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wirtschaft + weiterbildung
06_2018
einen bestimmten Zug vorschlägt, aber es
stimmt“, zitierte der Psychiater die wis-
senschaftliche Fachzeitschrift „Nature“.
Maschinen werden daher Dinge machen,
die wir nicht mehr nachvollziehen kön-
nen, so Spitzer, dessen apokalyptische
Behauptungen zur Gefahr digitaler Me-
dien von etlichen Wissenschaftlern scharf
kritisiert werden.
Dass sich Fake News per Twitter so ra-
send schnell verbreiten, liege nicht an
Twitter, sondern an uns, so der Psychi-
ater Spitzer. „Wir sind auf Neuigkeiten
getrimmt und der Informationsgehalt von
falschen News ist eben viel größer als der
einer wahren und bekannten Nachricht.“
Twitter sei daher per se ein maßloser Ver-
stärker für Fake News. Ähnliches gelte für
Youtube, wo dem Nutzer stets weitere Vi-
deos vorgeschlagen werden.
Schließlich solle die Nutzungsdauer er-
höht werden, von der wiederum der
Werbepreis abhängt. 80 Prozent der an-
geschauten Videoinhalte seien dabei von
Youtube vorgeschlagen worden und das
nächste Video sei immer einen Tick ra-
dikaler. „Wer sich ein Video über vege-
tarische Küche anschaut, bekommt eines
über vegane Küche vorgeschlagen. Wer
eines über Donald Trump ansieht, dem
werde eines über den Ku-Klux-Clan emp-
fohlen“, behauptete Spitzer. Fakt sei, dass
die 1,5 Millionen Youtube-Nutzer zu 80
Prozent Videos anschauen, die radikaler
sind als sie selbst. Studien zeigten zudem,
wie sich die Stimmung der Nutzer mit ge-
zielten Newsfeeds beeinflussen lasse. Die
Effektstärken seien zwar klein, aber wenn
man das mit 200 Millionen Menschen
multipliziere, hätte das eben doch eine
ausgesprochen große Wirkung. „Wenn
man das hochskaliert, kann man die Welt
verändern“, warnte der Professor.
„Likes“ sind nichts anderes als
„soziale Vergleiche“
Wie die Interaktion mit digitalen Welten
unser Gehirn verändert, war das Thema
von Christian Montag, Heisenberg-Pro-
fessor für Molekulare Psychologie an der
Universität Ulm. Seine Studien zeigen,
dass wir täglich rund 2,5 Stunden direkt
mit digitalen Medien interagieren, wobei
Social Media und hier vor allem Whats-
app die großen Zeitfresser sind. Das hat
Auswirkungen auf das Gehirn.
So belegen mehrere Forschungsarbeiten,
dass der Nucleus Accumbens – ein zen-
trales Areal des Belohnungssystems im
menschlichen Gehirn – eine wesentliche
Rolle bei der Verarbeitung/Erwartung von
positivem Feedback in Form von „Likes“
spielt. Grundsätzlich seien „Likes“ – und
„Wir waren noch nie so vernetzt und
noch nie so einsam. Wir hatten noch nie
so viele Hilfsmittel und waren noch nie so
hilflos. Wir waren noch nie so technolo-
gisch und stehen doch erst am Anfang“,
fasste Bernd Werner, Vorstand der Gruppe
Nymphenburg, die paradoxen Facetten
des gegenwärtigen Zustands zu Beginn
des Kongresses zusammen.
Wie immer standen beim Neuromar-
ketingkongress am Vormittag wissen-
schaftliche Vorträge und am Nachmittag
die praktischen Anwendungen im Vor-
dergrund. Den Anfang machte Profes-
sor Manfred Spitzer, ärztlicher Direktor
der Psychiatrischen Uniklinik Ulm. Sein
Thema: Die Wirkung von innovativen
Technologien auf das Gehirn und den
Menschen. „Das Hirn wird mit Daten ge-
füttert, stellt neue Verbindungen her und
das nennen wir lernen“, erklärte der Psy-
chiater.
Bisher funktionierten Computer völlig
anders und wurden mit Algorithmen
trainiert. Doch inzwischen lernen sie
selbstständig. So habe ein Computer
beim komplexen GO-Spiel bereits gegen
den weltweit besten Spieler gewonnen,
nachdem er lediglich 40 Tage gegen sich
selbst gespielt und dabei gelernt hat.
„Wir müssen Computer wie ein Orakel
betrachten. Wir wissen nicht, warum er
Neuromarketing:
Highway to Brain
GEHIRNFORSCHUNG.
Wie verändern die modernen
Technologien Mensch und Marketing? Welche
Auswirkungen hat die Digitalisierung auf unser Gehirn?
Und bieten Maschinen künftig bessere Kundenerlebnisse?
Darum ging es in diesem Jahr beim 11. Neuromarketing-
kongress in München.
Neuromarketingkongress.
Der
Büchertisch zeigte es deutlich:
Auch die Fachliteratur profitiert
vom Trend zum „Neuro“.