleibt unangefoch-
tener Favorit, wenn Arbeitgeber nach
Von
Manfred Böcker
und
Sascha Theisen
neuen Mitarbeitern suchen. In den un-
tersuchten Stellenanzeigen kommt das
„Sie“ mit rund 500.000 Nennungen vor,
während das „Du“ mit 50.000 Nennungen
weit abgeschlagen bleibt. So lassen sich
in Stellenanzeigen im Hinblick auf den
Gebrauch von „Sie“ oder „Du“ drei ver-
schiedene Varianten unterscheiden:
reine Duzer, reine Siezer, zielgruppen­
orientierte Synchron-Duzer sowie -Siezer.
Duzt du schon …
Dass Ikea in der Liste der Duzer auf-
taucht, ist wenig überraschend. Darüber
hinaus sollten sich alle, die ihr Berufszelt
dauerhaft im hippen Einzelhandel oder
E-Commerce aufschlagen möchten, auf
Duzen einstellen. So duzt etwa Zalando
in den deutschsprachigen Stellenanzei-
gen alles, was nicht schnell genug vor
Glück schreien kann. Auch das Shop-
ping-Portal Idealo.de zieht das „Du“ über
die verschiedenen Qualifikationsstufen
durch. Das vom Katalogversandhändler
zum E-Commerce-Unternehmen mutierte
Handelsunternehmen Otto demonstriert
durch das „Du“ in Stellenanzeigen sei-
ne kulturelle Zugehörigkeit zur Branche
und ruft dem IT-Projektmanager in spe
zu: „In dieser Funktion steigst du am
‚Puls der Innovation‘ ein und verfügst
schon bald über ein breites Wissen zu
neuen IT-Anforderungen …“ Das Beispiel
Vodafone zeigt, dass mittlerweile selbst
internationale Konzernriesen Mut zum
„Du“ aufbringen. Auf der Startseite sei-
ner Jobbörse appelliert das Telekommuni-
kationsunternehmen an berufserfahrene
Bewerber: „Dein Experten-Wissen und
deine Erfahrung sind bei Vodafone sehr
gefragt.“ In einer Annonce für einen „Se-
nior Daten Account Manager“ heißt es:
„Du gibst unseren Kunden was sie brau-
chen, bevor sie es selber wissen.“
… oder siezt du noch?
Doch gibt es Unternehmen, die unbeirrt
und durchgängig beim „Sie“ in Stellen-
anzeigen bleiben – über die Zielgruppen
hinweg. Dazu gehören etwa Tchibo oder
Heidelberg Cement. Sie machen auch bei
der jüngsten Bewerberzielgruppe keine
Ausnahme, den Azubibewerbern. So heißt
es in einer Stellenanzeige, mit der Tchibo
einen Auszubildenden für eine kaufmän-
nische Ausbildung sucht: „Um bei Ihrer
persönlichen Entwicklung nichts dem
Zufall zu überlassen, erweitern wir den
üblichen Lehrplan um spannende Semi-
nare und Zusatzqualifikationen.“ Auch
Heidelberg Cement bleibt beim „Sie“ so
fest wie bei seinem Kernprodukt. In der
Anzeige für ein Schülerpraktikum ver-
spricht der Baustoffhersteller: „Während
einer Woche erwarten Sie bei uns span-
nende Einblicke in den Arbeitsalltag“.
Wir siezen doch nicht jeden!
Einige Unternehmen duzen und siezen
ihre Bewerber je nach Alter beziehungs-
weise Qualifikationsstufe. Diese Unter-
nehmen sind bei der Datenrecherche da-
durch aufgefallen, dass „Sie“ und „Du“
gleichermaßen vorkommen. Hierzu
zählen zum Beispiel Baywa, Deichmann
oder Unilever. Doch wo verläuft bei den
synchronen Verwendern von „Du“ und
„Sie“ die Grenze zwischen Duzen und
Siezen? Der Handels- und Dienstleis-
tungskonzern Baywa duzt Schüler, also
Du oder Sie?
PRAXIS.
Bei der Ansprache in Jobannoncen haben sich verschiedene Modelle etabliert.
Ob potenzielle Bewerber geduzt werden, hängt in erster Linie vom Unternehmen ab.
Du?
Sie!
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