DER VERWALTERBRIEF 5/2017 - page 2

Auch bauliche Maßnahme am
Sondereigentum darf nicht stören
Hat eine bauliche Maßnahme zur Folge, dass anderen Wohnungseigen-
tümern über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeid-
liche Maß hinaus ein Nachteil erwächst, ist hierfür grundsätzlich die
Zustimmung aller beeinträchtigten Eigentümer erforderlich. Das gilt
nicht nur für Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum, sondern gemäß
§ 14 Nr. 1 WEG auch für Veränderungen am Sondereigentum, wie der
BGH nun klargestellt hat. Beim Gebrauch des Sondereigentums unter-
liegen die Wohnungseigentümer den gleichen Einschränkungen wie
beim Gebrauch des Gemeinschaftseigentums. Eine erhebliche optische
Veränderung des Gebäudes als Folge einer baulichen Veränderung des
Sondereigentums kann daher einen Nachteil begründen, den die ande-
ren Eigentümer nicht hinnehmen müssen.
Bei der Beurteilung, ob die optische Veränderung eines Bauteils einen
Nachteil zur Folge hat, ist nicht allein das veränderte Bauteil, sondern
das Gebäude insgesamt zu betrachten. Dabei sind auch vorher vorge-
nommene bauliche Veränderungen zu berücksichtigen.
Aber nicht immer löst eine erhebliche optische Veränderung des Gebäu-
des durch eine Maßnahme im Sondereigentum das Bedürfnis einer allsei-
tigen Zustimmung aus. Auf bauliche Maßnahmen am Sondereigentum,
die nur wegen ihrer Ausstrahlung auf den optischen Gesamteindruck des
Gebäudes für andere Wohnungseigentümer einen Nachteil darstellen,
sind nämlich § 22 Abs. 2 und 3 WEG entsprechend anzuwenden. Handelt
es sich bei der Maßnahme am Sondereigentum um eine Modernisie-
rung, genügt deshalb die Zustimmung von mehr als drei Vierteln aller
Wohnungseigentümer und mehr als der Hälfte der Miteigentumsanteile.
Sollte es sich um eine modernisierende Instandsetzung handeln, reicht
es, wenn die einfache Mehrheit der Eigentümer zustimmt. Die Zustim-
mung kann der Sondereigentümer durch Befassung der Eigentümerver-
sammlung erlangen. (BGH, Urteil v. 18.11.2016, V ZR 49/16)
!
Weiterführende Informationen:
Sondereigentum
637134
Unbestimmte Anfechtungsklage ist
nicht immer Vorratsanfechtung
Will ein Wohnungseigentümer die Ungültigkeit von Beschlüssen gericht-
lich geltend machen, muss er innerhalb eines Monats ab Beschluss-
fassung beim Amtsgericht eine Anfechtungsklage einreichen. Hieraus
muss erkennbar sein, gegen welche Beschlüsse er sich wendet. Wenn
zunächst eine Konkretisierung fehlt und der Kläger ankündigt, die ange-
fochtenen Beschlüsse später zu benennen, kann die Klage als „Vorratsan-
fechtung“ sämtlicher Beschlüsse zwecks Wahrung der Anfechtungsfrist
zu verstehen sein. Konkretisiert der Eigentümer die Klage im Nachhinein
auf bestimmte Beschlüsse und nimmt sie im Übrigen zurück, muss er
hinsichtlich des zurückgenommenen Teils die Prozesskosten tragen.
Wegen dieser möglichen Kostenfolge ist eine zunächst unbestimmte An-
fechtungsklage nicht in jedem Fall als Vorratsanfechtung aller Beschlüsse
zu verstehen, wie der BGH jüngst entschieden hat. Denkbar sei auch,
dass eine Auslegung als Vorratsanfechtung wegen der damit verbunde-
nen Kosten nicht dem Willen des Klägers entspricht, er vielmehr – vor die
Wahl gestellt – die Versäumung der Anfechtungsfrist infolge der unklaren
Fassung seiner Klage als das geringere Übel ansehen würde. Zudem kön-
ne der Kläger dann immer noch die Nichtigkeit der ihm missfallenden
Beschlüsse geltend machen. Welche Auslegung dem Willen des Klägers
entspricht, müsse bei Ablauf der Anfechtungsfrist zweifelsfrei erkennbar
sein. Auf das spätere Verhalten des Klägers komme es nicht an.
In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Kläger seine zunächst
unbestimmte Anfechtung im Nachhinein zwar auf Beschlüsse konkre-
tisiert, die zu einem hohen Streitwert führten. Bei Ablauf der Klagefrist
war aber noch unklar, ob er tatsächlich eine Vorratsanfechtung wollte.
Diese Zweifel gingen zu seinen Lasten, so dass die Klage abgewiesen
wurde. (BGH, Beschluss v. 16.2.2017, V ZR 204/16)
!
Weiterführende Informationen:
Anfechtungsklage
1717915
und
2551705
Vermieter muss Wegfall von
Eigenbedarf besonders gut begründen
Stützt der Vermieter einer Wohnung eine ordentliche Kündigung des
Mietverhältnisses auf Eigenbedarf, der tatsächlich nicht besteht, macht
er sich gegenüber dem Mieter schadensersatzpflichtig. Er muss dem
Mieter unter anderem die Umzugskosten und eine eventuelle Mietdif-
ferenz erstatten.
Wenn die Person, für die der Vermieter Eigenbedarf angemeldet hat,
nicht in die Wohnung einzieht, und der Mieter einwendet, der Eigenbe-
darf sei nur vorgeschoben gewesen, muss der Vermieter besonders ge-
nau begründen, warum der zunächst bestehende Eigenbedarf nachträg-
lich entfallen sein soll. Insoweit trifft ihn eine besondere Darlegungslast
zum Wegfall des Eigenbedarfs. Setzt der Vermieter den behaupteten
Eigenbedarf nicht um, liegt nämlich der Verdacht nahe, dass der Ei-
genbedarf nur vorgeschoben war. Unter diesen Umständen ist es dem
Vermieter zuzumuten, detailliert und plausibel darzulegen, warum der
Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll.
Kommt der Vermieter dieser besonderen Darlegungslast nicht nach,
darf das Gericht davon ausgehen, dass der Einwand des Mieters, der Ei-
genbedarf sei vorgetäuscht gewesen, zutrifft. (BGH, Urteil v. 29.3.2017,
VIII ZR 44/16)
!
Weiterführende Informationen:
Vorgetäuschter Eigenbedarf des Vermieters
2676237
Kündigung einer Wohnung für
berufliche Nutzung wird schwerer
Will der Vermieter einer Wohnung diese künftig zu beruflichen oder
geschäftlichen Zwecken nutzen, ist dies nicht dem gesetzlich geregel-
ten Eigenbedarf zu Wohnzwecken gleichzustellen. Vielmehr kommt es
im Einzelfall darauf an, ob das Nutzungsinteresse des Vermieters das
Interesse des Mieters am Verbleib in der Wohnung übersteigt. Das hat
der BGH klargestellt und Leitlinien für die Abwägung der beiderseitigen
Interessen aufgestellt.
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