wirtschaft und weiterbildung 7-8/2019 - page 54

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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2019
den. „Vertrauen kommt zu Fuß und geht
im Galopp“, so Professor Schweer. „Es ist
unglaublich schwierig, wieder Vertrauen
aufzubauen.“ Da helfe nur der offene und
ehrliche Umgang mit Fehlern, aber keine
Salami-Taktik oder Sündenbock-Strategie,
und auch mit einer Entschuldigung allein
sei es nicht getan.
„Check 24“: Versprechen
genau einhalten
Wichtig sei es, Verantwortung zu über-
nehmen und die Schuld nicht beim
Kunden zu suchen, betonte Christoph
Röttele, CEO beim Internetportal „Check
24“. Daher sei es auch falsch, den Kun-
denservice in einer eigenen Abteilung
zu organisieren. Denn letztlich sei jeder
Mitarbeiter verantwortlich. Bei Check 24
gebe es daher viele kleine und autarke
Einheiten. „Jedes Produkt hat seine ei-
gene Organisation mit eigener IT und
eigenem Marketing“, erklärte Röttele. So
seien die Mitarbeiter nah am Kunden.
Denn die bedingungslose Kundenori-
entierung sei die wichtigste Leitlinie bei
dem Online-Vergleichsportal. Daher be-
treibe man zum Beispiel auch am Flugha-
fen Mallorca einen eigenen Servicestand
für Kundenfragen neben den Autovermie-
tern, obwohl man dort selbst keine eige-
nen Produkte anbietet. Und man halte
Versprechen ein.
„Viele Unternehmen locken mit Gut-
scheinen und beschäftigen gleichzeitig
extra eine Person, die dafür sorgt, dass
die Einlösequote möglichst gering ist“,
sagt Röttele. Dann werde der Prozess
so kompliziert gemacht, dass die Kun-
den wieder aussteigen. „Die arbeiten
gegen den Kunden“, kritisiert der Check-
24-Manager. Das spare vielleicht kurzfris-
tig Kosten, gefährde aber langfristig die
Gewinne. Auch Rabatte für Neukunden
oder Exklusivangebote für abspringende
Kunden führten oft zu Unmut. „Der lo-
yale Kunde bekommt nichts, während
der illoyale Kunde Rückgewinnungsgut-
scheine und Exklusivangebote erhält“,
sagt Röttele. Das sei doch pervers. Bei
Check 24 bekomme daher jeder Kunde
einmal etwas. Eine klare Absage erteilte
der Manager auch dem agilen Ansatz,
möglichst schnell mit einem Produkt auf
den Markt zu gehen. „Wir wollen unser
Kundenversprechen bei jedem Produkt
einhalten“, so Röttele. „Nicht ausgereifte
Produkte am Kunden zu testen, ist der
falsche Ansatz.“
„Feedback ist ein wichtiger
Vertrauensstifter“
Vertrauen sollte man nicht strategisch
angehen, aber man müsse daran arbei-
ten, betonte Professor Guido Möllering.
Dazu gehöre es, dem anderen Aufmerk-
samkeit zu schenken. Auch Feedback zu
geben sei ein wichtiger Vertrauensme-
chanismus. „Wir dürfen Vertrauen nicht
mit Sicherheit verwechseln“, warnte der
Direktor am Reinhard-Mohn-Institut für
Unternehmensführung an der Universität
Witten-Herdecke. Vertrauen hebe Unsi-
cherheit und Verwundbarkeit zwar erst
mal auf, eliminiere sie aber nicht. Wir
sollten dabei Wohlwollen mehr betonen
als Kompetenz („Wir kümmern uns, weil
ihr wichtig seid.“) und die gegenseitige
Verantwortung verdeutlichen. Vertrauen
sei ein Lernprozess, mahnte der Wissen-
Mit dem Thema „Trust – Wo Vertrauen
entsteht und wie es wirkt“ hatte der von
der Gruppe Nymphenburg und der Haufe
Group veranstaltete „Neuromarketing
Kongress“ in diesem Jahr ein sensibles
Thema gewählt.
Wie gelingt der Aufbau von Vertrauen
und funktioniert das bei allen Kunden
gleich? „Je schwächer mein Selbstver-
trauen ist, umso weniger bin ich bereit,
anderen zu vertrauen“, erklärte zu Be-
ginn der Psychologieprofessor Martin
Schweer, Leiter des Zentrums für Vertrau-
ensforschung an der Universität Vechta.
Jemandem zu vertrauen, sei daher ein
Zeichen der Stärke. Aber der Aufbau
von Vertrauen brauche Zeit und erfolge
über das Prinzip der kleinen Schritte. Zu-
nächst überraschend war seine Aussage,
dass Misstrauen nicht das Gegenteil von
Vertrauen sei. „Das ist eine eigene psy-
chologische Dimension“, betonte der
Professor. Dahinter stehe das subjektive
Wissen über eine potenzielle Schädigung
und das wiederum setze eine tatsächliche
oder eine vermittelte Erfahrung voraus.
Misstrauen sei daher nicht konstruktiv.
„Wir gehen zwar nicht das Risiko ein,
aber wir sind auch nicht mehr offen für
eine Vielzahl von Erfahrungen“, brachte
es der Psychologe auf den Punkt.
Dass sich Vertrauen auszahlt, zeigen laut
Schweer empirische Befunde: In Orga-
nisationen erhöht Vertrauen die Motiva-
tion, die Bindung und Identifikation mit
dem Unternehmen. Es reduziert negati-
ven Stress, führt zu einer konstruktiveren
Konfliktlösung und steigert die Innova-
tionsfähigkeit, weil Veränderung immer
mit einem Risiko verbunden ist. Aber
Vertrauen kann auch schnell zerstört wer-
Neuromarketing: Vertrauen
lässt sich nicht managen
KONGRESSBERICHT.
Vertrauen ist „der“ Treibstoff für die Wirtschaft und ein wesentlicher
Erfolgsfaktor für Unternehmen, die sich in einer Marktwirtschaft behaupten müssen.
Vertrauen ist aber auch sehr schnell zerstört. Der 12. Neuromarketingkongress in der
BWM Welt in München befasste sich mit dem Thema Vertrauen. Ein Rückblick.
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