wirtschaft und weiterbildung 06/2015 - page 52

messen und kongresse
52
wirtschaft + weiterbildung
06_2015
wirklich vonnöten, damit ein Unterneh-
men mehr Klarheit erhält.
Ist das aus Ihrer Sicht ein Erfolgsfaktor,
diese Transparenz?
Ternès:
Ja, Transparenz, aber vor allem
auch die Sensibilisierung, die zu Beginn
stehen muss. Die ist ganz wichtig – nicht
nur für das BGM selbst, sondern auch für
die Notwendigkeiten, die mit der Einfüh-
rung von BGM verbunden sind.
Sie haben gerade schon den demogra-
fischen Wandel als Treiber der Entwick-
lung genannt. Wie ist es mit den Verän-
derungen in der Arbeitswelt im Zuge der
Digitalisierung und Globalisierung? Steht
das alles in einem Zusammenhang?
Ternès:
Ja, auf jeden Fall. Natürlich mit
unterschiedlichen Konsequenzen, aber
das eine gehört zum anderen. Die Verän-
derungen in der Arbeitswelt führen dazu,
dass Mitarbeiter outgesourct werden,
dass Vorgänge schneller erledigt werden
müssen, dass viel mehr gleichzeitig zu
tun ist, dass Mitarbeiter eine Flut an E-
Mails erhalten. Wir sehen das ja an der
Zunahme stressbedingter Krankheiten,
die heute schon bei jungen Mitarbeitern
auftreten. Beispielsweise ein 24-Jähriger
mit Bandscheibenvorfall, da hätte man
vor Jahren gesagt, kann gar nicht sein.
Heute wissen wir durch medizinische Er-
kenntnisse, dass beispielsweise Übersäue-
rung durch Stress Krankheiten wie Gicht,
Arthrose, Hörsturz, Tinnitus oder eben
auch einen Bandscheibenvorfall psycho-
somatisch hervorrufen kann.
Sind Sie in diesem Zusammenhang für
ein Anti-Stress-Gesetz?
Ternès:
Ich glaube, Anreizsysteme vom
Staat wie zum Beispiel steuerliche Er-
mäßigungen oder Zuschuss-Regelungen
funktionieren besser als ein Gesetz. Ge-
setzmäßige Verbote oder Gebote gehen
aus meiner Sicht am Kern vorbei, weil
Gesundheitsförderung Spaß machen, mo-
tivieren sollte. Unternehmen sollten dies
gerne machen, weil sie langfristig davon
große Vorteile haben. Was aus meiner
Sicht wichtig ist, ist Aufklärung. Auf-
klärung verbunden mit ganz konkreten
Handlungsvorschlägen, mit Best-Case-
Practices.
Unternehmen können gesundheitsför-
dernde Angebote machen, aber sie kön-
nen nicht garantieren, dass sich die Mit-
arbeiter tatsächlich gesund verhalten …
Ternès:
Es gab eine Zeit, in der nicht
wenige Beschäftigte gesagt haben: „Ich
arbeite für den Arbeitgeber, der ist ver-
antwortlich für meine Gesundheit, der
soll sich mal kümmern“. Diese Haltung
hat deutlich abgenommen, vor allem bei
Mitarbeitern in der Privatwirtschaft. Ich
glaube, dass da ein Umdenken stattfinden
muss, beidseitig.
Interview: Petra Jauch
R
Trends im Gesundheitsmanagement
1. Sharing.
Es geht beim Gesundheitsmanagement, im
großen Rahmen gedacht, um die Einführung von Prozes-
sen, um das Teilen von Know-how. Der Sharing-Trend ist
jetzt auch im BGM auszumachen: Es gibt immer mehr
Netzwerke, Best Cases, Erfahrungsaustausch mit anderen
Unternehmen.
2. Sensibilisierung.
Es gibt einen Trend zur Sensibilisie-
rung: Wie nehme ich die Leute mit? Dabei geht es auch
um Instrumentarien, Methoden, Baukästen: Wie stelle ich
schnell fest, was meine Mitarbeiter und meine Führungs-
mannschaft brauchen, um dann entsprechend zu motivie-
ren und einen Aktionsplan zu erstellen.
3. Gamification.
Der Einbau von Gamification-Elementen,
also spielerischen Elementen, wird auch zum Trend. Bei-
Hintergrund.
Prof. Dr. Anabel Ternès arbeitet derzeit an einem Standardwerk zum Thema
„Betriebliches Gesundheitswesen“. Es soll im Herbst 2015 erscheinen. Beschrieben werden alte
und neue BGM-Ansätze sowie aktuelle Entwicklungen wie zum Beispiel folgende BGM-Trends:
„Ich glaube, Anreizsysteme vom Staat wie steuerliche
Ermäßigungen oder Zuschussregelungen
funktionieren besser als ein Anti-Stress-Gesetz.“
spiel: Im Zusammenhang mit der Einführung eines Fitness-
Raums können Mitarbeiter sich Punkte erarbeiten, für die
sie Belohnungen bekommen.
Bei allen BGM-Maßnahmen ist laut Ternès natürlich auch
auf den Datenschutz zu achten. Das gilt insbesondere
beim sogenannten „E-Health“, wo persönliche Daten
wie Blutdruck, Blutzucker oder Ähnliches gemessen wer-
den. Die Privatsphäre ist ein ganz wichtiger BGM-Faktor.
Was darf der Arbeitgeber, was darf er nicht? „Man denke
beispielsweise an übergewichtige Mitarbeiter. Ab wann
werden diese Mitarbeiter bloßgestellt? Hier muss man
äußerst sensibel vorgehen. Das Gleiche gilt auch bei-
spielsweise für das sogenannte Rauchertracking“, gibt
Ternès zu bedenken.
Petra Jauch
1...,42,43,44,45,46,47,48,49,50,51 53,54,55,56,57,58,59,60,61,62,...70
Powered by FlippingBook