personalmagazin 06/2016 - page 64

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SPEZIAL
_ÖFFENTLICHER DIENST
personalmagazin 06/16
G
leiche Chancen für alle Be-
werber und ein Zeichen gegen
Diskriminierung setzen – das
sind die erklärten Ziele der
Stadt Monheim am Rhein. Im Mai 2013
hat der Rat die Verwaltung beauftragt,
ein geeignetes Verfahren auszusuchen.
Die Stadtverwaltung hat sich nach ent-
sprechender Marktrecherche imDezem-
ber 2013 dafür entschieden, das auf den
öffentlichen Dienst spezialisierte Stel-
lenportal Interamt zu nutzen. Interamt
bietet neben einer Plattform für Stellen-
ausschreibungen auch eine E-Recrui-
ting-Lösung an, die ein anonymisiertes
Bewerbungsverfahren ermöglicht.
Martin Frömmer, Mitglied im Verwal-
tungsvorstand der Stadt Monheim und
Bereichsleiter Zentraler Service ist über-
zeugt, dass anonymisierte Bewerbungen
funktionieren. „Fast jeder Mensch ist
unbewusst voreingenommen, weil er
bestimmte Klischees im Kopf hat. Das
können Herkunft, Alter, Geschlecht, al-
leinerziehende Mütter mit Kleinkindern
und anderes mehr sein“, sagt er. Dabei
geht es Monheim bei der Anonymisie-
rung nicht um eine gezielte Förderung
von bestimmten Gruppen, sondern da-
rum, dass alle Bewerber dieselben Chan-
cen im Bewerbungsprozess haben.
Denn eine gute Qualifikation ist nicht
gleichbedeutend mit guten Chancen auf
dem Arbeitsmarkt. Mit diesem Irrtum
räumen mehrere Studien auf. Sie zei-
gen, dass es Menschen mit Migrations-
hintergrund deutlich schwerer haben,
eine Stelle zu finden. Eine Erhebung
Von
Daniela Furkel
(Red.)
des Instituts der deutschen Wirtschaft
Köln (IW) hat gezeigt, dass zugewan-
derte Akademiker seltener eine adä-
quate Arbeit finden als deutsche. Und
eine Studie des Instituts zur Zukunft der
Arbeit (IZA) in Bonn weist nach, dass
allein schon ein türkisch klingender
Name bei einer Bewerbung häufig ein
Handicap darstellt. Forscher der Uni-
versität Konstanz haben in einem Feld-
versuch über 1.000 Bewerbungen auf
Praktikantenstellen für Wirtschaftsstu-
denten verschickt. Die Bewerbungsun-
terlagen waren inhaltlich gleichwertig,
per Zufallsgenerator wurde den Bewer-
bungen ein Name eindeutig deutscher
oder türkischer Herkunft zugeordnet.
Die angeblichen Bewerber hatten nicht
nur analoge Qualifikationen, sondern
waren zudem ausnahmslos deutsche
Staatsbürger und Muttersprachler. Das
Ergebnis: Bewerber mit türkischem Na-
men bekamen 14 Prozent weniger posi-
tive Antworten.
Auch andere Aspekte wie Alter oder
Familienstand spielen bei Personalent-
scheidungen eine Rolle: Ein Kandidat
hat zwar hervorragende Qualifikationen,
ist aber älter als 49 Jahre oder eine Be-
werberin zieht ihre kleinen Kinder allein
groß. Bewerber all dieser Gruppen dro-
hen durch die Raster der Personalchefs
zu fallen. „Auch ich habe mich früher bei
der Bewerberauswahl unwillkürlich von
solchen Aspekten beeinflussen lassen.
Dabei dachte ich immer, ich hätte ob-
jektiv entschieden. Erst im Nachhinein
wurde mir klar, wie schnell man sich
Für mehr Chancengleichheit
PRAXIS.
Kein Foto des Bewerbers, keine Angabe von Name, Nationalität, Geschlecht,
Geburtsort oder Religion: Die Stadt Monheim praktiziert anonymisierte Bewerbungen.
Die Stadtverwaltung hat gute Erfahrungen mit anonymisierten Bewerbungen gemacht.
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