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training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
10_2015
senschaftlich die „Konzeption und Um-
setzung der MPA“ begleitet, schreibt La-
penat. Und wer auf der Website genauer
nachliest, findet den Satz: „Nach Vorlage
der vollständigen schriftlichen Unterlagen
(unter anderem zu Denkansatz, Metho-
dik, Testkonstruktion und Auswertung)
hat Frau Dr. Steiner am 31. Juli 2013 eine
finale wissenschaftliche Bewertung der
Entwicklungsphase vorgenommen.“ Das
wäre daher allenfalls ein erster Schritt.
Eine Validierung der MPA liege bisher
nicht vor, gesteht auch MPA-Entwickler
Lapenat. Derzeit laufe noch die Datener-
hebungs-Phase. „Im Unterschied zu den
‚Business‘-Marktbegleitern wie dem Ins-
trument ‚Reiss Profile‘ arbeitet die MPA
nicht differenziell zu einer Norm, das
heißt über den Vergleich der individuellen
Ergebnisse mit einer Normstichprobe“, so
der Wirtschaftsinformatiker.
Fehlinterpretationen möglich
Über solche Aussagen kann Diagnostik-
Experte Professor Kanning nur den Kopf
schütteln. „Verzichtet man auf Norm-
werte, so stellt sich die Frage nach dem
Bezugssystem zur Bewertung der Ergeb-
nisse“, erklärt Professor Kanning. Das sei
gerade im Fall von Personalentwicklung,
Coaching oder Führung ein großes Pro-
blem: Ein hoher Punktwert beim Motiv
X kann allein dadurch zustande kom-
men, dass die zugehörigen Fragen so
„niederschwellig“ formuliert sind, dass
die Probanden ihr Kreuz oben auf der
sechsstufigen Skala machen. „Wer dann
hohe Zahlenwerte als hohe Motivausprä-
gung interpretiert, begeht einen Fehler“,
so Kanning. Solche Fehlinterpretationen
könne man nur durch den Einsatz von
Normwerten – als einem Bezugssystem
– vermeiden.
Im Falle der Personalauswahl könnte
das Anforderungsprofil der Stelle das
Bezugssystem sein. Dabei sei es jedoch
wenig zielführend, wenn die Personaler
einfach einschätzen sollen, wie wichtig
die einzelnen Motive sind, da es sich bei
den Motiven um sehr abstrakte Konzepte
handelt und jeder sich etwas anderes
darunter vorstellt. Eine zusätzliche diffe-
renzielle Auswertung sei geplant, wenn
man 2.500 auswertbare Datensätze habe,
schreibt Lapenat. Die vorliegenden posi-
tiven Rückmeldungen von Anwendern
und zertifizierten MPA-Experten „zur An-
wendbarkeit und Aussagekraft der MPA“
sollen in den nächsten Jahren sukzessive
durch wissenschaftliche Untersuchungen
weiter untermauert werden. Im Klartext:
Es ist bisher weder klar, was der Test ei-
gentlich genau misst, noch wie die Ergeb-
nisse zu bewerten sind.
Dabei stellt sich die Frage, welche Rolle
Susanne Steiner als damalige wissen-
schaftliche Mitarbeiterin an der TUM
spielt. Warum hat sie einen „konstruk-
tivistisch-limbischen” Fragebogen, des-
sen Aussagekraft bisher nicht belegt ist,
„wissenschaftlich empfohlen“? Hat sich
die junge Psychologin hier für Marketing-
zwecke einkaufen lassen? Er kenne den
Test nicht und die Beschäftigung mit der
MPA sei auch nicht die Dienstaufgabe
von Frau Steiner gewesen, erklärt Profes-
sor Hugo Kehr, Inhaber des Lehrstuhls für
Motivations- und Volitionsforschung der
TU München, bei dem Steiner bis zum
Sommer 2013 beschäftigt war.
Wenn er es richtig verstehe, sei sie für
ihre Dienstleistung privat entlohnt wor-
den. Dabei distanziert sich der TUM-
Professor deutlich von der angeblichen
wissenschaftlichen Empfehlung der MPA:
„Die Validität der Motivationspotenzial-
analyse (MPA) wurde weder vom Lehr-
stuhl für Psychologie der TUM School of
Management noch von seinen wissen-
schaftlichen Mitarbeitern nach wissen-
schaftlichen Kriterien geprüft. Falls eine
einzelne ehemalige Mitarbeiterin des
Lehrstuhls für Psychologie der TUM die
MPA empfohlen haben sollte, so gibt eine
solche Empfehlung keineswegs die Auf-
fassung des Lehrstuhls für Psychologie
wieder, sondern stellt allenfalls die Pri­
vatmeinung der betreffenden Person dar,
die bislang nicht durch ein wissenschaft-
liches Prüfergebnis erhärtet worden ist.“
Susanne Steiner heißt inzwischen Mootz,
arbeitet seit September 2013 bei Kien-
baum im Bereich Management Diagnos-
tik & Development und ist derzeit im
Mutterschutz. Auf die an sie gerichtete
Anfrage lässt sie MPA-Anbieter Stefan La-
penat antworten. Der schreibt, dass kein
Geld von der Motivation Analytics UG an
Susanne Steiner als Privatperson oder an
den Lehrstuhl gezahlt worden sei – was
natürlich nicht ausschließt, dass Geld
von anderer Seite geflossen ist, zumal
die Firma erst im Februar 2013 gegrün-
det wurde. Doch warum arbeitet eine
wissenschaftliche Mitarbeiterin ein Jahr
außerhalb ihrer Dienstaufgaben umsonst
an einem Testverfahren mit? Warum ver-
fasst sie kurz vor ihrem Ausscheiden an
der Universität ein Empfehlungsschreiben
auf TUM-Briefpapier? Warum steht in
ihrem Xing-Profil bis heute, dass sie wis-
senschaftliche Mitarbeiterin der TUM ist,
obwohl das Profil mit ihrer Tätigkeit bei
Kienbaum aktualisiert wurde? Die Vermu-
tung, dass hier geschickt versucht wird,
mit dem Anschein von Wissenschaftlich-
keit Kunden zu ködern, liegt zumindest
nahe. So prangt auf der Website auch
noch ein großes rundes Siegel „Qualität –
wissenschaftlich begleitet“.
Professor Kanning kritisiert auch weitere
Werbeaussagen zur MPA: „Wer behaup-
tet, dass sein Fragebogen die grundle-
gende Motivation erfasst, muss dies auch
nachweisen, und zwar indem er einer
Gruppe von Menschen den Fragebogen
im Abstand von mehreren Monaten zwei-
mal vorlegt und berechnet, wie stabil die
Befunde sind (Retest-Reliabilität). Und
der Hinweis, dass der Fragebogen in der
Personalauswahl zu treffsichereren Prog-
nosen führt, sei lediglich eine unbelegte
Behauptung, wenn keine Zahlen zur Vali-
dität vorgelegt werden können. Das alles
hindert die drei Entwickler nicht daran,
von Interessenten 2.150 Euro netto für die
MPA-Zertifizierung zu kassieren. Jeder
werde über die Hintergründe, Entste-
hung, den aktuellen Stand und die aktuell
anstehenden Schritte der MPA informiert,
rechtfertigt sich Lapenat. Zudem zeigten
die seit Juni 2013 erfolgten vielfältigen
Rückmeldegespräche der MPA-Experten
beziehungsweise die Feedbacks der Kli-
enten hieraus „eine sehr gute Aussage-
kraft der MPA“.
„Das ist ungefähr so, als würde ein
Pharma-Unternehmen ein nicht über-
prüftes Medikament erst einmal auf den
Markt werfen und dann schauen, ob er-
fahrene Pharma-Referenten einen guten
Eindruck davon haben“, kritisiert Profes-
sor Kanning. „Keine Validierung, keine
Retest-Reliabilität, keine Normierung – da
kann man gleich einen Brigitte-Test neh-
men.“
Bärbel Schwertfeger
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