DER VERWALTERBRIEF 5/2017 - page 10

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Deckert/Elzer kompakt
nach sei § 25 Abs. 5 Var. 1 WEG im Fall also
nicht anwendbar: Vertragspartner der Gemein-
schaft der Wohnungseigentümer habe nämlich
nicht B selbst werden sollen, sondern die C.
Immobilien GmbH & Co. KG.
3. Entsprechende Anwendung des § 25
Abs. 5 Var. 1 WEG
Ein Wohnungseigentümer sei indessen ent-
sprechend § 25 Abs. 5 Var. 1 WEG bei der
Beschlussfassung über ein Rechtsgeschäft mit
einer rechtsfähigen (Personen-) Gesellschaft
nicht stimmberechtigt, wenn er an dieser
mehrheitlich beteiligt und deren Geschäftsfüh-
rer oder geschäftsführender Gesellschafter sei.
Bei einer Analogie zu § 25 Abs. 5 WEG sei zwar
Zurückhaltung geboten. Denn das Stimmrecht
eines Wohnungseigentümers gehöre zum
„Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrech-
te“. Da es ein wesentliches Mittel zur Mitgestal-
tung der Gemeinschaftsangelegenheiten bilde,
dürfe es nur ausnahmsweise und lediglich
unter eng begrenzten Voraussetzungen einge-
schränkt werden. Diese Grundentscheidung des
Gesetzgebers gebiete eine Zurückhaltung bei
der Auslegung der Stimmrechtsverbote. Das
Gebot einer zurückhaltenden Auslegung schlie-
ße aber weder die entsprechende Anwendung
des § 25 Abs. 5 WEG auf Fälle, in denen sich der
Wohnungseigentümer einem Interessenkonflikt
ausgesetzt sehe, der in seinem Ausmaß mit
den gesetzlich festgelegten Tatbeständen iden-
tisch sei, noch eine erweiternde Auslegung in
Fällen aus, in denen der Stimmrechtsausschluss
bei einer eng am Wortlaut ausgerichteten Aus-
legung die ihm zugedachte Wirkung ganz oder
teilweise verlieren würde.
Danach sei der B im Fall nicht stimmberech-
tigt gewesen. Das Interesse der C. Immobili-
en GmbH & Co. KG am Zustandekommen des
Wärmelieferungsvertrages sei B‘s eigenem
Interesse gleichzusetzen gewesen. B sei zwar
an der C. Immobilien GmbH & Co. KG selbst
nur mit einem geringen Kommanditanteil von
1.500 EUR beteiligt. B sei aber Mehrheitsge-
sellschafter der Komplementär-GmbH und
führe als Geschäftsführer der Komplementärin
auch die Geschäfte der C. Immobilien GmbH
& Co. KG. Daraus ergebe sich für B der glei-
che Interessenkonflikt, wie wenn er selbst die
Wärmelieferung hätte übernehmen sollen.
4. Entsprechende Anwendung des § 25
Abs. 5 Var. 1 WEG in anderen Fällen
Offen bleibe, ob § 25 Abs. 5 Var. 1 WEG auch in
anderen Fällen entsprechend anwendbar sei,
etwa wenn der Wohnungseigentümer:
zwar Geschäftsführer oder geschäftsführen-
der Gesellschafter der Gesellschaft ist, mit
der ein Vertrag geschlossen werden soll, an
ihr aber nicht oder nicht mehrheitlich be-
teiligt sei;
wenn der Wohnungseigentümer an der Ge-
sellschaft, mit der ein Vertrag geschlossen
werden soll, zwar mehrheitlich beteiligt
sei, aber nicht ihr Geschäftsführer oder ge-
schäftsführender Gesellschafter ist.
Das bedeutet für Sie:
1. Überblick gesetzliche
Stimmrechtsausschlüsse
Ein Wohnungseigentümer ist nach § 25 Abs. 5
WEG nicht stimmberechtigt, wenn
die Beschlussfassung die Vornahme eines
auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen
Eigentums bezüglichen Rechtsgeschäfts mit
ihm oder
die Einleitung oder Erledigung eines Rechts-
streits der anderen Wohnungseigentümer
gegen ihn betrifft oder
wenn er nach § 18 WEG rechtskräftig ver-
urteilt ist.
2. Vornahme eines Rechtsgeschäfts
Der wichtigste Fall des § 25 Abs. 5 WEG ist
die Vornahme eines auf die Verwaltung des
gemeinschaftlichen Eigentums bezogenen
Rechtsgeschäfts (§ 25 Abs. 5 Var. 1 WEG).
a) Rechtsgeschäft
„Rechtsgeschäft“ im Sinne von § 25 Abs. 5 Var.
1 WEG kann beispielsweise ein Kauf-, Dienst-
oder Werkvertrag, aber auch – wie im Fall – ein
Wärmelieferungsvertrag als Vertrag eigener Art
sein. Auch die Abnahme einer Werkleistung ist
Rechtsgeschäft im Sinne des § 25 Abs. 5 Var. 1
WEG. Zu den Rechtsgeschäften gehören ferner
einseitige oder rechtsgeschäftsähnliche Hand-
lungen, etwa eine Abmahnung.
b) Persönlicher Anwendungsbereich: „ihm“
Nach § 25 Abs. 5 Var. 1 WEG muss es sich um
ein Rechtsgeschäft mit einem „ihm“ – also
einem stimmberechtigten Wohnungseigentü-
mer handeln. Der Anwendungsbereich ist aber
auch für Rechtsgeschäfte mit Dritten eröffnet,
aus denen ein Wohnungseigentümer eigene
Rechte „ableiten“ kann. Ferner kann – wie der
Fall zeigt – die Bestimmung des § 25 Abs. 5
Var. 1 WEG im Einzelfall entsprechend anzu-
wenden sein.
Eine entsprechende Anwendung kommt – wie
die aktuelle Entscheidung klärt – bei einer
personellen und wirtschaftlichen Verflechtung
von Wohnungseigentümer und (künftigem)
Vertragspartner der Gemeinschaft der Woh-
nungseigentümer in Betracht. Wann dies der
Fall ist, ist unsicher und im Einzelfall zu klären.
Der stimmberechtigte Wohnungseigentümer
muss mit dem Dritten wohl wirtschaftlich so
eng verbunden sein, dass sein persönliches In-
teresse mit dem des Dritten „völlig gleichge-
setzt“ werden kann. Entscheidend ist, ob sich
der Wohnungseigentümer bei wirtschaftlicher
Betrachtung in demselben Interessenkonflikt
befindet, der bestünde, wenn er selbst Ver-
tragspartner werden sollte. Überblick:
§ 25 Abs. 5 Var. 1 WEG ist entsprechend an-
zuwenden, wenn der Wohnungseigentümer
eine natürliche Person und der Wohnungs-
eigentümer Alleingesellschafter der Gesell-
schaft ist oder wenn er diese beherrscht.
§ 25 Abs. 5 Var. 1 WEG ist entsprechend an-
zuwenden, wenn der Wohnungseigentümer
eine rechtsfähige Personen- oder Kapitalge-
sellschaft ist und Vertragspartner ein Gesell-
schafter oder das Mitglied eines Organs die-
ser Gesellschaft werden soll, der bzw. das
auf die Meinungsbildung in der Gesellschaft
entscheidenden Einfluss hat.
§ 25 Abs. 5 Var. 1 WEG ist entsprechend
anzuwenden, wenn das Rechtsgeschäft
mit einem – formal betrachtet – Dritten ge-
schlossen werden soll und der Wohnungs-
eigentümer an dem Dritten mehrheitlich
beteiligt und dort Geschäftsführer oder ge-
schäftsführender Gesellschafter ist.
c) Sachlicher Anwendungsbereich
Beim sachlichen Anwendungsbereich ist da-
nach zu unterscheiden, ob der Wohnungsei-
gentümer bloß private Sonderinteressen oder
ob er im Schwerpunkt mitgliedschaftliche
Rechte und Interessen verfolgt.
Im Schwerpunkt bloß private Sonderinteres-
sen sind anzunehmen und führen zu einem
Stimmrechtsausschluss, wenn:
darüber beschlossen werden soll, ob mit
dem betroffenen Wohnungseigentümer ein
Vertrag abgeschlossen werden soll;
einem Wohnungseigentümer gemeinschaft-
liches Eigentum vermietet werden soll;
es um die Einräumung von Sonderrechten
für einen Wohnungseigentümer geht;
Beschlüsse über Mahnungen sowie Fristset-
zungen gefasst werden sollen.
Überwiegend private Sonderinteressen sind
auch bei Abschluss, Änderung oder Aufhe-
bung (Kündigung) des Verwaltervertrages
mit einem Wohnungseigentümer-Verwalter
anzunehmen.
Ein Wohnungseigentümer-Verwalter ist ferner
nicht stimmberechtigt, wenn seine Abberu-
fung aus wichtigem Grund zur Beschlussfas-
sung steht.
Ein Wohnungseigentümer verfolgt im Schwer-
punkt hingegen „mitgliedschaftliche“ Rechte
und Interessen und ist stimmbefugt, wenn es
um sog. körperschaftliche Sozialakte geht. Bei
solchen, die „inneren Angelegenheiten“ der
Wohnungseigentümergemeinschaft betreffen-
den Beschlüssen ist dem Wohnungseigentü-
mer die Mitwirkung nicht schon zu versagen,
wenn der Beschlussinhalt zugleich auf seinen
persönlichen Rechtskreis einwirkt, es sei denn,
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