Deckert kompakt
Die Eigentumswohnung
Liebe Leserin, lieber Leser,
einmal mehr hat sich der BGH mit der wer-
denden Wohnungseigentümergemeinschaft
auseinandergesetzt. Trotz verfestigter BGH-
Rechtsprechung zu den Entstehungsvorausset-
zungen der sog. faktischen Gemeinschaft und
der Stellung eines Erstkäufers als werdender
Eigentümer zeigt die Entscheidung, dass
noch längst nicht alle strittigen Fragen als
endgültig geklärt angesehen werden können.
Aber immerhin für den Fall der Teilung und
Veräußerung durch einen Bauträger ist jetzt
entschieden, dass erst dann von einem wer-
denden Eigentümer zu sprechen ist, wenn
notarieller Kaufvertrag, Auflassungsvormer-
kung sowie Besitzerlangung durch Übergabe
und Abnahme der Wohnung vorliegen. Bei
Fehlen eines dieser Erfordernisse bedeutet das
für den teilenden Eigentümer, dass er nach
wie vor Inhaber sämtlicher wohnungseigen-
tumsrechtlichen Rechte und Pflichten, damit
auch Schuldner eines beschlossenen Wohngel-
des oder auch einer Sonderumlage ist. Auch
für den Verwalter ist damit geklärt, an wen er
sich in solchen Fällen zu halten hat.
Herzlichst
Ihr
Dr. Wolf-Dietrich Deckert
Entscheidung des Monats:
WEG-Rechtsprechung kompakt
Werdender Wohnungseigentümer
nur mit Übergabe
Entscheidung
des Monats
Werdender Wohnungs-
eigentümer nur mit Übergabe
Werdender Wohnungseigentümer
ist nur, wer neben einem durch Vor-
merkung gesicherten Anspruch auf
Eigentumserwerb den Besitz an der
erworbenen Wohnung durch Übergabe
erlangt hat.
(BGH, Urteil v. 11.12.2015, V ZR 80/15)
Der Fall:
Eine (werdende) Wohnungseigentümerge-
meinschaft verlangt vom teilenden Eigen-
tümer die Zahlung von Hausgeld und einer
Sonderumlage für zwei Wohnungen.
Der beklagte Eigentümer hatte das mit ei-
nem Altbau bebaute Grundstück in fünf
Wohneinheiten aufgeteilt und die Wohnun-
gen, die saniert werden sollten, an drei ver-
schiedene Erwerberinnen verkauft. Zu deren
Gunsten wurden Auflassungsvormerkungen
im Grundbuch eingetragen. Das Eigentum
wurde nicht umgeschrieben. Drei der Woh-
nungen (Nr. 2, 3 und 5) wurden an die Er-
werberinnen übergeben.
Die beiden anderen Wohnungen (Nr. 1 und
4) wurden nicht fristgerecht fertiggestellt.
Eine einvernehmliche Übergabe dieser Woh-
nungen erfolgte nicht. Die Erwerberinnen
brachten in den Wohnungen, die noch nicht
mit Eingangstüren ausgestattet waren, nur
einige Möbel unter.
In einer Eigentümerversammlung am
3.4.2013 wurden eine Hausgeldzahlung ab
April 2013 und eine Sonderumlage beschlos-
sen. Die Beschlüsse wurden bestandskräftig.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft ver-
langt vom teilenden Eigentümer für die Woh-
nungen Nr. 1 und 4 die Zahlung der Sonder-
umlage und der Hausgelder für April bis Juli
2013. Der Eigentümer meint, die Erwerberin-
nen müssten die Lasten tragen.
Das Problem:
Der BGH hatte zu entscheiden, ob die Inbe-
sitznahme einer Wohnung ohne Übergabe
ausreicht, um die Stellung als werdender
Wohnungseigentümer zu begründen.
So hat der BGH entschieden:
Der teilende Eigentümer muss für die Haus-
gelder und die Sonderumlage der Wohnun-
gen Nr. 1 und 4 aufkommen.
Mit Eintragung der Auflassungsvormerkun-
gen und Übergabe der Wohnungen Nr. 2, 3
und 5 ist eine werdende Wohnungseigentü-
mergemeinschaft entstanden. In Bezug auf
diese Wohnungen sind die Erwerberinnen
werdende Wohnungseigentümer und müs-
sen die Kosten und Lasten tragen.
Bezüglich der Wohnungen Nr. 1 und 4 hin-
gegen sind die Erwerberinnen keine wer-
denden Wohnungseigentümer geworden.
Daher muss nach wie vor der teilende Ei-
gentümer die Kosten und Lasten dieser Ein-
heiten tragen.
Vordergründig sind zwar auch hinsichtlich
dieser Wohnungen die Voraussetzungen
erfüllt, unter denen ein Erwerber als wer-
dender Wohnungseigentümer anzusehen
ist, nämlich durch Vormerkung gesicherte
Übereignungsansprüche und Alleinbesitz an
den Einheiten. Allerdings reicht nicht jede
Form des Besitzübergangs aus, um eine
Stellung als werdender Wohnungseigentü-
mer zu begründen. Vielmehr muss der Er-
werber den Besitz durch Übergabe erlangt
haben. Anderenfalls könnte der Bauträger