Der Verwalter-Brief 2/2017 - page 11

11
Deckert/Elzer kompakt
grobe Fahrlässigkeit zu verstehen sind. Letztere
setzt – wie der BGH zu Recht ausführt – voraus,
dass der Handelnde die erforderliche Sorgfalt
nach den gesamten Umständen in ungewöhn-
lich grobem Maße verletzt und dasjenige nicht
beachtet habe, was jedem hätte einleuchten
und sich aufdrängen müssen. Für die Feststel-
lung des Verschuldens ist als Vergleichsmaß-
stab ein fachgerechtes Verwaltungshandeln
zu bestimmen. Anhand dieses Maßstabs ist zu
klären, ob eine Pflichtverletzung vorliegt und
welches Maß sie hat. Dabei spielt auch eine
Rolle, ob der Verwalter ein „Profi“ ist.
4. Mögliche Pflichtverletzungen
Bei der vom Gericht notwendig festzustellen-
den Pflichtverletzung wird es sich in der Re-
gel um einen vom Verwalter zu vertretenden
Beschlussmangel handeln. Nachfolgend ein
Überblick über mögliche Pflichtverletzungen.
Ein
formeller Beschlussmangel
und eine
Veranlassung des Verwalters kann vorlie-
gen, wenn der Verwalter
grundlos Einsichtnahme in Verwaltungs-
akten verweigert;
die Tagesordnung unzureichend erstellt,
etwa die Beschlussgegenstände nur un-
zureichend bezeichnet;
Ladungsfehler macht;
den Versammlungsort unzureichend aus-
wählt;
Verstöße gegen den Grundsatz der Nicht-
öffentlichkeit zulässt oder übersieht, dass
eine Versammlung nicht beschlussfähig
ist;
Wohnungseigentümer zu Unrecht von der
Versammlung ausschließt;
die vereinbarten Vorgaben der Woh-
nungseigentümer, beispielsweise die
vom Gesetz abweichenden Stimmrechts-
prinzipien, missachtet oder – wie im Fall
– das geltende Stimmrechtsprinzip nicht
versteht;
für seine Entlastung Stimmrechtsvoll-
machten nutzt;
Stimmrechtsvollmachten nicht prüft oder
vorsätzlich und willkürlich zurückweist;
die Versammlung unzureichend leitet,
etwa die Gemeinschaftsordnung miss-
achtet;
sich verzählt;
Beschlüsse unter dem Punkt „Sonstiges“
fassen lässt.
Materielle Beschlussfehler
sind unter an-
derem vorstellbar, wenn der Verwalter
schuldhaft falsche Prognosen für den
Wirtschaftsplan vorlegt;
den Entwurf einer ordnungswidrigen Ab-
rechnung präsentiert;
einen Erhaltungsbeschluss unzureichend
vorbereitet;
Beschlüsse unbestimmt formuliert.
Verkündung einen nicht rechtmäßigen Be-
schlusses. Hier ist vieles im Streit. Eine Haf-
tung kommt jedenfalls in Betracht, sofern es
nicht nur um die Ordnungsmäßigkeit geht.
Der Verwalter kann ein Verfahren ferner
wegen Mängeln der Niederschrift oder der
Beschluss-Sammlung, wegen falscher oder
unvollständiger Auskünfte oder wegen
Amtspflichtverstößen gegen die in § 27 Abs.
1 WEG geregelten Handlungsgebote veran-
lasst haben. Ferner ist eine Veranlassung
vorstellbar, wenn der Verwalter im Namen
der Gemeinschaft den falschen Eigentümer
verklagt oder dann, wenn der Verwalter für
die Wohnungseigentümer einen Anspruch
geltend macht, der nach § 10 Abs. 6 Satz 3
WEG von der Gemeinschaft der Wohnungs-
eigentümer einzuklagen wäre oder dieser
sogar nach § 10 Abs. 6 Satz 2 WEG zusteht,
oder, wenn der Verwalter im Namen der Ge-
meinschaft ohne Ermächtigung dazu klagt.
5. Der konkrete Fall
Im konkreten Fall machte der BGH dem Ver-
walter zum Vorwurf, dass er die Wohnungs-
eigentümer nicht ausreichend informiert
hatte. Welche gesetzliche Pflicht dem BGH
dabei vorschwebt, wird leider nicht deutlich.
Ich selbst meine zwar, dass der Verwalter die
Wohnungseigentümer stets umfassend infor-
mieren muss. Er muss die Wohnungseigen-
tümer meiner Ansicht nach aber nicht „zum
Jagen tragen“. Die Sichtweise des BGH ist
insoweit sehr streng. Und dass der Verwalter
eine „Fehlvorstellung“ der Versammlungsteil-
nehmer hervorgerufen haben soll, ist wohl
eher behauptet, denn festgestellt. Ungeachtet
dessen sollte jeder Verwalter sein „Informati-
onsmanagement“ an die hohen Maßstäbe des
BGH anpassen.
6. Prozessuales Verhalten
a) Jedem Verwalter sollte bewusst sein, dass
das Gericht befugt ist, ihm auch in einer WEG-
Sache, in der er nicht Partei ist, die Kosten des
Rechtsstreits aufzuerlegen. Dazu muss es ihn
vorher – will es seine Grundrechte (Art. 103
GG: rechtliches Gehör) nicht verletzen – anhö-
ren. Eine bloße Beiladung genügt also nicht.
Folge der Anhörung ist es wohl, dass der Ver-
walter die Wohnungseigentümer nicht mehr
nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG vertreten kann und
auch eine Zustellung an den Verwalter nach §
45 WEG wegen einer Interessenskollision aus-
scheidet.
b) Wird dem Verwalter rechtliches Gehör
gewährt, kann er – will er sich nicht selbst
vertreten – nicht durch einen der anwaltli-
chen Prozessbevollmächtigten der Parteien
vertreten lassen. Denn ein Rechtsanwalt darf
keine widerstreitenden Interessen vertreten.
Die Interessen der klagenden und/oder be-
klagten Wohnungseigentümer und die des
Verwalters sind aber widerstreitend. Denn die
Wohnungseigentümer wollen die Kosten des
Rechtsstreits auf den Verwalter gleichsam „ab-
wälzen“. Der Verwalter muss sich daher einen
eigenen Rechtsanwalt nehmen.
7. Verhaltensempfehlungen an Verwalter
a) Kommt ernsthaft in Betracht, dass das Ge-
richt dem Verwalter die Kosten des Rechts-
streits auferlegt, sollte der Verwalter – gegebe-
nenfalls individuell durch einen Rechtsanwalt
vertreten – dem Gericht darlegen, dass
er keine Pflichten verletzt hat – dies muss,
gegebenenfalls durch eine Beweisaufnah-
me, festgestellt sein – bzw.
eine etwaige Pflichtverletzung jedenfalls
nicht grob verschuldet, sondern allenfalls
leicht fahrlässig war.
b) Legt ein Amtsgericht einem Verwalter die
Kosten des Rechtsstreits auf, sollte der Ver-
walter sorgfältig prüfen, ob sich eine soforti-
ge Beschwerde lohnt. Dies ist der Fall, wenn
das Amtsgericht die Voraussetzungen des § 49
Abs. 2 WEG verkannt hat. Eine sofortige Be-
schwerde ist neben einer eingelegten Beru-
fung zulässig.
c) Legt ein Landgericht einem Verwalter die
Kosten des Rechtsstreits auf, sollte der Verwal-
ter sorgfältig prüfen, ob eine Rechtsbeschwer-
de statthaft ist. Ist diese nicht zugelassen,
sollte die Anhörungsrüge und – subsidiär – die
Verfassungsbeschwerde geprüft werden.
d) Jeder Verwalter sollte die Wohnungseigentü-
mer über tatsächliche Zweifelsfragen aufklären
und ihnen, jedenfalls auf Verlangen, gegebe-
nenfalls einen Vorschlag zum weiteren Vorge-
hen machen. Der Verwalter hat aktiv solche
Informationen zu geben, damit das gemein-
schaftliche Eigentum sachgerecht verwaltet
werden kann und die Gemeinschaft der Woh-
nungseigentümer und/oder die Wohnungsei-
gentümer ihre gesetzlichen Rechte wahrneh-
men und ihre Pflichten erfüllen können.
!
Weiterführende Informationen:
Verwalterhaftung
952431
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10 12
Powered by FlippingBook