DER VERWALTERBRIEF 5/2017 - page 4

Kauf einer Immobilienverwaltung –
Vorgehensweise für eine erfolgreiche
Übernahme
Dipl.-Kfm. Richard Kunze, Worms
Der Konzentrationsprozess in der Immobilienverwalterbranche
beschleunigt sich. Je nachdem, welche Statistik man zugrunde
legt, ist in Deutschland von 16.000 bis 22.000 Unternehmen
auszugehen, die Immobilien für Dritte verwalten. Der weitaus
größte Teil der Unternehmen sind Klein- und Mittelbetriebe, die
mit 2 bis 4 Personen bis zu 1.500 Einheiten verwalten. Viele Un-
ternehmensgründer kommen in das Rentenalter und finden nur
selten Nachfolger in der Familie. Für diese Unternehmen werden
Käufer gesucht, das Transaktionsvolumen nimmt merklich zu.
Was sollte nun ein Kaufinteressent, der bereits ein Verwaltungsunter-
nehmen besitzt, beim Kauf eines Mitbewerbers beachten?
1. Schlüssiges Expansionskonzept
Ausgerichtet an den Möglichkeiten des kaufenden Unternehmens sollte
ein schlüssiges Expansionskonzept formuliert sein. Es sollte klar aus-
sagen, welche Unternehmensgrößen in welchem räumlichen Bereich
übernommen werden können/sollen.
Liegt kein Expansionskonzept vor und sind die nachfolgend beschrie-
benen Voraussetzungen nicht gegeben, besteht die Gefahr, dass eine
Ad-hoc-Entscheidung für eine Firmenübernahme getroffen wird, die die
Gefahr des Scheiterns in sich birgt.
2. Die Organisation des eigenen Unternehmens
Bevor ein Unternehmer eine Übernahme in Betracht zieht, sollte er zu-
erst sein eigenes Unternehmen darauf vorbereiten. Idealerweise sollte
er folgende Voraussetzungen schaffen:
die Kern-Arbeitsprozesse optimieren und dokumentieren;
die Rolle, Aufgabe, Befugnis und Verantwortung jeder Arbeitsstelle/
Funktion im Unternehmen klar definieren und dokumentieren.
Das ist die Grundlage, um ein neues Unternehmen an das bestehende
anzudocken und so rasch wie möglich nach einheitlichen Prozessen in
beiden bzw. in einem verschmolzenen Unternehmen zu arbeiten. Es ist
auch die Grundlage, das neue Unternehmen in das bestehende Control-
ling zu integrieren. Das sollte das Ziel sein.
3. Die personellen Kapazitäten des Übernehmers
Eine Firmenübernahme erfordert nicht zu unterschätzende personelle
Kapazitäten. Die Sicherstellung dieser Kapazitäten ist ebenfalls Voraus-
setzung für das Gelingen einer Übernahme. Firmenübernahmen erzeu-
gen bei Mitarbeitern des übernommenen Unternehmens immer Ängste
und Unsicherheiten. Es muss deshalb damit gerechnet werden, dass
Kündigungen erfolgen und schnellstens Ersatz bereitgestellt werden
muss.
4. Analyse des Kaufunternehmens
Basis der Analyse sind die Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnun-
gen der letzten 3 Jahre. Wenn der Unternehmer selbst die entspre-
chende Fachkenntnis nicht hat, empfiehlt es sich unbedingt, einen
Steuerberater/Wirtschaftsprüfer zurate zu ziehen. Die Bilanz enthält
wichtige Informationen, beispielsweise über Pensionsrückstellungen
oder Verbindlichkeiten, deren Behandlung in einem Kaufvertrag klar zu
regeln ist. Anhand der Gewinn- und Verlustrechnungen lassen sich die
Rentabilitätsentwicklung und zu hinterfragende Brüche ablesen. Eine
aktuelle betriebswirtschaftliche Auswertung zeigt, ob Trends fortgesetzt
wurden.
Bilanzanalysen sind Vergangenheitsbetrachtungen. Um die Werthaltig-
keit eines Verwaltungsunternehmens zu bewerten, sind jedoch Kenn-
zahlen gefragt, die nur der erfahrene Verwalter selbst definieren und
analysieren kann. Einige Themen seien beispielhaft genannt:
Objektstruktur
Wie sehen die Objekt-Cluster nach Objektgrößen aus? Gibt es z. B. Groß-
objekte, deren Verlust erhebliche Umsatzeinbußen mit sich brächten?
In welchem räumlichen Bereich befinden sich die Objekte? Sind die
Entfernungen zu den Objekten unter Berücksichtigung der Größen wirt-
schaftlich?
Preisgestaltung
Sind die Verwaltergebühren marktkonform? Sind die Gebührenunter-
schiede nach Objektgrößen wirtschaftlich? Sind Sonderleistungen ver-
traglich vereinbart und werden sie berechnet?
Verwaltungsverträge
Sind die Verwaltungsverträge rechtlich aktuell? Werden bei Wiederbe-
stellungen der jeweils aktuelle Vertrag beschlossen oder werden veral-
tete Vertragsmuster fortgeschrieben? Enthalten die Verwaltungsverträ-
ge Gebühren für Sonderleistungen?
Beschlussprotokolle
Sind die Beschlüsse rechtskonform und anfechtungssicher formuliert oder
beinhalten sie Anfechtungs- und damit Kostenrisiken für den Verwalter?
Unternehmensversicherungen
Bestehen ausreichende Betriebshaftpflicht-, Vermögensschaden- und
Vertrauensschadenversicherungen mit Nachhaftungsklauseln?
Mitarbeiter
Ein entscheidender Wertfaktor soll hier besonders betont werden. Wie
ist es um die Mitarbeiterqualität bestellt? Der Kaufinteressent hat in der
Regel keine Möglichkeit, die Mitarbeiter vor Abschluss eines Kaufver-
trages persönlich kennenzulernen. Er ist bei der Beurteilung der Mit-
arbeiterqualität auf die vorhandenen Vertragsunterlagen und auf die
Aussagen des Verkäufers angewiesen. Gerade deshalb sollte sich der
Interessent diese Unterlagen eingehend ansehen und sich einen de-
taillierten Überblick über Alter, Ausbildung, Betriebszugehörigkeit und
Aufgaben verschaffen. In Verbindung mit einem eingehenden Interview
des Verkäufers kann er auf diese Weise einen guten Überblick über die
Qualität der zu übernehmenden Mitarbeiter gewinnen.
5. Preisfindung
Noch immer hält sich das hartnäckige Gerücht, der Preis einer Im-
mobilienverwaltungsfirma entspräche dem Umsatz eines Jahres.
Der Kaufpreis einer Firma muss sich amortisieren. Dafür sorgen aber
nicht die Umsätze, sondern die Gewinne. Zwei Firmen mit dem-
selben Jahresumsatz können völlig unterschiedlich strukturiert und
4
Verwalterthema
des Monats
1,2,3 5,6,7,8,9,10,11,12
Powered by FlippingBook