DER VERWALTERBRIEF 5/2017 - page 11

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Deckert/Elzer kompakt
er würde dadurch zum Richter in eigener Sa-
che. So liegt es etwa, wenn:
es um seine Bestellung zum Verwalter oder
zum Verwaltungsbeirat einschließlich der
Beschlussfassung über die dazugehörigen
Regelungen oder seine „normale“ Abberu-
fung als Verwalter oder seine Abwahl als
Verwaltungsbeirat ohne wichtigen Grund
geht;
beschlossen werden soll, wie sein Sonderei-
gentum gebraucht werden darf;
einem Wohnungseigentümer eine Klagebe-
fugnis erteilt werden soll;
es um die Abrechnung oder den Wirtschafts-
plan geht.
Wird im Rahmen einer einheitlichen Beschluss-
fassung sowohl über Be- und Anstellung oder
Abberufung und Vertragsschluss/Kündigung
des Verwaltervertrags entschieden, besitzt
der vom Stimmrecht eigentlich Ausgeschlos-
sene ein Stimmrecht. Etwas anderes gilt aller-
dings, wenn mit ein und demselben Beschluss
über eine außerordentliche Beendigung des
Verwalteramtes und des bestehenden Ver-
tragsverhältnisses aus wichtigem Grund abge-
stimmt wird.
d) Entlastung
Ein Wohnungseigentümer ist gem. § 25 Abs.
5 Var. 1 WEG beim Beschluss über seine Ent-
lastung als Verwalter oder Verwaltungsbeirat
vom Stimmrecht ausgeschlossen. Der Stimm-
rechtsausschluss umfasst auch die Ausübung
von Stimmrechtsvollmachten. Ist der Beschluss
mit weiteren Abstimmungspunkten verbun-
den, erstreckt sich der Stimmrechtsausschluss
auch darauf. Ein Wohnungseigentümer kann
sich auch nicht vertreten lassen.
e) Klärung der zugrunde liegenden Tatsachen
Der Verwalter muss über das Vorliegen eines
Stimmverbots spätestens bei Feststellung ei-
nes Abstimmungsergebnisses entscheiden. Die
Frage nach einem Stimmrechtsausschluss wird
sich in vielen Fällen aber bereits im Vorfeld
der Versammlung abzeichnen. Der Verwalter
kann dann vom betroffenen Wohnungseigen-
tümer die zur Beurteilung des Vorliegens oder
Nichtvorliegens eines Stimmverbots erforder-
lichen Auskünfte verlangen.
3. Vereinbarte Stimmrechtsausschlüsse
Die Wohnungseigentümer können vereinba-
ren, dass für bestimmte Beschlussgegenstände
nur bestimmte Wohnungseigentümer stimm-
berechtigt sind. Nicht möglich soll es hingegen
sein, zu vereinbaren, dass das Stimmrecht ei-
nes Wohnungseigentümers ruht, wenn er mit
seinen Hausgeldzahlungen in Verzug ist.
4. Stimmrechtsmissbrauch
Ein Wohnungseigentümer kann nach der ihm
obliegenden Treuepflicht im Einzelfall gehal-
ten sein, in bestimmter Weise abzustimmen.
Stimmt ein Wohnungseigentümer entgegen
dieser Bindung ab, missbraucht er sein Stimm-
recht mit der Folge, dass seine Stimme un-
wirksam ist. Mit der Annahme eines Stimm-
rechtsmissbrauchs sind besonders gelagerte
Ausnahmefälle beschrieben. Die Annahme,
ein Beschluss sei nicht nur anfechtbar, sondern
die auf ihn bezogene Stimmabgabe sei bereits
nichtig, muss eine seltene sein. Sie muss vor
allem solche Fälle betreffen, in denen eine
Anfechtung nicht abgewartet werden kann
und eine Kontrolle bereits im Rahmen der Ab-
stimmung stattfinden muss.
5. Verhaltensempfehlungen an Verwalter
1. Jeder Verwalter muss im Vorfeld jeder Ver-
sammlung anhand der Tagesordnung zu je-
dem vorgesehenen Tagesordnungspunkt prü-
fen, welche Personen nach einer Vereinbarung
oder von Gesetzes wegen oder wegen eines
etwaigen Stimmrechtsmissbrauchs stimmbe-
rechtigt bzw. nicht stimmberechtigt sind.
2. Kommt eine entsprechende Anwendung
des § 25 Abs. 1 Var. 1 WEG in Betracht, sollte
im Vorfeld jeder Versammlung geklärt wer-
den, in welcher Weise ein Wohnungseigen-
tümer mit einem Dritten verflochten ist. Der
entsprechende Wohnungseigentümer ist dar-
auf hinzuweisen, dass er sich vollständig und
richtig erklären muss und im Zweifel seine
Stimme gegebenenfalls vom Verwalter nicht
gezählt wird.
3. Mit der Annahme eines Stimmrechtsmiss-
brauchs sollte zurückhaltend verfahren wer-
den. Ein Stimmrechtsmissbrauch kann in der
Regel erst in einer Versammlung abschließend
geklärt werden.
4. Ein Verwalter sollte sich nicht anweisen
lassen, ob er einen Stimmrechtsausschluss
annehmen soll. Von einer etwaigen Haftung
kann ihn ein Mehrheitsvotum gegebenenfalls
auch nicht befreien.
5. Ein Verwalter sollte die Wohnungseigen-
tümer aufklären, wer zu welchem Tagesord-
nungspunkt stimmberechtigt ist. Der Verwalter
darf nach herrschender Meinung insoweit kei-
ne Fehlvorstellung der Versammlungsteilneh-
mer hervorrufen.
WEG-Rechtsprechung
kompakt
Fairnessgebot: Beide Seiten dürfen sich
in der Versammlung anwaltlich beraten
lassen
(AG Schöneberg, Urteil v. 17.3.2016, 771 C 64/15)
Ist ein Rechtsanwalt im Auftrag der Woh-
nungseigentümergemeinschaft
anwesend,
der gegen die Interessen eines einzelnen
Wohnungseigentümers tätig wird, so wird
man dem Eigentümer, gegen den die Bera-
tung gerichtet ist, die Begleitung durch einen
eigenen Rechtsanwalt zugestehen müssen. Es
verstößt gegen das Fairnessgebot und das ge-
meinschaftliche Rücksichtnahmegebot, wenn
nur eine Seite anwaltlich beraten wird.
!
Weiterführende Informationen:
Vertretung in der Eigentümerversammlung
2118129
Baumfällen: Bauliche Veränderung,
wenn Baum prägenden Charakter für die
Anlage hat
(LG Berlin, Urteil v. 2.2.2016, 53 S 69/15)
Bei dem ersatzlosen Fällen eines Baums ist
eine allzustimmungsbedürftige bauliche Ver-
änderung dann anzunehmen, wenn der zu fäl-
lende Baum für die Gartenanlage prägenden
Charakter hat.
!
Weiterführende Informationen:
Bauliche Veränderung: Grundsätze
636256
Der Verwalter wird nach Funktion und
Möglichkeiten regelmäßig keine offene
und umfassende Abwägung vornehmen
können, sondern ist auf möglichst klare
und einfach festzustellende Kriterien ange-
wiesen. Ob er dann, wenn ein Zweifel be-
steht, die Wohnungseigentümer um eine
Weisung bitten kann, ist allerdings unklar.
HINWEIS: WEISUNG
Bei der Beurteilung geht es nämlich um
keine Frage, die die Wohnungseigentümer
beantworten könnten. Die Klärung des Pro-
blems fällt allein in den Pflichtenkreis des
Verwalters. Ich selbst rate daher an dieser
Stelle von der Einholung einer Weisung ab.
In Praxis und Theorie kommt ein Miss-
brauch des Stimmrechts in der Regel nur
in den Blick, wenn eine Person oder eine
kleine, fest zusammengefügte Gruppe von
Wohnungseigentümern die anderen durch
ihr Stimmenübergewicht beherrscht und
die Mehrheit zur Durchsetzung eigennüt-
ziger, sachlich nicht gerechtfertigter oder
gesetzwidriger Ziele nutzt, und wird dann
im Wohnungseigentumsrecht unter dem
Stichwort „Majorisierung“ diskutiert.
HINWEIS: MAJORISIERUNG
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