Verwalterbrief 10/2016 - page 4

Ist der erstmalige Einbau einer
Wasserenthärtungsanlage
eine bauliche Veränderung?
RA Dr. Dirk Sütterlin, München
Bei der zum Teil lebhaften und auch emotional geführten Diskus-
sion um den erstmaligen Einbau einer Wasserenthärtungsanlage
in die zu dem gemeinschaftlichen Eigentum gehörende Wasser-
versorgungsanlage kommt immer wieder die Frage auf: Handelt
es sich um eine modernisierende Instandsetzung im Sinne des
§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG des gemeinschaftlichen Eigentums oder
um eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG?
Das Problem
Hintergrund für die sich dem Versammlungsleiter stellende Frage ist,
ob er bereits bei Beschlussfassungen zu § 22 Abs. 1 WEG bei einer sich
abzeichnenden positiv zustimmenden Eigentümermehrheit im Rahmen
seiner Ergebnisverkündung die inhaltliche Kernfrage einer Beeinträchti-
gung oder Duldungspflicht nach § 14 Nr. 1 WEG eigenständig entschei-
den sollte.
Die Frage, ob es sich bei dem erstmaligen Einbau einer Wasserenthär-
tungsanlage um eine bauliche Veränderung handelt, ist umstritten.
Meinungsstand
Dafür - also dass es sich um eine bauliche Veränderung handelt - haben
sich das BayObLG und das OLG Karlsruhe entschieden.
Das BayObLG (Beschluss vom 19.1.1984, BReg 2 Z 17/83) führte bei
seiner Entscheidung aus, dass diese Anlagen die Zusammensetzung des
Trinkwassers verändern und deswegen gesundheitliche Schäden im Ein-
zelfall nicht ausgeschlossen werden können. Die insoweit nachteiligen
Auswirkungen im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG machen also die Zustim-
mung aller Eigentümer erforderlich.
Nicht ganz so streng sah es das OLG Karlsruhe (Beschluss vom
30.10.1998, 11 Wx 53/98) einige Jahre später. Demnach muss im Ein-
zelfall geprüft werden, ob die nachteiligen Wirkungen vermindert wer-
den können, wenn die Anlage nur bis zu einem bestimmten Härtegrad
betrieben wird.
Entgegenstehender Ansicht ist das AG Neuss (Beschluss vom 29.1.1980,
19 UR 44/77).
Das AG Neuss lehnte eine bauliche Veränderung völlig ab und wertet den
Einbau einer Wasserenthärtungsanlage als ordnungsgemäße Instandhal-
tung, für die keine Zustimmung aller Miteigentümer notwendig ist.
Aktuelle Entscheidung
Zuletzt entschied das AG Weilheim in Oberbayern (i. OB) zu diesem
Thema. Seiner Auffassung nach handelt es sich bei dem Einbau einer
Wasserenthärtungsanlage um eine bauliche Veränderung, die noch
dazu eine unbillige Beeinträchtigung eines Eigentümers beinhaltet.
Deswegen ist seiner Ansicht nach für den Beschluss die Zustimmung
aller Miteigentümer nach § 22 Abs. 1 WEG vonnöten. Da über die Was-
serenthärtungsanlage lediglich mittels Mehrheitsbeschluss entschieden
worden war, kam es zu einer erfolgreichen Beschlussanfechtung. Dem
Verwalter wurden sogar die Prozesskosten nach § 49 Abs. 2 WEG aufer-
legt (AG Weilheim i. OB, Urteil vom 8.12.2015, 4 C 586 / 15 WEG).
Der zugrundeliegende Sachverhalt
Bei einer beschlussfähigen Eigentümerversammlung wurde per Kopf-
mehrheit abgestimmt, dass erstmalig eine Wasserenthärtungsanlage in
die Anlage eingebaut werden soll. Es handelte sich um eine Wasse-
renthärtungsanlage, die das Kalt- und Warmwasser enthärtet. Vor der
Abstimmung wurde aufgezeigt, dass im vergangenen Jahr ca. 4.000 Euro
für den Austausch von völlig verkalkten Leitungen ausgegeben werden
musste, weswegen der Einbau der Wasserenthärtungsanlage empfohlen
wurde. Das Abstimmungsergebnis bestand aus 9 Ja-Stimmen, 7 Nein-
Stimmen sowie 0 Enthaltungen.
Die Kläger sind der Auffassung, dass der Beschluss über den Einbau der
Enthärtungsanlage für Warm- und Kaltwasser einstimmig hätte gefasst
werden müssen. Das Gericht folgt Ihrer Meinung aus den nachfolgen-
den Gründen.
AG Weilheim i. OB geht von einer baulichen Veränderung aus
Das AG Weilheim i. OB bewertet den Einbau der Wasserenthärtungsan-
lage als bauliche Veränderung, da sich kein Wohnungseigentümer dem
Gebrauch des enthärteten Wassers entziehen kann. Weil es sich beim
Trinkwasser um ein essenzielles Lebensgut handelt, dürfte bereits die
geschmackliche Veränderung durch eine Enthärtung zu der Annahme
führen, dass es sich um eine entsprechende Beeinträchtigung handelt,
die über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinausreicht.
Durch die Wasserenthärtung ist außerdem eine gesundheitliche Beein-
trächtigung nicht auszuschließen. Denn es kommt zu einer veränder-
ten Zusammensetzung des Trinkwassers sowie möglicherweise zu einer
unsachgemäßen Handhabung und unzureichenden Wartung. Wegen
der hohen Gesamthärte des Trinkwassers ist es nicht ausgeschlossen,
dass es zu einer erhöhten Natriumbelastung kommen kann, die die vor-
gegebenen Grenzwerte der Trinkwasserversorgung im Einzelfall auch
überschreiten kann. Denn die vorliegend erstmalig einzubauende Was-
serenthärtungsanlage arbeitet auf Basis des Ionenaustausches, wobei
Calcium- und Magnesiumionen durch Natriumionen ersetzt werden. Dies
bedeutet, dass der Natriumgehalt des Wassers stark steigt, während der
Gehalt von Magnesium und Calcium im Trinkwasser erheblich abgesenkt
wird. Das kann insbesondere bei Langzeitwirkungen zu gesundheitlichen
Beeinträchtigungen führen. Dabei genügen die Möglichkeiten einer Ge-
sundheitsschädigung und die grundlegenden Gefahren durch Wartungs-
und Bedienungsfehler für eine unbillige Beeinträchtigung.
Argumente für eine modernisierende Instandsetzung
Dagegen und für eine modernisierende Instandsetzung im Sinne des
§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG spricht eine lange Liste negativer Folgen beim
Fehlen einer Wasserenthär-
tungsanlage:
Verkalkte Spülbecken und
Sicherheitsventile (was zu
einer Sicherheitsgefahr füh-
ren kann), die Gefahr von
Rohrbrüchen, die Bildung
von Legionellen (es beste-
hen mithin auch Gesund-
heitsgefahren) und die Ver-
unreinigungen des Wassers
aufgrund von mangelnder
Wartung. Wird keine Was-
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Verwalterthema
des Monats
Quelle: techem
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