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personalmagazin 08/17
S
chenkt man Medienberichten
Glauben, so ist „Big Data“ in
den vergangenen Jahren zu ei-
ner Art Wunderwaffe der Un-
ternehmen im Kampf um Marktanteile
und qualifizierte Mitarbeiter geworden.
Über die geschickte Analyse von Spuren,
die ein Mensch im Internet hinterlässt,
soll ein exaktes Abbild seiner Lebenssi-
tuation, seiner Interessen und Persön-
lichkeitsmerkmale entstehen, das sich
nicht nur für das Marketing, sondern
auch zur Personalauswahl nutzen lässt.
Die Versprechungen der Anbieter fallen
je nach Perspektive euphorisierend oder
erschreckend aus, doch sind sie auch
glaubwürdig?
Was ist Big Data?
Der Begriff „Big Data“ besagt im Kern
nur, dass wir es mit einer sehr großen
Menge an Daten zu tun haben, die mit-
hilfe des Computers so strukturiert wer-
den, dass sich hieraus praxisrelevante
Aussagen ableiten lassen. Der Umfang
der Daten ist so gewaltig, dass eine an-
dere Form der Auswertung auch gar
nicht möglich wäre. Dabei beziehen sich
die Daten in der Regel auf Spuren, die
ein Mensch im Internet hinterlässt, und
zwar entweder freiwillig – insbesondere
Einträge in sozialen Netzwerken – oder
unfreiwillig, etwa weil sein Surfverhal-
ten von Google & Co. registriert wurde.
Die Ziele einer solchen Datenanalyse
können sehr unterschiedlich sein:
• Marktforschung: Man möchte heraus-
bekommen, welche Zielgruppen sich für
Von
Uwe Peter Kanning
welche Produkte interessieren oder wie
zum Beispiel ein Werbespot beschaffen
sein muss, damit er möglichst viel Auf-
merksamkeit findet.
• Werbung: Personen, die bestimmte
Internetseiten aufsuchen, werden mit in-
dividuell zugeschnittener Werbung kon-
frontiert.
• Preisgestaltung: Kunden wird im Inter-
net in Abhängigkeit von ihrem individu-
ellen Finanzstatus ein unterschiedlicher
Preis für das gleiche Produkt präsentiert.
• Kriminalitätsbekämpfung: Extremis-
ten, kriminelle Vereinigungen oder ein-
zelne Straftäter sollen identifiziert, obser-
viert und bei der Planung von Straftaten
überführt werden.
• Personalauswahl: Bewerber sollen un-
abhängig von ihren Bewerbungsunter-
lagen hinsichtlich der individuellen Eig-
nung für eine Stelle eingeschätzt werden.
Bei der Auswahl der Daten, die zu
diesen Zwecken analysiert werden,
sind inhaltlich keine Grenzen gesetzt.
Im Grunde genommen lässt sich jedes
Datum eines Menschen im Internet
verwenden, das für den Anwender der
Technologie verfügbar ist: Besuch be-
stimmter Internetseiten, Häufigkeit des
Besuchs, Dauer des Besuchs, Kaufverhal-
ten, Angaben zur Demografie in sozialen
Netzwerken, Likes, Anzahl der Freunde,
Angaben zu Freizeitverhalten, Bilder
und vieles mehr. Ob diese Daten bezie-
hungsweise welche Daten letztlich auch
eine Aussagekraft besitzen, ergibt sich
aus der Datenanalyse der Entwickler. Ihr
Vorgehen ist vergleichbar mit dem eines
Pilzsammlers: Er hofft, in einem riesigen
Wald irgendwo Pilze finden zu können
und sucht dort nun so lange vor sich hin,
bis er fündig geworden ist. In Zukunft
kehrt er dann immer wieder an den Ort
des Erfolgs zurück, in der Hoffnung, hier
erneut Pilze anzutreffen.
Big Data in der Personalauswahl
Anbieter von Big-Data-Lösungen zur
Personalauswahl gehen davon aus, dass
sie mithilfe ihrer Software Persönlich-
keitsprofile von Menschen erstellen
können, die Personalern bei einer Aus-
wahlentscheidung helfen. Würde ein
Arbeitgeber beispielsweise wissen, dass
für eine bestimmte Stelle ein hohes Maß
an Gewissenhaftigkeit erforderlich wäre
und ließe sich die Gewissenhaftigkeit
eines Menschen über die eingesetzte
Technologie messen, so könnte er hier-
durch die Eignung eines Bewerbers
bestimmen. Dabei müsste er sich nicht
nur auf tatsächliche Bewerber beziehen,
sondern könnte die Technologie auch
bei der gezielten Suche nach geeigneten
Kandidaten im Internet einsetzen – also
Headhunting betreiben.
Der Big-Data-Bluff
ANALYSE.
Wie viel kann Big Data wirklich zur Personaldiagnostik beitragen?
Die Wissenschaft zeigt, dass Personaler keine großen Erwartungen hegen sollten.
Datenanalysten arbeiten
wie Pilzsammler: Sie
hoffen, in einem riesi-
gen Wald irgendwo Pilze
finden zu können, und
suchen dort so lange,
bis sie fündig werden.
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