personalmagazin 06/2016 - page 82

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RECHT
_FLÜCHTLINGE
personalmagazin 06/16
eine Sachgrundbefristung ohne Endda-
tum mit der Bedingung abzuschließen,
dass das Arbeitsverhältnis befristet ist
und mit dem Wegfall eines Aufenthalts-
titels automatisch endet.
Auch die Vereinbarung einer Pro-
bezeit ist bei der Beschäftigung von
Flüchtlingen eine sinnvolle und für bei-
de Seiten faire Vertragsgestaltung. Im
herkömmlichen Sinne wird sie meist
als sogenannte „vorgeschaltete Probe-
zeit“ genutzt. Die praktische Bedeutung
dieser Probezeit liegt darin, dass die
Mindestkündigungsfrist eines Arbeits-
verhältnisses während einer verein-
barten Probezeit bis auf zwei Wochen
verkürzt werden kann.
Kann auf einen Tarifvertrag der ein-
schlägigen Branche Bezug genommen
werden, in dem eine noch kürzere Kün-
digungsfrist während der Probezeit
vorgesehen ist, so kann auch für nicht-
tarifgebundene Verträge diese kürzere
Frist durch sogenannte „Bezugnahme“
eingeführt werden. Möglich ist aber auch
eine andere Variante der Probezeit, näm-
lich eineechte Befristung zur Probe. Diese
stellt sogar einen anerkannten Sachgrund
dar. Im Ergebnis kann man eine Befris­
tung zur Probe aber dadurch erreichen,
dass man im Rahmen einer sachgrund-
losen Erstbefristung zunächst einen
kurzen Anfangsabschnitt vereinbart.
Ein mögliches Beschäftigungsverbot
und die entsprechenden Folgen
Auch folgende Situation lässt sich nicht
von vornherein ausschließen: Im Laufe
einer Beschäftigung stellt sich heraus,
dass die Angaben eines Flüchtlings zu
den Voraussetzungen seines Aufent-
haltstitels und/oder seiner Arbeitser-
laubnis nicht den tatsächlich zugrunde
gelegten Voraussetzungen entsprachen
oder nicht mehr entsprechen. Arbeits-
rechtlich gesehen hat das immer ein so-
fortiges Beschäftigungsverbot zur Folge.
Hat der Flüchtling selbst den Mangel
seiner „Papiere“ nicht zu vertreten, so
besteht gleichwohl das Arbeitsverhält-
nis zunächst weiter, denn das Auslaufen
Verstöße gegen die Verpflichtung, Flüchtlinge nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingun­
gen als für vergleichbare deutsche Arbeitnehmer zu beschäftigen, werden aufgrund
des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG) kontrolliert und sanktioniert.
Der entsprechende § 10 SchwarzArbG lautet:
(1) Wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 3 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch be­
zeichnete Handlung begeht und den Ausländer zu Arbeitsbedingungen beschäftigt, die
in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen deutscher Arbeitnehmer
und Arbeitnehmerinnen stehen, die die gleiche oder eine vergleichbare Tätigkeit aus­
üben, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs
Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der
Täter gewerbsmäßig oder aus grobem Eigennutz handelt.
Noch einen Schritt weiter geht das Gesetz in den Fällen, in denen ein Betrieb Flüchtlinge
als Leiharbeitnehmer einsetzt, was nur in Ausnahmefällen möglich ist. Der Entleiher wird
hier verpflichtet, auch auf die Bedingungen des Leiharbeitsverhältnisses zu achten.
Der entsprechende § 15a Arbeitnehmerüberlassungsgesetz lautet:
„Wer als Entleiher einen ihm überlassenen Ausländer, der einen erforderlichen Aufent­
haltstitel nach § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes, eine Aufenthaltsgestattung oder eine
Duldung, die zur Ausübung der Beschäftigung berechtigen, oder eine Genehmigung nach
§ 284 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch nicht besitzt, zu Arbeitsbedingungen
des Leiharbeitsverhältnisses tätig werden lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis
zu den Arbeitsbedingungen deutscher Leiharbeitnehmer stehen, die die gleiche oder
eine vergleichbare Tätigkeit ausüben, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit
Geldstrafe bestraft. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs
Monaten bis zu fünf Jahren; ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der
Täter gewerbsmäßig oder aus grobem Eigennutz handelt.“
Sanktionen bei ungleichen Bedingungen
GESETZESTEXT
THOMAS MUSCHIOL
ist
Fachautor und Rechtsanwalt
mit Schwerpunkt im Arbeits-
und betrieblichen Sozialversi­
cherungsrecht in Freiburg.
oder der Wegfall des Aufenthaltstitels
oder der Arbeitserlaubnis hat keine
automatische Beendigung des Arbeits-
vertrages zur Folge. Eine Lohnzahlungs-
pflicht durch „Annahmeverzug“ besteht
während eines Beschäftigungsverbots
jedoch nicht, da den Arbeitgeber im Re-
gelfall kein Verschulden treffen wird.
Im Rahmen einer Kündigung ist dann
zu prüfen, ob in absehbarer Zeit mit
der Wiedererteilung der Arbeitserlaub-
nis beziehungsweise einer weiteren
Aufenthaltserlaubnis oder Gestattung
zu rechnen ist und der Arbeitsplatz bis
dahin ohne erhebliche betriebliche Be-
einträchtigungen offengehalten werden
kann.
Anders ist die Lage, wenn der Flücht-
ling vorsätzlich mit Täuschungsabsicht
seine Einstellung erschlichen hat. Hier
hat der Betrieb die Möglichkeit, das Ar-
beitsverhältnis wegen arglistiger Täu-
schung anzufechten. Dies hat die Folge,
dass der Vertrag von Anfang an nichtig
ist. Eine Kündigung braucht dann nicht
zu erfolgen, allenfalls rein vorsorglich,
für den Fall, dass die Anfechtung nicht
greifen sollte.
Sofern der Flüchtling – bevor die Täu-
schung an das Licht kam – tatsächlich
beschäftigt wurde, ist diese nach den
Grundsätzen des faktischen Arbeitsver-
hältnisses zu bezahlen.
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