Der Verwalter-Brief 7-8/2016 - page 2

Bezugnahme auf andere Dokumente
bei Beschlussfassung
In einem Beschluss der Wohnungseigentümer kann zur Konkretisierung
der getroffenen Regelung auf ein außerhalb des Protokolls befindliches
Dokument Bezug genommen werden, wenn dieses zweifelsfrei be-
stimmt ist.
In dem vom BGH entschiedenen Fall hatten die Wohnungseigentümer in
der Eigentümerversammlung 2008 die Jahresabrechnung für 2007 geneh-
migt und zudem beschlossen, den in der Abrechnung 2007 verwendeten
Verteilerschlüssel auch für zukünftige Abrechnungen zu verwenden. So
wurde in den Folgejahren auch verfahren. Ein Wohnungseigentümer hat
schließlich die Jahresabrechnung für 2012, der die in der Abrechnung
2007 verwendeten Verteilerschlüssel zugrunde lagen, angefochten. Er
meint, die Änderung des Verteilerschlüssels sei unwirksam gewesen.
Die Anfechtung blieb erfolglos, weil die Eigentümer den Verteilerschlüs-
sel 2008 wirksam geändert hatten. Es schadet nicht, dass der neue
Verteilerschlüssel nicht im Beschlusstext selbst wiedergegeben war,
sondern der Änderungsbeschluss dafür auf die Abrechnung 2007 Bezug
genommen hat. Das in Bezug genommene Dokument – die Abrechnung
2007 – war zweifelsfrei bestimmt. Zudem war die Publizität gewähr-
leistet, weil das in Bezug genommene Schriftstück in die Beschluss-
Sammlung oder eine Anlage zu dieser aufzunehmen war. (BGH, Urteil
v. 8.4.2016, V ZR 104/15)
!
Weiterführende Informationen:
Beschluss
636307
Frühere Abnahme bindet Nachzügler-
Erwerber nicht
Der Erwerber einer neuen Eigentumswohnung kann nicht durch die
Teilungserklärung, Beschluss oder den Formular-Kaufvertrag an eine
Abnahme des Gemeinschaftseigentums gebunden werden, die vor Ab-
schluss des Kaufvertrags bereits stattgefunden hat. Denn der einzelne
Erwerber erhält aus dem Erwerbsvertrag einen individuellen Anspruch
auf mangelfreie Werkleistung auch in Bezug auf das gesamte Gemein-
schaftseigentum. Dementsprechend liegt die Entscheidung, ob er das
Werk als eine in der Hauptsache dem Vertrag entsprechende Erfüllung
gelten lassen will, grundsätzlich bei ihm.
Eine Regelung in der Teilungserklärung, die die Wirkung einer Abnahme
des Gemeinschaftseigentums auf Nachzügler-Erwerber erstrecken will, ist
daher nichtig. Ebenso ist ein entsprechender Beschluss nichtig, weil den
Eigentümern insoweit die Beschlusskompetenz fehlt. Schließlich können
Erwerber auch nicht durch Formular-Kaufvertrag an eine frühere Abnah-
me gebunden werden. Eine solche Klausel benachteiligt die Erwerber un-
angemessen, weil diesen das Recht entzogen wird, über die Abnahme
- gegebenenfalls nach sachverständiger Beratung - selbst zu entscheiden
oder durch eine selbst beauftragte (Vertrauens-)Person entscheiden zu
lassen. Zudem würde die Verjährungsfrist für Ansprüche wegen Mängeln
unzulässig verkürzt. (BGH, Urteil v. 12.5.2016, VII ZR 171/15)
!
Weiterführende Informationen:
Abnahme des Gemeinschaftseigentums
7957446
Gemeinschaftseigentum, Klage gegen Bauträger wegen Mängeln
3262651
Vorgeschobener Eigenbedarf für
auszugsbereiten Verwandten
Stützt der Vermieter die Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohn-
raum auf Eigenbedarf, obwohl dieser nicht gegeben ist, macht er sich
dem Mieter gegenüber schadensersatzpflichtig. Vorgetäuschter Eigenbe-
darf kann dabei nicht nur vorliegen, wenn die Eigenbedarfsperson nach
dem Auszug des Mieters tatsächlich nicht in die Wohnung einzieht. Viel-
mehr kann Eigenbedarf auch dann vorgeschoben sein, wenn der Vermie-
ter Verkaufsabsichten hegt und der Eigenbedarfsperson den Wohnraum in
der Erwartung zur Miete überlässt, diese im Fall eines Verkaufs ohne Pro-
bleme zum Auszug bewegen zu können – also gewissermaßen den bis-
herigen Mieter gegen einen solchen austauscht, der im Verkaufsfall eher
gewillt ist auszuziehen. (BGH, Beschluss v. 10.5.2016, VIII ZR 214/15)
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Weiterführende Informationen:
Kündigung wegen Eigenbedarfs
923300
Wann entsteht ein Vorkaufsrecht des
Mieters?
Wenn eine vermietete Wohnung, an der nach der Überlassung an den
Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet wer-
den soll, verkauft wird, steht dem Mieter ein Vorkaufsrecht zu.
Ein solches Vorkaufsrecht kann auch entstehen, wenn die Teilungser-
klärung schon beurkundet worden ist, bevor dem Mieter die Wohnung
überlassen wurde, so der BGH in einem aktuellen Urteil. Dann kommt
es entscheidend darauf an, wann der Kaufvertrag mit dem Erwerber
geschlossen worden ist. Wurde der Kaufvertrag geschlossen, noch be-
vor die Teilungserklärung im Grundbuch eingetragen wurde, entsteht
kein Vorkaufsrecht. Folgt hingegen der Abschluss des Kaufvertrags der
Grundbucheintragung (und damit der Begründung von Wohnungseigen-
tum) zeitlich nach, kann der Mieter ein Vorkaufsrecht geltend machen.
(BGH, Urteil v. 6.4.2016, VIII ZR 143/15)
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Weiterführende Informationen:
Vorkaufsrecht des Mieters
639505
2
Meldungen
Der Zeitpunkt der Abnahme hat für die Verjährung von Gewähr-
leistungsansprüchen wesentliche Bedeutung. Die Verjährung der
Ansprüche der Nachzügler-Erwerber beginnt erst, wenn sie selbst
das Gemeinschaftseigentum abgenommen haben. Dies kann nicht
nur für die Nachzügler vorteilhaft sein, sondern für die gesamte Ge-
meinschaft. Denn solange nur ein Erwerber einen nicht verjährten
Gewährleistungsanspruch hat, kann die Gemeinschaft vom Bauträ-
ger die Beseitigung der Mängel am Gemeinschaftseigentum ver-
langen. Zuvor muss sie die Ansprüche durch Mehrheitsbeschluss an
sich ziehen und deren Durchsetzung übernehmen.
PRAXIS-TIPP:
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