Deckert kompakt
Die Eigentumswohnung
Liebe Leserin, lieber Leser,
ein Eigentümer hatte vor Gericht mit der
Anfechtung von zwei Beschlüssen Erfolg.
Eine Mehrheit der Eigentümer wollte sich mit
diesem Urteil nicht zufrieden geben und fasste
mehrheitlich in einer Eigentümerversammlung
den Beschluss, dass gegen dieses Urteil Beru-
fung eingelegt werden sollte. Völlig zu Recht
hat das AG Charlottenburg jedenfalls diesen
„Berufungsbeschluss“ für nichtig erklärt, da
der Eigentümermehrheit diesbezüglich die
Beschlusskompetenz abzusprechen ist. Was
bleibt ist die Frage, durch wen die Berufung in
solch einem Fall eigentlich eingelegt werden
müsste und wie der Verwalter dies organi-
satorisch korrekt vorbereiten könnte. Das
sind spannende und noch nicht abschließend
geklärte Fragen, die für Sie als Verwalter auch
ein nicht unerhebliches Risiko bergen. Ich hof-
fe, meine heutigen Verhaltensempfehlungen
sind Ihnen deshalb eine Hilfe. Wünschenswert
wäre natürlich, dass es zu diesen Fragen in
naher Zukunft auch eine höchstrichterliche Ent-
scheidung gibt, damit für Sie als Verwalter die
Ungewissheit über Berechtigungen und Pflich-
ten auch in solch einem Fall ein Ende hat.
Herzlichst
Ihr
Dr. Wolf-Dietrich Deckert
Entscheidung des Monats:
WEG-Rechtsprechung kompakt
Kein Mehrheitsbeschluss über Berufung
im Anfechtungsverfahren
Entscheidung
des Monats
Kein Mehrheitsbeschluss über
Berufung im Anfechtungsver-
fahren
Die Wohnungseigentümer können
nicht per Mehrheitsbeschluss darüber
entscheiden, ob gegen ein Urteil, das
einer Anfechtungsklage stattgibt,
Berufung eingelegt oder die Berufung
fortgeführt werden soll.
(AG Charlottenburg, Urteil v. 11.9.2015, 73
C 17/15)
Der Fall:
Ein Wohnungseigentümer hatte eine Anfech-
tungsklage gegen zwei Beschlüsse erhoben.
Die Klage hatte Erfolg; das Amtsgericht hat
die Beschlüsse für ungültig erklärt. Wenige
Tage später beschloss die Eigentümerver-
sammlung, dass eine Kanzlei für die unterle-
genen Eigentümer Berufung gegen das Urteil
einlegen soll. Dies geschah dann auch.
In einer weiteren Eigentümerversammlung
beschlossen die Eigentümer mehrheitlich,
dass das Berufungsverfahren fortgesetzt
werden und die Verfahrenskosten über eine
Sonderumlage finanziert werden soll.
Der Kläger des Ausgangsverfahrens verlangt
nun die Feststellung, dass die Beschlüsse
über die Einleitung bzw. die Fortsetzung des
Berufungsverfahrens nichtig sind.
Das Problem:
Das AG Charlottenburg hatte darüber zu ent-
scheiden, ob die Eigentümer die Beschluss-
kompetenz haben, nach einer in erster In-
stanz erfolgreichen Anfechtungsklage per
Mehrheitsbeschluss über die Einleitung bzw.
Fortführung eines Berufungsverfahrens zu
entscheiden.
So hat das AG Charlottenburg
entschieden:
Die Beschlüsse über die Einleitung bzw. Fort-
führung des Berufungsverfahrens sind nich-
tig. Den Eigentümern fehlt die erforderliche
Beschlusskompetenz.
Der Verwalter hat die Berufung auf Grund
seiner Befugnis in § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG
eingelegt. Demnach ist der Verwalter des
gemeinschaftlichen Eigentums berechtigt,
im Namen aller Wohnungseigentümer und
mit Wirkung für und gegen sie insbesondere
einen Anfechtungsrechtsstreit auf der Pas-
sivseite zu führen. Diese Vertretungsmacht
ist grundsätzlich umfassend zu verstehen.
Eine Beschlusskompetenz, also eine Befug-
nis der Eigentümermehrheit, dem Verwalter
insoweit per Mehrheitsbeschluss Weisungen
zu erteilen, sieht das Gesetz nicht vor. Nur
bei Rechtsstreitigkeiten der Wohnungsei-
gentümergemeinschaft als teilrechtsfähiger
Verband ist eine solche Beschlusskompetenz
in § 27 Abs. 3 Nr. 7 WEG vorgesehen. Beim
Anfechtungsrechtsstreit ist jedoch nicht der
teilrechtsfähige Verband Wohnungseigentü-
mergemeinschaft Beklagter, sondern alle üb-
rigen Eigentümer mit Ausnahme des Klägers.
Die einzelnen Eigentümer sind in ihrem
Prozessverhalten voneinander unabhängig.
Der Verwalter ist nur soweit und solange in
seinem pflichtgemäßen Ermessen frei, den
Rechtsstreit zu führen, als ihm nicht von ei-
nem einzelnen Eigentümer mit Wirkung für
und gegen diesen alleine eine andere Wei-
sung erteilt wird.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass § 27
Abs. 2 Nr. 2 WEG eine ungeschriebene Be-
schlusskompetenz nicht entnommen werden