Der Verwalter-Brief 4/2015 - page 11

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Deckert kompakt
ten bestehen bereits dann, wenn auf den ers-
ten Blick hin nur Sondereigentum unmittelbar
betroffen sein sollte.
Technisch fundierte Ursachenermittlungen
einer Mangelhaftigkeit und endgültige Zuord-
nung zu Sonder- oder Gemeinschaftseigentum
kann man m. E. allerdings nicht generell von ei-
nem jeden WEG-Verwalter fordern. Herrschen-
de Meinung ist heute vielmehr, alle Eigentü-
mer über gemeldete bzw. selbst festgestellte
Schäden zu informieren und je nach erkenn-
barer Dringlichkeit rasche Beschlussfassungen
herbeizuführen. Bestehen erkennbar eilbe-
dürftige Handlungspflichten, um Folgeschäden
oder zu erwartende Schadensfolgerisiken zu
unterbinden, hat ein Verwalter zumindest im
Bereich des Gemeinschaftseigentums proviso-
rische Notsanierungsmaßnahmen in eigener
Verantwortung und Notgeschäftsführung für
die Gemeinschaft einzuleiten. Im Regelfall ist
parallel hierzu auch ein Sachverständiger zur
Schadensüberprüfung, Analyse und der Emp-
fehlung von Sanierungsmaßnahmen zu beauf-
tragen. Eine entsprechende Verpflichtung des
Verwalters ergibt sich aus § 27 Abs. 1 Nr. 2 und
3 WEG. Anschließend muss der Verwalter die
erforderlichen Ermessensentscheidungen der
Gemeinschaft organisieren, vielleicht bereits
konkrete Grundsatzbeschlüsse vorbereiten und
Angebote über etwaige Leistungsverzeichnisse
eines Gutachters einholen, und vor allem auch
die Finanzierung erforderlicher, fachtechnisch
empfohlener Maßnahmen durch die Gemein-
schaft sicherstellen.
Schuldhaft verzögerliches aktives Mitwirken
an positiven Beschlussfassungen kann sich ab-
lehnend bzw. untätig verhaltende Eigentümer
in eine mögliche Verzugshaftung und eventu-
ell auch in eine Regresshaftung des Verwalters
führen (vgl. insoweit jüngst BGH-Grundsatzur-
teil vom 17.10.2014, V ZR 9/14, Der Verwal-
ter-Brief November 2014, Seite 2).
6. Fazit
Richtige Entscheidungen des WEG-Verwalters
erfordern gerade bei anstehenden Sanierungs-
maßnahmen viel Fingerspitzengefühl, aber
auch großes Verwalter-Fachwissen, wie dieser
Entscheidung und Anmerkung unschwer zu
entnehmen ist.
!
Weiterführende Informationen:
Beschlussumsetzung trotz Anfechtung
(Beschlussmuster)
2298519
WEG-Rechtsprechung
kompakt
Reichweite einer in der Teilungserklärung
geregelten Instandsetzungsverpflichtung
durch einzelne Wohnungseigentümer
(LG Itzehoe, Urteil v. 26.11.2013, 11 S 83/12)
Regelt die Teilungserklärung, dass der jewei-
lige Wohnungseigentümer die Kosten für die
Instandhaltung und Instandsetzung für be-
stimmte Einrichtungen, Anlagen und Gebäu-
deteile tragen soll, die ihm zum ausschließ-
lichen Gebrauch zur Verfügung stehen, muss
der Eigentümer einer Staffelgeschosswohnung
die Kosten der ausschließlich zu seinem Ge-
brauch bestimmten Fußbodenbeschichtung
tragen, auch wenn die übrigen Wohnungsei-
gentümer grundsätzlich ein Interesse an einer
dichten Dachhaut haben.
!
Weiterführende Informationen:
Gemeinschaftsordnung
636556
Verwalterabberufung wegen nicht ord-
nungsmäßiger Beschluss-Sammlung
(LG Hamburg, Beschluss v. 13.11.2013,
318 S 23/13)
Der WEG-Verwalter hat ein eigenes Anfech-
tungsrecht, soweit Beschlüsse seine Rechts-
stellung betreffen. Allein die nicht ordnungs-
gemäße Führung der Beschluss-Sammlung
rechtfertigt die Abberufung des Verwalters.
Einer vorhergehenden Abmahnung bedarf es
bei einer erheblich mangelhaften Führung der
Beschluss-Sammlung nicht.
!
Weiterführende Informationen:
Abberufung: ordentliche, außerordentliche und
gerichtliche
636086
Beschluss-Sammlung
1717916
Wohnnutzung eines Speichers stört / Um-
laufbeschluss muss allstimmig zustande
kommen, ansonsten ist er nichtig
(LG München I, Urteil v. 18.7.2013,
36 S 20429/12 WEG)
Der Ausbau von Speicherräumen durch Einbau
von Dachflächenfenstern sowie die Erweite-
rung des Treppenlochs von der Wohnung zu
darüber liegenden Speicherräumen stellt eine
bauliche Veränderung dar und bedarf der Zu-
stimmung aller Wohnungseigentümer. Die
Nutzung eines Raumes zu Wohnzwecken ist
erheblich intensiver als zu sonstigen Zwecken
(z. B. Keller, Speicher), so dass in dieser gestei-
gerten Nutzung immer eine Beeinträchtigung
aller anderen Wohnungseigentümer liegt. Ein
Umlaufbeschluss erfordert einstimmige Zu-
stimmung. Auf die von § 23 Abs. 3 WEG gefor-
derte Allstimmigkeit kann rechtswirksam nicht
verzichtet werden. Ein Beschluss, bei dem es
an der Allstimmigkeit fehlt, ist nichtig.
!
Weiterführende Informationen:
Umlaufbeschluss
637293
Bauliche Veränderung: Grundsätze
636256
Anwaltsgebühren: Kosten des selbststän-
digen Beweisverfahrens und eines nach-
folgenden Klageverfahrens
(BGH, Beschluss v. 27.8.2014, VII ZB 8/14)
Wird ein selbständiges Beweisverfahren von
einzelnen Erwerbern von Wohnungseigentum
wegen Mängeln des Gemeinschaftseigen-
tums betrieben und klagt nach Beendigung
des selbstständigen Beweisverfahrens die
Wohnungseigentümergemeinschaft aufgrund
eines Beschlusses, mit dem sie die Durch-
setzung der Rechte der Erwerber auf Beseiti-
gung der genannten Mängel wirksam an sich
gezogen hat, gegen die Antragsgegnerin des
selbstständigen Beweisverfahrens auf Kosten-
vorschuss zur Beseitigung der Mängel, werden
die Kosten des selbstständigen Beweisverfah-
rens von der Kostenentscheidung im Verfahren
der Kostenvorschussklage mitumfasst. Werden
die Kosten des selbstständigen Beweisverfah-
rens von der Kostenentscheidung im anschlie-
ßenden Hauptsacheverfahren mitumfasst und
sind die Verfahrensgebühr des selbstständigen
Beweisverfahrens und die Verfahrensgebühr
des Hauptsacheverfahrens von verschiedenen
Rechtsanwälten verdient worden, scheidet
eine Anrechnung der Verfahrensgebühr des
selbstständigen Beweisverfahrens auf die Ver-
fahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens ge-
mäß Vorbemerkung 3 Abs. 5 RVG-VV aus.
!
Weiterführende Informationen:
Verfahrenskosten
1717911
Beschlusskompetenz zum Ankauf einer
Grundstücksfläche
(AG Bremen-Blumenthal, Urteil v. 4.10.2013,
44 C 2012/13)
Ein nicht zu reinen Renditezwecken gefasster
Beschluss über den Erwerb von Grundstücksei-
gentum (hier: Parkplatzfläche) kann mit einfa-
cher Mehrheit als Maßnahme ordnungsmäßi-
ger Verwaltung gefasst werden.
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