Der Verwalter-Brief 10/2015 - page 9

Deckert kompakt
Die Eigentumswohnung
Entscheidung des Monats:
WEG-Rechtsprechung kompakt
WEG kann Leinenzwang
für Hunde lockern
Entscheidung
des Monats
WEG kann Leinenzwang
für Hunde lockern
Die Wohnungseigentümer dürfen im
Einzelfall den Leinenzwang für Hunde
lockern. Die Erlaubnis, Hunde auch
ohne Leine auf einer Rasenfläche des
Gemeinschaftseigentums spielen zu
lassen, kann ordnungsgemäßem Ge-
brauch entsprechen.
(BGH, Urteil v. 8.5.2015, V ZR 163/14)
Der Fall:
Die Wohnungseigentümer einer aus 6 Woh-
nungen bestehenden WEG in Schleswig-Hol-
stein fassten folgenden Beschluss:
„Hunde der Eigentümer und Mieter dürfen
bis auf Widerruf auf den Rasenflächen spie-
len. ... In keinem Fall dürfen Hunde der Be-
wohner Gäste oder Mitbewohner z. B. durch
Anspringen belästigen.“
In der Zeit vor der Beschlussfassung wurden
die Rasenflächen lediglich vom Mieter einer
der Wohnungen zum Spielen mit seinem klei-
nen Hund genutzt. Belästigungen durch frei-
laufende Hunde gab es nicht. Das Schleswig-
Holsteinische Gefahrhundegesetz (GefHG)
schreibt in Mehrfamilienhäusern einen Lei-
nenzwang für alle Hunde auf Zuwegen, in
Treppenhäusern, Aufzügen, Fluren und sons-
tigen gemeinsam genutzten Räumen vor.
Ein Wohnungseigentümer hat gegen den
Beschluss Anfechtungsklage erhoben.
Das Problem:
Der BGH hatte darüber zu entscheiden, ob
die Wohnungseigentümer den Leinenzwang
für Hunde auf den Allgemeinflächen lockern
können.
So hat der BGH entschieden:
Der Beschluss entspricht ordnungsgemäßer
Verwaltung.
Die Wohnungseigentümer können durch
Stimmenmehrheit einen der Beschaffenheit
des gemeinschaftlichen Eigentums entspre-
chenden ordnungsgemäßen Gebrauch be-
schließen. Die angegriffene Regelung hat
solch einen ordnungsmäßigen Gebrauch
zum Inhalt. Ordnungsmäßig ist der Gebrauch,
den § 14 WEG gestattet und der nicht gegen
gesetzliche Vorschriften verstößt. Die Ein-
zelheiten richten sich nach den konkreten
Umständen des Einzelfalls. Hierbei steht den
Eigentümern ein Ermessensspielraum zu.
Der Beschluss, den Leinenzwang zu lockern,
hält sich in den Grenzen dieses Ermessens-
spielraums.
Zunächst verstößt der Beschluss, der grund-
sätzlich auch das Spielen mit nicht angelein-
ten Hunden erlaubt, nicht gegen zwingende
Vorschriften des GefHG. Der dort angeord-
nete Leinenzwang erstreckt sich nicht auf
gemeinschaftliche Rasenflächen.
Die Erlaubnis, Hunde auf den Rasenflächen
spielen zu lassen, trägt dem Umstand Rech-
nung, dass tierhaltende Miteigentümer oder
Mieter ihre Freizeit gemeinsam mit ihren
Hunden gestalten möchten. Dies erstreckt
sich auch auf die Nutzung gemeinschaftlicher
Rasenflächen und ist damit Bestandteil des
Rechts des Wohnungseigentümers zum Mit-
gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums.
Dass der Beschluss auch das Spielen mit
nicht angeleinten Hunden erlaubt, ist nicht
zu beanstanden. Die Entscheidung, ob und
in welchem Umfang ein Leinenzwang gelten
soll, obliegt dem Ermessen der Wohnungsei-
gentümer (in den Grenzen des GefHG). Dabei
Liebe Leserin, lieber Leser,
ich bin kein Freund von nicht angeleinten
Hunden auf der gemeinschaftlichen Rasenflä-
che von WE-Gemeinschaften. Der BGH sieht
das anders und hält einen mehrheitlichen
Beschluss, dass Hunde von Bewohnern nicht
angeleint sein müssen, für statthaft. In be-
stimmten Grenzen natürlich.
Die Argumentation des BGH ist durchaus
nachvollziehbar. Allerdings hadere ich mit
bestimmten Teilen der Begründung, die der
BGH im Rahmen der Interessenabwägung for-
muliert hat. Eine Anleinpflicht mit steter Nähe
des Tierhalters erscheint mir eher hinnehmbar,
als dass sich andere Nutzer des Gemeinschafts-
eigentums in ihrem Verhalten einschränken
müssen. Oder sollen am Ende auf der Rasen-
fläche spielende Kinder weniger Rechte haben
als die sich dort aufhaltenden Hunde?
Als Verwalter sind Sie gefordert, Vereinbarun-
gen und Beschlüsse zu diesem Thema sorg-
fältig zu formulieren. Dabei sollten Sie in Ihre
Überlegungen stets mögliche Beschränkungen
wie z. B. Zahl, Art, Größe und Gefährlichkeit
der gehaltenen Tiere mit einbeziehen.
Herzlichst
Ihr
Dr. Wolf-Dietrich Deckert
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