wirtschaft und weiterbildung 10/2015 - page 43

wirtschaft + weiterbildung
10_2015
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Die „Theorie U“
Konzept.
Nach Claus Otto Scharmer durchlaufen Mitarbeiterteams idealerweise die abgebildeten Phasen im Veränderungs­
prozess (Abbildung links). Für Führungskräfte ergeben sich dadurch vier Handlungsfelder (Abbildung rechts).
R
in der Gruppe einen hohen Stellenwert
haben. Andreas Kowol, Geschäftsführer
der Apex Tool Group GmbH, sagt, ihm
seien durch die Ausbildung, die er und
einige seiner Führungskräfte durchlaufen
haben, viele Verhaltensmuster und innere
Blockaden der am Prozess beteiligten Mit-
arbeiter bewusst geworden: „Ich habe ge-
lernt, meine eigenen Antennen zu schär-
fen. Heute spüre ich, wer welches Anlie-
gen hat und wer in welche Rolle passt.
So kann ich meine Mitarbeiter besser auf
die Reise der Veränderung mitnehmen“,
so Kowol.
Voraussetzung: offen in den
Veränderungsprozess gehen
Den Weg durch Veränderungen zu initi-
ieren, zu begleiten und die Wandlungsfä-
higkeit von Menschen und Unternehmen
zu erhöhen – das ist das Ziel der beiden
Berlinerinnen, die ihre Ausbildung neben
Berlin auch in Wien und über das Bil-
dungswerk der Wirtschaft in Baden-Würt-
temberg anbieten. Hinter ihrem Ansatz
„Facilitating Change“ steht der Grund-
satz, dass Veränderungen von Menschen
getragen werden und es nur eine gelebte
Veränderung geben kann, wenn ein Groß-
teil von ihnen dafür gewonnen wird. Die
Methode Facilitation (vom lateinischen
„facilitare“: ermöglichen, vereinfachen)
stammt ursprünglich aus den USA. Die
dort vielfach eingesetzte Methode ge-
winne auch hierzulande an Bedeutung,
so die Einschätzung der Berliner Facilita-
tor-Ausbilderinnenen.
Wissenschaftliche Basis des Ansatzes
„Facilitating Change“ ist die „Theorie U“
(siehe Abbildung unten) von Claus Otto
Scharmer, Dozent und Mitbegründer des
Leadership Lab am Massachusetts Insti-
tute of Technology. Sie dient den Facili-
tatoren als Gerüst für die Begleitung von
Veränderungsprozessen. Das Konzept:
Wer sich mit einer offenen Haltung in den
Veränderungsprozess begibt, der kann
Prozesse und die daran beteiligten Mit-
arbeiter nicht nur aus den Erfahrungen
der Vergangenheit führen, sondern vor
allem die Möglichkeiten der Zukunft ins
Auge fassen und integrieren. „Erfahrung
ist gut, engt aber oft den Blick ein. Indem
wir ein Problem aus verschiedenen Pers-
pektiven, unter anderem der der Zukunft,
betrachten, kommen wir zu neuen, oft-
mals auch überraschenden Lösungen“, so
Zubers Einschätzung.
Lösungen lassen sich nicht
erzwingen, aber begünstigen
Damit sich das Wissen aller am Verände-
rungsprozess Beteiligten entfalten kann,
binden Führungskräfte die Betroffenen
bei der Facilitating-Methode so früh wie
möglich in den Veränderungsprozess
ein. Wichtig dabei ist ein ressourcen­
orientierter Führungsstil, der zwei Kern-
elemente beinhaltet: die Zielorientierung
und die Gestaltung eines Raums, in dem
eine gemeinsame Lösung gefunden wer-
den kann. „Diese Lösungen haben eine
hohe Wahrscheinlichkeit realisiert zu
werden“, sagt Zuber. Wenn eine Lösung
herauskommt, die nicht vorhersehbar
war, spricht man von Emergenz – ein
Begriff, der ursprünglich aus der Natur-
wissenschaft kommt. Gemeint ist damit:
die spontane Herausbildung von neuen
Eigenschaften oder Strukturen eines Sys-
tems infolge des Zusammenspiels seiner
Elemente. Die Emergenz kann man – so
sind die Ermöglicher überzeugt – nicht
erzwingen, aber man kann dem Zufall
systematisch eine Chance geben: Sie
streben danach, Räume zu schaffen, in
denen etwas Neues emergieren kann.
Facilitatoren gelten als „Hand-
werker im Change“
Beim Facilitating gilt: Der Prozessbe-
gleiter gibt die Marschrichtung für die
Lösungsfindung vor, nicht die Lösung.
Denn er geht wie systemische Berater
davon aus, dass das Wissen und die Lö-
sung im System liegen. „Unsere Methode
ist sehr partizipativ. Wir kommen schnell
ins Tun und gelten – wie Kollegen so nett
formuliert haben – als die Handwerker im
Quelle: School of Facilitating nach Scharmer 2011
„downloading“
Muster und Wissen
aus der Vergangenheit
„performing“
Neues in der Praxis
leben
„seeing“
wahrnehmen, sehen
aus anderen
Perspektiven
„prototyping“
ausprobieren, schei-
tern, ausprobieren,
scheitern …
„sensing“
spüren, Beziehung
aufnehmen
„crystallizing“
kristallisieren, verdich-
ten, was zeigt sich?
„letting go“
loslassen, zulassen
„letting come“
entstehen lassen
„presencing”
verbinden mit den inneren
Ressourcen und zukünftigen
Möglichkeiten
offensichtliche
Handlungen
Prozesse,
Strukturen
Denken
„Energiequelle“
Inspiration, Wollen,
Intention
1.
„reacting“ (reagieren) – schnelle
Aktionen / Lösungen
2.
„redesigning“ (umgestalten) –
Richtlinien / Vorgehen erneuern
3.
„reframing“ (umdeuten) –
Werte, Haltungen
4.
„regenerating“ (neu erzeugen)
– Quelle der Verbindlichkeit,
Kraft / Energie
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