personalmagazin 5/2016 - page 45

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05/16 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
personalmagazin:
Und dann können diese
Mitarbeiter Ihre Erklärungen für die
nächste Ebene übersetzen?
Czajor:
Dann können diese Mitarbeiter
unseren Ansatz den anderen erklären.
Das sollten sie auf Chinesisch machen.
Wenn ich beispielsweise einen Termin
in einer Behörde habe, in der kein Eng-
lisch gesprochen wird, dann erkläre ich
unsere Position meinemMitarbeiter vor-
her ganz genau. Später genügt es, wenn
ich anwesend bin und Autorität zeige,
aber mein Mitarbeiter spricht. Er muss
mir auch nicht alles übersetzen. Wichtig
ist, dass mein Gegenüber merkt, dass
ich hinter meinem Mitarbeiter stehe.
personalmagazin:
Welche typischen Fehler
begehen deutsche Führungskräfte?
Czajor:
Manche springen in diese Aufga-
be rein, hören sich ein bisschen was an
und denken, das würden sie schon be-
herrschen. Dabei ist es wichtig, das „Big
Picture“ zu bekommen und sich in der
Anfangsphase intensiv coachen zu las-
sen. Wer bei einem chinesischen Joint-
Venture-Partner tätig wird, kommt mit
den hauseigenen Kennzahlen und Wer-
ten selten weiter. Auf der direkten Füh-
rungsebene gilt: Führungskräfte aus
Deutschland brauchen unheimlich viel
Geduld. Wenn sie diese nicht mitbrin-
gen, werden sie nicht erfolgreich sein.
personalmagazin:
Aber oft gibt es in der
Praxis wenig Zeit für Coachings und Vor-
bereitung. Die Führungskraft springt ins
kalte Wasser hinein und macht Fehler.
Czajor:
Es gibt zwei Kategorien an Füh-
rungskräften. Die eine sagt: „Ich habe
einen Fehler gemacht. Ich gebe zu, dass
ich mir das nochmals erklären lassen
muss.“ Die andere steht nicht zum Feh-
ler. Die Chinesen haben unheimlich
viel Zeit. Nur wir Deutschen nicht. Wir
denken, wir müssten immer so schnell
sein.
personalmagazin:
Wie sehen Motivation
und Anreizsysteme im Vergleich zu
Deutschland aus?
Czajor:
Alle internationalen Joint Ven-
tures haben mittlerweile ein amerikani-
sches oder europäisches Gehaltssystem.
Der grundsätzliche Unterschied ist: Un-
sere Idee ist immer, möglichst wenig
Hierarchie zu haben. Die chinesische
Denke ist, möglichst viel Hierarchie zu
haben. Chinesische Mitarbeiter wollen
jedes zweite Jahr eine neue Visitenkar-
te bekommen. Was wir als Umstufung
ansehen, wird in China als neuer Titel
angesehen und es muss nach außen
sichtbar sein. Bei den Anreizen beste-
hen auch Unterschiede zwischen den
Generationen: Die Älteren haben die
Altersversorgung im Blick. Für Mitar-
beiter in der Familiengründungsphase
zählt eine gute Krankenversicherung.
Bei jungen Mitarbeitern sind Tages-
veranstaltungen zur Teamentwicklung
beliebt. In China sind das eher Spaßpro-
gramme wie gemeinsam essen gehen,
in ein Hotel an der Großen Mauer fah-
ren. Laptop oder Smartphones für Mit-
arbeiter stellen Statussymbole dar, die
vor allem bei den jungen Mitarbeitern
gut ankommen. Oder Company T-Shirts
– das klingt ganz banal, aber die sind
sehr beliebt.
personalmagazin:
Was sehen Sie als den
größten Unterschied zwischen deutschen
und chinesischen Führungskräften an?
Czajor:
Ich habe neulich bei einem As-
sessment einer jungen chinesischen
Führungskraft genau diese Frage ge-
stellt. Er sagte: „You Germans, you care
for processes. We care for people.“ Ich
glaube, er hat es auf den Punkt ge-
bracht. Unsere Führung verwendet viel
Energie auf die Prozesse und dann pas-
sen Menschen austauschbar rein. Ein
Chinese würde immer sagen: „Ich suche
mir die richtigen Leute aus und dann
machen die schon die Prozesse.“ Das ist
sehr einfach beschrieben, aber dahinter
verstecken sich viele Wahrheiten.
Das Haufe Personal Office gibt es jetzt auch für China. Das Werk heißt „Labor & HR
Guru“ und enthält alle Informationen zur chinesischen Arbeitsordnung. Ihre chine­
sischen Kollegen können sich informieren unter
PRAXISBEISPIEL
PRODUKTTI P
Wer sind die Manager, die Unternehmen in China auf dem Weg zur weltgrößten Wirt-
schaftsmacht antreiben? Sie wurden geprägt von der Ein-Kind-Politik, sind eingebet-
tet in einen wachsenden Wohlstand und umfassend vernetzt durch soziale Medien.
Führen und Lernen in China
BUCHTIPP
Die Beraterin, Trainerin und China-Expertin Brigitte Ott-Göbel lehrt an
der FOM Hochschule und arbeitet als Lehrbeauftragte an zwei nord­
chinesischen Universitäten. In ihrem Buch „Vom Drachen zum Panda“
hat sie die Strategien zusammengestellt, die in der Zusammenarbeit
mit Chinesen zielführend sind.
Brigitte Ott-Göbel: Vom Drachen zum Panda. 188 Seiten,
Literatur-VSM-Verlag, Wolkersdorf (Österreich), 2015, 24,90 Euro.
Das Interview führte
Brigitte Ott-Göbel.
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