Wirtschaft und Weiterbildung 09/2016 - page 59

wirtschaft + weiterbildung
09_2016
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Location.
Veranstaltungsort mit attraktiven Räumlichkeiten war das Klostergut Besselich in Urbar bei Koblenz.
und Top-Positionen in den Unternehmen
aufstiegen, empfänden diese Coaching-
Form „als ähnlich zeitgemäß sowie
zeit- und kostensparend wie das Online-
Banking“. Deshalb sollten die systemi-
schen Berater ihre Vorbehalte gegen diese
Coaching-Form aufgeben und sich statt-
dessen fragen: Wie müssen Coaching-
prozesse strukturiert sein, damit in ihnen
auch das Online-Coaching eine tragende
Rolle spielen kann – zum Beispiel, wenn
nach ein, zwei Auftaktsitzungen schon
eine persönliche Beziehung zwischen
dem Coach und dem Coachee existiert.
Ähnlich wie dies im E-Learning-Bereich
heute bereits in den Blended-Learning-
Konzepten geschieht.
Authentizität und
Selbstverwirklichung
Ähnlich verlief die Diskussion im Work-
shop „Coaching: Lebensräume schaffen
und gestalten“. In ihm zeigte Simone
Weber, Innenarchitektin und systemi-
scher Coach, Bilder von Wohnungen
und Häusern, bevor und nachdem diese
gemäß den Wünschen und Bedürfnissen
der Menschen, die in ihnen leben, umge-
staltet worden waren – und zwar so, dass
die Bewohner sich in ihnen wohlfühlen
und diese als Ausdruck ihrer Persönlich-
keit erfahren. Ähnlich so ihre Botschaft
müsse es beim Coaching sein. Auch hier
müsse außer den Lösungen auch das
„Setting“ zu den Klienten passen – also
das Verfahren, wie die Problemlösung
gefunden wird. Dies sei gerade bei der
Arbeit mit Angehörigen der Generationen
X, Y und Z wichtig, da für sie die The-
men „Authentizität“ und „Selbstverwirk-
lichung“ eine hohe Bedeutung hätten.
Das stellt auch die Unternehmen vor
große Herausforderungen. Das wurde
in dem Workshop, der sich explizit mit
den Generationen X, Y und Z befasste,
deutlich. Die Angehörigen dieser Genera-
tionen seien immer weniger bereit, sich
sozusagen lebenslang an ein Unterneh-
men zu binden. Deshalb seien für sie
auch die definierten Karrierepfade der
Unternehmen, die in der Regel auf eine
jahrzehntelange Zusammenarbeit ausge-
legt seien, nicht attraktiv. Die Angehöri-
gen der Generationen X, Y und Z wollten
vielmehr für sich einen ganz individu-
ellen Karriereplan entwerfen, der ihnen
mittel- und langfristig noch viele Optio-
nen bietet. Einen solchen Karriereplan
für sich zu entwickeln und zu realisieren,
überfordere jedoch zugleich viele – auch
wegen der vielen Unwägbarkeiten, die
damit verbunden sind. Die jungen Leute
in diesem Selbstfindungs- und Entschei-
dungsprozess zu unterstützen und zu
begleiten, sei zunehmend nicht nur eine
Aufgabe der klassischen Karriereberater,
sondern auch der Führungskräfte in den
Unternehmen.
Führung muss sich im digitalen Zeitalter,
in dem die einzige Konstante die perma-
nente Veränderung ist, ohnehin neu defi-
nieren. Dieses Credo zog sich sozusagen
als ein roter Faden durch die gesamte
Veranstaltung – und zwar nicht nur, weil
sich die Einstellung der jungen Mitarbei-
ter zur Arbeit und ihre Erwartung an Füh-
rung geändert habe. Entscheidender sei,
dass aufgrund des rasanten technischen
Fortschritts und der raschen Verände-
rungen im Unternehmensumfeld, wie es
IFSM-Geschäftsführer Uwe Reusche for-
mulierte, „die Strategien vieler Unterneh-
men auf Sand gebaut sind“.
Führung neu definieren
Zudem stünden sie und ihre Mitarbeiter
immer häufiger vor Herausforderungen,
bei denen Neuland zu betreten sei. Des-
halb müsse das Arbeiten in den Unter-
nehmen agiler und experimenteller wer-
den. Das heißt, die Mitarbeiter müssten
häufiger gemeinsam ausprobieren „Viel-
leicht könnte es so funktionieren“, um
anschließend zu evaluieren: „War mein,
unser Vorgehen zielführend?“ Damit die
Mitarbeiter eigenverantwortlich – ohne
Angst zu scheitern und hierfür sanktio-
niert zu werden – solche Versuche wag-
ten, müsse sich auch Führung ändern.
Sie müsse sich, so Reusche, „in Richtung
Coach, also Ermöglicher und Befähiger
sowie Lernbegleiter“ entwickeln. Zudem
müssten die Führungskräfte bei ihrem
Entscheiden und Tun außer dem ein-
zelnen Mitarbeiter stets das System als
Ganzes nebst seinem Umfeld vor Augen
haben. Sie müssten also systemischer
denken und handeln.
Lukas Leist
Foto: IFSM
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