Der Verwalter-Brief 3/2017 - page 11

Für eine ermessensfehlerfreie Schätzung
innerhalb des Rahmens von 3 % bis 10
% sind nach Wall (jurisPR-MietR 24/2016
Anm. 2) mehrere Prüfsteine zu beachten:
Die Anlagentechnik (Alter der Heizungs-
anlage und Art der Pumpentechnik hät-
ten einen erheblichen Einfluss auf den
Stromverbrauch).
Die Art der Anlage (erzeuge sie zusätzlich
Wärme für die Warmwasseraufbereitung
– verbundene Anlage –, werde zumeist
zusätzlicher Strom für eine Zirkulations-
pumpe benötigt).
Art des Energieträgers (in fernwärme-
beheizten Häusern seien die Betriebs-
stromkosten niedriger als in solchen mit
Kesselanlagen, da u. a. der Stromver-
brauch für den Brenner entfalle).
Einbindung erneuerbarer Energien (eine
Solaranlage z. B. benötige zusätzlich Be-
triebsstrom).
Der niedrigste Wert von 3 % sei danach
angemessen für ein fernwärmebeheiztes
Gebäude ohne zentrale Warmwasserer-
wärmung mit einer hocheffizienten Um-
wälzpumpe. Der höchste Wert von 10 %
sei hingegen anzusetzen für ein älteres
öl- oder gasbeheiztes kleines Haus mit
zentraler Warmwasseraufbereitung und
älterer Pumpentechnik.
HINWEIS:
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Deckert/Elzer kompakt
können die Wohnungseigentümer den Wär-
meverbrauch nach den anerkannten Regeln
der Technik bestimmen; ist ein bestimmter
„Schwellenwert“ erreicht, müssen sie das tun.
Zum anderen müssen die Wohnungseigentü-
mer ermessensfehlerfrei festlegen, nach wel-
chem Maßstab die übrigen Kosten zu verteilen
sind (Wohn- oder Nutzfläche, umbauter Raum,
Wohn- oder Nutzfläche der beheizten Räume
oder umbauter Raum der beheizten Räume).
2. Schätzung des Betriebsstroms
a) Notwendigkeit einer Schätzung
Im Fall gab es keinen Zwischenzähler, um
den Betriebsstrom zu ermitteln. Das ist wohl
auch die Regel. Die Kosten, die auf den Be-
triebsstrom entfallen, müssen dann geschätzt
werden. Es ist keine Aufgabe des Verwalters,
die Schätzmethode zu bestimmen. Hingegen
muss er die Wohnungseigentümer zum einen
auf die Notwendigkeit, den Betriebsstrom zu
ermitteln und nach Maßgabe der HeizkostenV
umzulegen, hinweisen. Ferner muss der Ver-
walter den Wohnungseigentümern die mög-
lichen Schätzmethoden aufzeigen. Die Eigen-
tümer müssen die Methode dann durch einen
Beschluss anordnen. Welche Schätzmethode
sie wählen, steht dabei in ihrem Ermessen.
Einem von Matthias Becker vorgeschlagenen
einfacheren Weg, der Verwalter könne seinem
Abrechnungsentwurf nach seiner Willkür eine
geeignete Schätzmethode zugrunde legen und
die Wohnungseigentümer würden dann diese
„Vorauswahl“ durch den Beschluss, mit dem
sie die Abrechnung genehmigen, bestätigen
(Becker, ZWE 2017, S. 43, 44), sollte zurzeit
kein Verwalter folgen. Denn es ist nicht der
„sichere“ Weg, sondern ein denkbar intrans-
parenter Weg, der – wie Becker konzediert
– dazu führt, dass die Abrechnung anfechtbar
ist, wenn der Verwalter die falsche Schätzme-
thode zugrunde gelegt hat. Ich rate daher zu
einem isolierten Beschluss, der anordnet, wie
die Kosten des Betriebsstroms der zentralen
Heizungsanlage zu schätzen sind.
b) Auswahl der Schätzmethode
Nach Ansicht des BGH kann sich die Schätzung
der Kosten, die auf den Betriebsstrom entfal-
len, auf einen Bruchteil der Brennstoffkosten
stützen. In der Literatur werden hierfür Werte
zwischen 3 % und 10 % genannt.
Ferner ist es möglich, sich an einer Berechnung
zu orientieren, die auf dem Stromverbrauchs-
wert der angeschlossenen Geräte (Anschluss-
wert × Laufdauer [= 24 Stunden] × Heiztage ×
Strompreis) beruht (LG Berlin v. 28. 6.1983, 65
S 457/82, GE 1984 S. 83; Lammel, Heizkos-
tenV, 4. Aufl. 2015, § 7 Rn. 91). Nach Ansicht
von Wall (a.a.O.) ist diese Methode allerdings
wenig praktikabel. Sie sei mit einem nicht un-
erheblichen Aufwand verbunden. Zudem sei
das Berechnungsergebnis bei nicht regelbaren
Pumpen sehr ungenau. Das gelte erst recht,
wenn die Anzahl der jährlichen Heiztage ge-
schätzt werden müsse.
Wall schlägt als weiteren Ansatz vor, den Strom-
verbrauch je Quadratmeter Gebäudewohn-
fläche zugrunde zu legen. Danach sei in den
meisten Gebäuden ein Betriebsstromverbrauch
zwischen 1,5 und 2,5 kWh/m² zutreffend.
3. Zählereinbau
Fehlt ein Zwischenzähler für den Betriebs-
strom, sollten die Wohnungseigentümer disku-
tieren, ob sie einen solchen einbauen lassen.
Dies kann mit einfacher Mehrheit beschlossen
werden. Dass es insoweit einer Kosten-Nut-
zen-Betrachtung bedürfte, ist nicht anzuneh-
men, da die Zählung eine öffentlich-rechtliche
Anforderung ist. Ferner dürfte es sogar einer
ordnungsmäßigen Verwaltung widersprechen,
keinen Zwischenzähler einzubauen.
4. Verhaltensempfehlungen an Verwalter
a) In jeder von einem Verwalter verwalteten
Wohnungseigentumsanlage sollte unverzüg-
lich geprüft werden, ob es für die Messung des
Betriebsstroms einen Zwischenzähler gibt.
b) Gibt es diesen, ist bei der Abrechnung dar-
auf zu achten, dass die gemessenen Werte ab-
gelesen und der Abrechnung zugrunde gelegt
werden.
c) Gibt es keinen Zwischenzähler, ist als TOP
für die nächste Versammlung die Frage auf-
zunehmen, ob ein Zwischenzähler eingebaut
werden soll. Ferner sollte der Verwalter um
eine Weisung bitten, wie er die Höhe des Be-
triebsstroms bis zum Einbau eines Zwischen-
zählers schätzen soll. Beide Beschlüsse sollten
im Entwurf jeweils vorbereitet werden. Für die
Abrechnung für das Jahr 2016 sollte der Ver-
walter eine Schätzung anhand eines Bruchteils
der Brennstoffkosten vornehmen, sich vor der
Genehmigung der Abrechnung diese Methode
genehmigen lassen und die Wohnungseigen-
tümer über die Problemlage insoweit ange-
messen informieren.
d) Der Verwalter sollte sich für jede von ihm
verwaltete Wohnungseigentumsanlage er-
tüchtigen, die Wohnungseigentümer zu in-
formieren, welche Schätzmethode es gibt
und welche Schätzmethode für die konkrete
Wohnungseigentumsanlage aufgrund der tat-
sächlichen Gegebenheiten geeignet ist. Pau-
schale Lösungen verbieten sich insoweit. Was
besticht, ist eine schriftliche Information der
Wohnungseigentümer.
e) Der BGH hat im Übrigen einen Hinweis
für die Darstellung der Abrechnung (und da-
mit auch für den Wirtschaftsplan gegeben):
Die Gesamtabrechnung muss unterschiedlich
zu verteilende Kostenpositionen (= insoweit
gelten andere Umlageschlüssel) stets einzeln
nennen, damit sie für die Wohnungseigentü-
mer nachvollziehbar sind.
!
Weiterführende Informationen:
Jahresabrechnung
636759
Die Wohnungseigentümer weisen den Ver-
walter an, die Kosten des Betriebsstroms
der zentralen Heizungsanlage mit ___ %
der Brennstoffkosten zu schätzen.
MUSTER: BESCHLUSS ZUR SCHÄTZMETHODE
Ein Beschluss, der den Einbau ablehnt, dürf-
te daher keiner ordnungsmäßigen Verwal-
tung entsprechen. Wegen Verstoßes gegen
§ 7 Abs. 2 HeizkostenV könnte er sogar
nichtig sein. Der Fall liegt insoweit anders
als der, Kaltwasserzähler einzubauen.
HINWEIS:
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10 12
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