Der Verwalter-Brief 7-8/2016 - page 11

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Deckert kompakt
Beklagter ungewollt in ein vielleicht aus sei-
ner (u. U. objektiv zutreffenden) Sicht wenig
erfolgversprechendes Berufungsverfahren mit
allen möglichen weiteren Kostennachteilen
„hineindrängen“ lassen muss.
e) In kleineren Gemeinschaften kann es auch
angezeigt sein, die beklagten Eigentümer in-
formell rechtzeitig zu einem gemeinsamen
Gespräch im Verwalterbüro, einem Tagungs-
raum oder der Kanzlei des in erster Instanz be-
auftragten Rechtsanwalts einzuladen, um dort
Einzelvollmachtsfragen abklären zu können.
f) „Vorsorgliche“ (bedingte) Berufungseinle-
gung – wie zu früheren Zeiten unter Anwen-
dung des FGG-Verfahrens häufig praktiziert –
gibt es im heutigen ZPO-Verfahren nicht mehr.
g) Bisher noch nicht diskutiert und hinterfragt
wurde in diesem Zusammenhang, ob nicht
eine Beklagtengemeinschaft als notwendige
Streitgenossenschaft in kurzlebiger Bruch-
teilsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB eine
Berufungsfrage über § 745 BGB mit absoluter
Mehrheit und Verbindlichkeit für die Beklag-
ten als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwal-
tung (also nicht über Wohnungseigentumsbe-
schluss) entscheiden könnte.
5. BGH-Entscheidung wünschenswert
Angesichts bestehender widersprüchlicher
Meinungen scheint es mir an der Zeit, dass die
Klärung dieser Fragen gewollt bejahter oder
verneinter Berufungseinlegung auch in Blick-
richtung auf Berechtigungen und Pflichten des
Verwalters bald dem BGH überantwortet wird.
Mir jedenfalls erscheint es nicht vertretbar,
Rechtsmittelentscheidungen in rechtlicher
Wertung dem Ermessen eines Verwalters zu
überantworten.
!
Weiterführende Informationen:
Berufung
1717901
Rechtsmittel, WEG-Verfahren
637024
WEG-Rechtsprechung
kompakt
Problematische Sanktionen für Verstöße
gegen die Hausordnung
(LG Hamburg, Urteil v. 15.4.2015,
318 S 125/14)
Ob die Wohnungseigentümer über die Sank-
tionierung eines Verstoßes gegen die Haus-
ordnung überhaupt wirksam per Mehrheitsbe-
schluss entscheiden können oder ob hierüber
eine Vereinbarung getroffen werden muss,
kann offen bleiben. Ein entsprechender Be-
schluss verstößt jedenfalls ohnehin gegen
die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung,
wenn er nicht hinreichend bestimmt ist und
lediglich eine allgemeingültige Sanktionierung
von Verstößen gegen die Hausordnung ohne
Benennung konkreter Zuwiderhandlungen
vorsieht.
!
Weiterführende Informationen:
Hausordnung (WEG)
636662
Beschluss
636307
Erstmalige Herstellung auch bei nur
teilweisem Umbau
(LG Bremen, Beschluss v. 19.2.2015,
4 S 223/14)
Sind im Teilungsplan zwei Türen vorgesehen,
wird die Wohnanlage stattdessen an dieser
Stelle mit einem Fenster errichtet, so handelt
es sich auch dann um eine Maßnahme der
erstmaligen Herstellung des Gemeinschafts-
eigentums, wenn das Fenster lediglich durch
eine Tür ersetzt wird.
!
Weiterführende Informationen:
Instandhaltung und Instandsetzung (WEG)
636749
Keine Pflicht zur Kostenerstattung durch
Beschluss
(LG München I, Beschluss v. 21.5.2015,
36 S 19367/14 WEG).
Den Wohnungseigentümern fehlt die Be-
schlusskompetenz für die Begründung konsti-
tutiver Leistungspflichten. Sie können insoweit
nicht die Verpflichtung zur Kostenerstattung
für ein Gutachten zulasten eines Wohnungsei-
gentümers beschließen.
!
Weiterführende Informationen:
Nichtiger Beschluss
2342136
Keine Unterbrechung der
Eigentümerversammlung zur Diskussion
unter Ausschluss einer Minderheit
(LG Karlsruhe, Urteil v. 17.11.2015, 11 S
46/15; nicht rechtskräftig, Revision BGH,
V ZR 261/15)
Der Funktion der Eigentümerversammlung als
Diskussionsforum unter Einschluss aller Mit-
glieder steht es entgegen, dass die Versamm-
lung auf Betreiben der Mehrheit unterbrochen
wird, damit sie unter Ausschluss der Minder-
heit über den Beschlussgegenstand weiter
diskutieren kann, bevor nach Beendigung der
„Unterbrechung“ über den Antrag abgestimmt
wird. Die darin liegende Verletzung des Teil-
nahmerechts der vorübergehend von der Ei-
gentümerversammlung
ausgeschlossenen
Mitglieder begründet jedoch nur im Ausnah-
mefall die Nichtigkeit der nachfolgend ge-
fassten Beschlüsse. Da jedes Mitglied auf sein
Teilnahmerecht verzichten kann, muss die Ver-
letzung von Teilnahmerechten grundsätzlich
innerhalb der Anfechtungsfrist gerügt werden.
Nur wenn auf Grund der Umstände des Ein-
zelfalls ein vorübergehend ausgeschlossenes
Mitglied besonders schutzwürdig erscheint,
kann die Verletzung der Teilnahmerechte zur
Nichtigkeit führen.
!
Weiterführende Informationen:
Eigentümerversammlung: Durchführung der
Versammlung
2659769
Nichtiger Beschluss
2342136
Verfahrenskostenbelastung bei
Beschlussnichtigkeit und fehlerhafter
Beschlussverkündung
(AG Hamburg, Urteil v. 13.7.2015,
102d C 126/13)
Gemäß § 49 Abs. 2 WEG können dem Verwal-
ter die Prozesskosten auferlegt werden, soweit
die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst
wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
Dies ist Insbesondere dann der Fall, wenn der
Verwalter einen fehlerhaften Beschlussantrag
zur Abstimmung stellt, der zur erfolgreichen
Anfechtung des gefassten Beschlusses führt.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn elementare
Fehler zur Ungültigkeit des Beschlusses führ-
ten. Elementare Fehler stellen insoweit einen
willkürlicher Umgang mit Vollmachten und die
Initiierung eines nichtigen Beschlusses dar.
!
Weiterführende Informationen:
Verwalter (Verfahrenskostenschuldner)
1717913
Kostentragungspflicht bei nichtiger
Eigentumszuweisung
(AG Wedding, Urteil v. 23.9.2015,
6a C 112/15)
Eine in der Teilungserklärung enthaltene nich-
tige Zuweisung von Gebäudebestandteilen
zum Sondereigentum kann im Einzelfall in
eine Regelung umgedeutet werden, welche
die Instandhaltungspflicht für die Gebäude-
teile den einzelnen Wohnungseigentümern
auferlegt, zu deren Sondereigentum die Ge-
bäudeteile gehören.
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