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Deckert/Elzer kompakt
So hat der Bundesgerichtshof entschieden:
1. Beschwerdemöglichkeit eines
Verwalters
Das Gesetz regele nicht ausdrücklich, ob und
wie der Verwalter eine Entscheidung anfech-
ten kann, mit der ihm gemäß § 49 Abs. 2
WEG die Kosten eines Rechtsstreits auferlegt
werden. Hierbei handele es sich um eine plan-
widrige Regelungslücke, die durch die analoge
Anwendung von § 91a Abs. 2 ZPO und § 99
Abs. 2 ZPO zu schließen sei; infolgedessen sei
gegen eine im 1. Rechtszug erfolgte Kosten-
entscheidung die sofortige Beschwerde des
Verwalters statthaft. Werde erstmals im Be-
rufungsrechtszug eine solche Kostenentschei-
dung getroffen, sei die Rechtsbeschwerde
statthaft, sofern diese zugelassen worden sei.
2. Grundsätze der Kostenentscheidung
gemäß § 49 Abs. 2 WEG
Eine Kostenentscheidung gemäß § 49 Abs.
2 WEG setze das Bestehen eines gegen den
Verwalter gerichteten materiell-rechtlichen
Schadensersatzanspruchs wegen der (grob
verschuldeten) Verletzung von Pflichten bei
der Verwaltung voraus. Dieser Anspruch könne
sich aus dem Verwaltervertrag ergeben, der
Schutzwirkungen auch zugunsten der Woh-
nungseigentümer entfalte.
3. Die Kosten der 1. Instanz
Nicht zu beanstanden sei die Annahme des
Berufungsgerichts, die Anfechtungsklage hätte
aufgrund einer Pflichtverletzung des Verwal-
ters Erfolg gehabt und die Kosten wären daher
an sich den unterlegenen Wohnungseigentü-
mern aufzuerlegen gewesen. Aufgrund des
Verhaltens des Verwalters sei K faktisch von
der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlos-
sen worden. Da die Leitung der Versammlung
dem Verwalter obliege und dieser für eine
ordnungsmäßige Durchführung zu sorgen
habe, hätte der Verwalter auf das Erfordernis
eines Beschlusses über den Stimmrechtsaus-
schluss hinweisen müssen. Dies sei spätestens
veranlasst gewesen, als K ausdrücklich erklärt
habe, sie könne nicht mitstimmen, weil sie
ausgeschlossen sei. Denn das Unterlassen der
Mitwirkung habe nicht auf einer eigenen Ent-
scheidung der K beruht, sondern auf einer von
V zurechenbar hervorgerufenen Fehlvorstel-
lung der Versammlungsteilnehmer.
4. Die Kosten der Berufung
Der Verwalter habe auch die Kosten der Be-
rufung teilweise veranlasst. Auch insoweit
sei allein maßgeblich, ob dem unterlegenen
Rechtsmittelführer ein materiell-rechtlicher
Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter
zustehe, der die Kosten des Rechtsmittelver-
fahrens umfasse. Dies sei im Grundsatz zu be-
jahen, weil sich mit der Durchführung eines
Rechtsstreits auch über 2 Instanzen das durch
die Pflichtverletzung des Verwalters entstan-
dene Risiko verwirkliche.
5. Verschulden des Verwalters
Der Verwalter habe auch schuldhaft gehandelt.
Unter grobem Verschulden im Sinne von § 49
Abs. 2 WEG seien Vorsatz oder zumindest gro-
be Fahrlässigkeit zu verstehen. Letztere setze
voraus, dass der Handelnde die erforderliche
Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße ver-
letzt und dasjenige nicht beachtet habe, was
jedem hätte einleuchten und sich aufdrängen
müssen. Es müsse sich um eine auch subjektiv
schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung
handeln, wobei an einen erfahrenen Berufs-
verwalter höhere Anforderungen zu stellen
seien als an einen nicht professionell tätigen
Verwalter aus der Reihe der Wohnungseigen-
tümer. So liege es hier. Dass der Stimmrechts-
ausschluss bei Anwendung von § 10 der Ge-
meinschaftsordnung einen Beschluss erfordert
habe, habe sich aus dem Wortlaut der Bestim-
mung erschlossen; die Bewertung als grobes
Verschulden auch in subjektiver Hinsicht sei
bei einem Berufsverwalter daher nicht zu be-
anstanden.
Das bedeutet für Sie:
1. Rechtsmittel gegen die Kostenpflicht
a) Der Gesetzgeber hat im Zuge der WEG-Re-
form die bis dahin von der Rechtsprechung
entwickelte Möglichkeit, dem Verwalter die
Kosten des Rechtsstreits (= die Kosten der Par-
teien und des Gerichts) aufzuerlegen, ins Ge-
setz geschrieben. Seit Sommer 2007 können
dem Verwalter die Kosten des Rechtsstreits
auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Ge-
richts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein
grobes Verschulden trifft, auch wenn er nicht
Partei des Rechtsstreits ist. Diese Klarstellung
war zu begrüßen und ist grundsätzlich richtig.
§ 49 Abs. 2 WEG verhindert – richtig angewen-
det – einen 2. Prozess, der den Regress der
Wohnungseigentümer, die verloren haben, ge-
gen den Verwalter zum Inhalt hätte. Ärgerlich
war indes, dass der Gesetzgeber schlicht ver-
gessen hat, dem Verwalter ein Rechtsmittel an
die Hand zu geben, sofern er die Kosten des
Rechtsstreits zu tragen hat. Diese unbewusste
Lücke schlossen Schrifttum und die unterin-
stanzlichen Gerichte durch eine Analogie zu §
99 Abs. 2 Satz 1 ZPO und Befürwortung einer
sofortigen Beschwerde.
b) Dieser Lösung schließt sich der BGH jetzt
ohne viel Federlesens ausdrücklich und im
Interesse der Verwalter an. Allerdings geht er
den Weg nicht bis zum Ende. Denn die sofor-
tige Beschwerde soll nur möglich sein, wenn
der Verwalter gegen die Kostenentscheidung
des Amtsgerichts vorgeht. Meinem Vorschlag,
dem Verwalter die sofortige Beschwerde
auch dann zu geben, wenn das Landgericht
erstmals eine Kostenentscheidung zu dessen
Lasten trifft, hat der BGH leider eine Absage
erteilt. Stattdessen hält der BGH die Rechtsbe-
schwerde für das richtige Rechtsmittel. Diese
ist aber nur statthaft, wenn dies im Gesetz
ausdrücklich bestimmt ist – das ist nicht der
Fall – oder das Beschwerdegericht sie zugelas-
sen hat; das dürfte häufig nicht der Fall sein.
c) Wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelas-
sen, kann ein Verwalter zurzeit nur eine Anhö-
rungsrüge nach § 321a ZPO oder eine Verfas-
sungsbeschwerde erheben. Das ist ärgerlich
und sollte für Verwalterverbände Anlass sein,
auf den Gesetzgeber einzuwirken, dass die
Rechtsbeschwerde ausdrücklich für statthaft
erklärt oder die sofortige Beschwerde einge-
führt wird.
2. Pflichtverletzung des Verwalters
a) Dem Verwalter können nach § 49 Abs. 2
WEG die Kosten des Rechtsstreits auferlegt
werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch
ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Ver-
schulden trifft, auch wenn er nicht Partei des
Rechtsstreits ist. § 49 Abs. 2 WEG sagt damit
zwar einiges, aber nicht, worauf sich das gro-
be Verschulden eigentlich beziehen muss. Ich
war insoweit immer der Ansicht, Bezugspunkt
müssten die Amtspflichten, aber auch die ver-
traglich übernommenen Pflichten des Verwal-
ters sein – und zwar sowohl gegenüber der Ge-
meinschaft der Wohnungseigentümer als auch
gegenüber den Wohnungseigentümern.
b) Diesem Denken schließt sich der BGH jetzt
an. Auch er ist also der Ansicht, dass eine Kos-
tenentscheidung gemäß § 49 Abs. 2 WEG das
Bestehen eines gegen den Verwalter gerich-
teten materiell-rechtlichen Schadensersatz-
anspruchs wegen der (grob verschuldeten)
Verletzung von Pflichten bei der Verwaltung
des gemeinschaftlichen Eigentums voraus-
setzt. Im Hinblick auf die Voraussetzungen des
Schadensersatzanspruchs ist dem Gericht in-
soweit kein Ermessen eingeräumt. Es müssen
also sämtliche hierfür erheblichen Tatsachen
feststehen.
3. Grobes Verschulden
§ 49 Abs. 2 WEG spricht von einem „groben
Verschulden“ – ohne zu sagen, was das ist. Der
BGH schließt sich insoweit auch hier der herr-
schenden Meinung an (für alle Hügel/Elzer,
WEG, 1. Auflage 2015, § 49 Rn. 23) und klärt für
die Praxis, dass unter einem grobem Verschul-
den in diesem Sinne Vorsatz oder zumindest
Der Verwalter sollte stets ausdrücklich an-
regen, dass das Landgericht als Beschwer-
degericht die Rechtsbeschwerde zulässt.
HINWEIS: