wirtschaft und weiterbildung 10/2015 - page 54

training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
10_2015
Steinbeis: Master-Studenten als billige Praktikanten
„Machen Sie Ihr Studium zum Beruf! Duales Masterpro-
gramm mit Double Degree – Berufserfahrung bei nam-
haften Unternehmen – Sprungbrett für Ihre berufliche
Zukunft“, wirbt die Steinbeis School of International Busi-
ness and Entrepreneurship (SIBE) in Herrenberg. Und das
funktioniert so: Wer an dem Master of Science (M.Sc.) in
International Management teilnehmen will, braucht einen
Arbeitsplatz, an dem er Projekte bearbeitet. Den vermittelt
die Hochschule. Das Mindestgehalt liegt bei 24.000 Euro
für zwei Jahre. Dazu kommen Studiengebühren etwa in glei-
cher Höhe. Für die Unternehmen ist das ein Schnäppchen.
Für rund 2.000 Euro im Monat bekommen sie einen Mitar-
beiter mit Bachelor-Abschluss. Eingestellt werden sie meist
mit einem Praktikantenvertrag.
Und als besonderes Bonbon gibt es sogar gratis noch einen
MBA-Abschluss dazu. „Um unser Master-Angebot attrakti-
ver zu gestalten, haben wir gemeinsam mit unseren Part-
neruniversitäten im Ausland eine Double-Degree-Option
ins Leben gerufen“, schreibt SIBE. „Der Grundstein hier-
für wird mit der Auslandsstudie gelegt, wo unsere Maste-
randen einen Teil der erforderlichen Leistungsnachweise
erbringen.“ Drei Wochen verbringen die Studenten in Bra-
silien und schreiben eine 30-seitige Hausarbeit – groß-
MBA.
Für zwei Jahre vermittelt die Steinbeis Hochschule Praktikanten an Unternehmen. Die billigen
Kräfte bearbeiten Projekte und absolvieren ein berufsbegleitendes Master-Studium. Und einen
MBA-Abschluss gibt es nach drei Wochen in Brasilien noch kostenlos dazu. Wie sinnvoll ist das?
Rio.
Im fernen Brasilien wird so mancher Master-
Abschluss noch mit einem schnellen MBA geschmückt.
spurig MBA-Thesis genannt. Die Brasilianer erkennen die
Leistungen aus dem Master-Studium in Deutschland an.
Dass hinter dem M.Sc. als wissenschaftlich ausgerichte-
tem Studium für Teilnehmer ohne Berufserfahrung ein ganz
anderes Konzept als hinter einem praxisorientierten MBA
für Berufserfahrene steckt, spielt für die Anbieter keine
Rolle. Rund 300 Master-Studenten gibt es derzeit und das
MBA-Angebot werde recht häufig in Anspruch genommen,
schreibt SIBE.
Unterstützt wird das Studium mit „Mogel-MBA-Option“ von
zahlreichen Konzernen wie Allianz, Bosch, Daimler, Tele-
kom und Siemens sowie anderen Unternehmen. Markus
Lecke, zuständig für die wissenschaftliche Aus- und Weiter-
bildung bei der Telekom, bestreitet, dass die Telekom mit
der Förderung von rund 50 Master-Studenten pro Jahr auch
den Mogel-MBA mitfinanziert. „Der MBA ist uns egal. Wenn
die Hochschule das noch anbietet, um mehr Studenten zu
gewinnen, dann soll sie es machen.“ Ironie der Geschichte:
Nach dem großen MBA-Bashing ihres damaligen Personal-
vorstands Thomas Sattelberger stoppte die Telekom die
Unterstützung ihrer Mitarbeiter beim MBA-Studium und
schwenkte auf den „wissenschaftlicheren“ M.Sc. um. Nun
fördert sie – zumindest indirekt – den Mogel-MBA.
Auch bei Bosch nützt man das Angebot gern. „Wir unter-
stützten Studenten bei SIBE, damit sie ihre Pflichtpraktika
absolvieren und Projektaufgaben realisieren können“,
erklärt Pressesprecher Sven Kahn. Welche Projekte sie
bearbeiten, richte sich nach dem Bedarf der jeweiligen
Fachabteilungen. 2014 habe man 40 bis 45 Praktikanten
unterstützt und dabei auch die Kosten für den Brasilien-
Aufenthalt übernommen. Mit dem Mogel-MBA will man
dabei nichts zu tun haben. „Wir haben nur eine Kooperation
beim M.Sc.“, behauptet Kahn. Dass der Mogel-MBA sogar
explizit in der Bosch-Stellenanzeige erwähnt wird, habe
allein Steinbeis zu verantworten.
Bei Siemens zeigt man sich verwundert. In der zentralen
Weiterbildung wisse man nichts von der Kooperation beim
dualen Master mit dem Mogel-MBA. Beim Autokonzern
Daimler schwärmt man dagegen von den „positiven Erfah-
rungen mit hoch motivierten Studenten“ von Steinbeis.
Auf die Frage, ob der Drei-Wochen-MBA den Qualitätsstan-
dards bei Daimler entspricht, schweigt der Autobauer. Und
bei der Allianz zieht man es vor, lieber gleich gar nicht zu
antworten.
Bärbel Schwertfeger
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