Verwalterbrief 10/2016 - page 6

Fenstererneuerung: Eine wahre Heraus-
forderung für WEG und Verwaltung
Andrea Huss, Ebenhausen
„Besorgen Sie bitte bis zur nächsten WEG-Versammlung 3 Ange-
bote, die Fenster sollen ausgetauscht werden.“ „Kein Problem“
denken Sie, „es sind ja immer die drei gleichen Fensterformate
für die 36 Wohnungen.“
Auch wenn die WEG es nicht gerne wahrnimmt: Der Austausch von
Fenstern benötigt trotz gleicher Formate eine umfassende Fachplanung
für die mangelfreie Ausführung aller erforderlichen Gewerke. Zu be-
rücksichtigen sind:
Fenster: Austausch Fensterelement mit Berücksichtigung Fensterbank
innen und außen
Fugen: Fachgerechte Herstellung der Fugen zwischen Fenster und
Fassade
Anschlussbereiche: Berücksichtigung von Heizkörpernischen und Roll-
läden
Raumklima: Nachweis und Herstellung der erforderlichen Lüftung für
alle Räume
Sonnenschutz: Nachweis und Berücksichtigung in der Detailplanung
Technische Anforderungen EnEV, Brandschutz und Schallschutz
Nutzerverhalten – Information für richtigen Betrieb und Wartung
Instandhaltung: Beschlüsse zur fachgerechten Instandhaltung
Vergleichbarkeit der Angebote
Ohne ausreichende Kenntnisse des Bestandes unter Berücksichtigung
aller erforderlichen Aspekte ist ein Anbieter üblicherweise nicht in der
Lage, ein seriöses Angebot kostenlos zu erstellen. Mehrere Anbieter
werden ohne Planung und deren klare Vorgaben im Leistungsverzeich-
nis zu unterschiedlichen Angeboten kommen, die nicht vergleichbar
sind. Der Verwalter kann daher nicht vortragen, welches der 3 Angebo-
te fachgerecht, ausreichend und auf dieser Grundlage günstig für das
WEG-Gebäude ist.
Wie sieht also eine fachlich ausreichende Vorgehensweise für den Aus-
tausch von Fenstern aus?
Wärmedämmung und Sonneneinstrahlung
Ältere Fenster haben einen deutlich schlechteren Wärmedämmwert.
Der U-Wert alter Fenster liegt bei 2,5 bis 3,5. Der U-Wert neuer Fenster
liegt dagegen zwischen 0,7 und 1,2 und lässt damit wesentlich weniger
Kälte in den Raum.
Für einen geringeren U-Wert muss der Benutzer aber auch einen gerin-
geren G-Wert in Kauf nehmen. Der G-Wert der Verglasung drückt aus,
wieviel Sonne und Sonnenwärme durch das Fenster in den Raum gelan-
gen kann. Der G-Wert einer neuen Verglasung beträgt oft nur noch 0,4
bis 0,6 und damit deutlich weniger als der G-Wert im Bestand mit 0,7
bis 0,8. Die Sonnenstrahlung in den Raum wird also spürbar verringert.
An heißen Sommertagen ist dies eine angenehme Begleiterscheinung.
Im Winter sieht das anders aus. Da hatte die Sonne bei den bisherigen
Fenstern mit einem G-Wert von über 0,7 in den Räumen mehr solare
Wärme erzeugt und dadurch Heizkosten gespart.
Farbskala kann sich ändern
Ein sehr niedriger G-Wert bedeutet aber häufig auch eine etwas an-
dere Farbskala, die durch das Glas in den Raum kommt. Die Umwelt
draußen wird von innen mit weniger warmen Farben (rot-orange-gelb)
wahrgenommen. Dafür treten mehr Blau-und Grautöne in Erscheinung.
Die Wahrnehmung von Tageslicht und Raum-Atmosphäre ist also eine
andere als bei den alten Fenstern.
Die Anschluss-Details rund um das Fenster sind ebenso zu beachten und
planerisch mit zu bearbeiten:
Heizkörpernischen
Heizkörpernischen sind im Bestand meistens deutlich zu wenig ge-
dämmt. An der wärmsten Stelle, direkt hinter den Heizkörpern, ist häu-
fig die geringste Stärke des Mauerwerks mit unzureichender, veralteter
Dämmung der Nische.
Rollladen-Kästen
Der Rollladen-Kasten ist zum Innenraum hin nicht ausreichend luftdicht,
zu gering gedämmt und daher als klassische Kältebrücke bekannt. Zu
klären ist, welche Rollläden von den Bewohnern tatsächlich täglich
benutzt werden. Nur einige wenige Rollläden werden an sehr kalten
Tagen, als Sichtschutz im EG oder gelegentlich als Sonnenschutz wirk-
lich häufig benutzt. Es stellt sich daher die Frage, wie mit dem Bauteil
Rollladen umzugehen ist. Die Entfernung oder Stilllegung der kalten
Rollläden mit ihren Kästen ist häufig die logische Antwort. Sicht- und
Sonnenschutz können auch ohne Rollladen realisiert werden. Bei einem
neuen Fenster wird ein Rollladen, der im Winter durch eine zusätzliche
Luftschicht zwischen Fenster und Rollladen für etwas weniger Kälte sor-
gen soll, nicht mehr benötigt.
Fensterleibungen
Die alten Fenster sind meistens mangelhaft an das Mauerwerk der
Fensterleibung angeschlossen. Die Fugen alter Fenster sind wesentlich
weniger dicht als die neuer Fenster. Dadurch kommt von außen Käl-
te zwischen Fensterrahmen und dem alten Anschlussmauerwerk nach
innen. Umgekehrt dringt bei alten Fenstern Luftfeuchte vom warmen
feuchten Wohnraum über die Fugen nach draußen.
Raumklima ändert sich
Es reicht deshalb nicht aus, Fenster einfach nur 1:1 auszutauschen. Beim
Einbau neuer Fenster ändert sich das Raumklima durch die höhere Wär-
medämmung, den geringeren Luftaustausch und die geänderten dich-
ten Anschlüsse deutlich. Für ein „altes“ Gebäude bedeutet das: es wird
ein wesentlich geringerer Wärmeverlust durch ein sehr dichtes Bauteil
erreicht, das dafür aber fast keinen Luftaustausch mehr zulässt. Der
Bewohner müsste alle 2 Stunden lüften – und dies auch nachts (!), um
den Luftwechsel manuell zu ermöglichen.
Schimmelbefall droht
Da die neuen Fenster jetzt ein wesentlich wärmeres Bauteil darstel-
len als die alten Fenster und gleichzeitig die Luftfeuchte innen deutlich
höher ist als vorher, sind die kältesten Teile des Raumes jetzt deutlich
mehr durch Schimmelbefall gefährdet. Zu hohe Luftfeuchtigkeit schlägt
sich an den kältesten Teilen des Raumes nieder: Fußboden-Ecke über
dem kalten Keller, Raumecke zum kalten Treppenhaus oder Speicher
und schlechte Außen-Wände hinter großen Schränken mit geringer
Luftzirkulation. Die Schimmelgefahr ist größer geworden.
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Technik
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