Der Verwalter-Brief 4/2015 - page 6

Wasser marsch!
Haftung für unverschuldete Wasser-
schäden im Wohnungseigentum
Stefan Roth, Caninenberg & Schouten GmbH, Versicherungsmakler, Fulda
Wenn es im Bereich des Sonder- oder Gemeinschaftseigentums
„nass“ wird, ist schnelles Handeln erforderlich, um die Bausub-
stanz zu schützen und den Eintritt weiterer Schäden zu verhin-
dern. Dabei ist zwischen Schadensursache und Schadenseintritt
im Bereich des Gemeinschafts- oder Sondereigentums ebenso zu
trennen wie hinsichtlich der Frage, ob und gegebenenfalls wen
ein Verschulden am Schadenseintritt trifft.
Die Abwicklung von Wasserschäden in Wohnungseigentumsanlagen be-
reitet in der Praxis oftmals Probleme. Besonders problematisch wird es
immer dann, wenn der Schadensfall vom Versicherungsschutz der Ge-
bäudeversicherung nicht abgedeckt ist. Für die Versicherungswirtschaft
spielt die WEG-Problematik, ob Sonder- oder Gemeinschaftseigentum,
für die Frage des Versicherungsschutzes sowieso keine Rolle. Versichert
gilt ausschließlich das Gebäude, d. h. weder Einrichtung noch sonstige
Schäden wie z. B. Verdienstausfall sind mitversichert! Mit einem inter-
essanten, nicht versicherten Fall hatte sich der BGH zu beschäftigen
1
.
1. Der Fall
Nachts löste sich in der Teileigentumseinheit einer Wohnungseigen-
tumsanlage, in der Zahnarzt Z seine Praxis betreibt, eine Schlauchverbin-
dung, die die diversen Behandlungsstühle mit Wasser versorgt. Da der
Schaden am Wochenende eintrat, wurde er zunächst nicht bemerkt.
Zu allem Unglück führte das austretende Leitungswasser zu kapitalen
Feuchteschäden in der darunter liegenden Teileigentumseinheit, in der
die Ärztegemeinschaft A eine Tagesklinik unterhält. Bedingt durch den
Wassereintritt ruhte dort der Operationsbetrieb über mehrere Wochen,
bis die Operationseinrichtungen wieder hergerichtet waren. Zwar über-
nahm die Leitungswasserversicherung den am Gebäude eingetretenen
Schaden bzw. die Praxisinhaltsversicherung den Schaden an den medi-
zinischen Geräten, es verblieb jedoch ein erheblicher Einnahmenausfall
für die Ärztegemeinschaft A wegen des unterbrochenen Operationsbe-
triebs. Die Betriebsunterbrechungsversicherung der Ärztegemeinschaft
wollte nach Regulierung dieses Schadens den Zahnarzt Z in Anspruch
nehmen.
Dieser verweigerte die Zahlung mit dem (zutreffenden) Hinweis, dass
ihn am Wasseraustritt keinerlei Verschulden treffe.
2. Das Problem
Nach den gesetzlichen Vorschriften über die Schadensersatzhaftung (§§
276, 280 BGB) tritt diese grundsätzlich nur bei Verschulden ein. Es muss
also mindestens Fahrlässigkeit gegeben sein. Zahnarzt Z konnte aber
nachweisen, dass ihn kein Verschulden trifft, da er den Wasseraustritt
weder vorhersehen noch verhindern konnte.
Nun kann man indes auf den Gedanken kommen, eine aus dem Grund-
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Organisation
stücksrecht herrührende Bestimmung auf den vorliegenden Fall anzu-
wenden. § 906 Abs. 2 BGB ordnet für den Fall, dass der Eigentümer
eines Grundstücks durch eine von einem benachbarten Grundstück aus-
gehende Immission (z. B. Erschütterungen, Lärm und vor allem Wasser)
einen Nachteil erleidet, eine verschuldensunabhängige Haftung des
Grundstücksnachbarn an.
Der BGH hat indes schon 2010 entschieden
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, dass diese Regelung auf
das Wohnungseigentum nicht unmittelbar anwendbar sei. Wohnungs-
bzw. Teileigentümer würden sich in Ansehung des Gemeinschaftsei-
gentums eben nicht wie „fremde“ Grundstücksnachbarn gegenüber-
stehen, sondern seien schließlich gemeinsam Eigentümer. Deshalb sei
die Wohnungseigentümergemeinschaft z. B. nicht verpflichtet, für den
Schaden aufzukommen, den das Wasser, welches wegen eines uner-
kannt undicht gewordenen Balkons in die darunter liegende Wohnung
eindringt, anrichtet.
Somit stellt sich die Frage, ob § 906 Abs. 2 BGB nicht gleichwohl sinn-
gemäß auf den vorliegenden Fall anwendbar ist, da es sich um keinen
Schaden am Gemeinschaftseigentum, sondern am Sondereigentum
handelt.
3. Die Entscheidung des BGH
Überraschenderweise vertritt der BGH in diesem Fall die Auffassung,
dass der Zahnarzt Z für den durch den unverschuldet von seinem Son-
dereigentum ausgehenden Schaden aufzukommen hat.
Der Unterschied zu dem im Jahre 2010 abschlägig entschiedenen Fall,
so der BGH, liege darin, dass es sich vorliegend nicht um einen vom
Gemeinschaftseigentum ausgehenden Schaden handele, sondern dass
der Schaden seinen Ursprung im Sondereigentum hatte und sich am
Sondereigentum der Ärztegemeinschaft realisierte.
In Ansehung des Sondereigentums, anders als bei dem allen Eigentü-
mern zustehenden Gemeinschaftseigentum, stünden sich Wohnungs-
eigentümer indes durchaus wie die Eigentümer zweier benachbarter
separater Grundstücke gegenüber. Daher sei der Rechtsgedanke des
§ 906 Abs. 2 BGB auf diesen Fall durchaus sinngemäß anzuwenden mit
der Folge einer verschuldensunabhängigen Haftung.
Fazit: Wohnungs- und Teileigentümern kann daher nur geraten werden,
ihren Versicherungsschutz entsprechend anzupassen.
4. Auszug aus dem BGB - Grundlagen der Entscheidung
§ 906 Zuführung unwägbarer Stoffe
(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen,
Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen
und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkun-
gen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines
Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesent-
liche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder
Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach
diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht
überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwal-
tungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes
erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.
(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung
durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeige-
führt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die
Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer
hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des
anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen,
wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks
oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.
(3) …
1
BGH, Urt. v. 25.10.2013 - V ZR 230/12.
2
BGH, Urt. v. 21.5.2010 - V ZR 10/10.
1,2,3,4,5 7,8,9,10,11,12
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