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05/15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
stets eine Sozialauswahl im Sinne des
§ 1 KSchG erforderlich, wenn lediglich
ein Teil der vergleichbaren Mitarbeiter
desselben Betriebs vom Verlust des Ar-
beitsplatzes betroffen ist. Etwas anderes
gilt nur, falls der gesamte Betrieb stillge-
legt wird. Die Sozialauswahl erfolgt kraft
Gesetzes zwingend anhand der Faktoren
Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhalts-
pflichten und Schwerbehinderung.
Lediglich in Insolvenzsituationen kann
die Schwerbehinderung unter Umstän-
den unberücksichtigt bleiben. Die Fak-
toren Alter und Betriebszugehörigkeit
(eventuell aber auch die übrigen) bevor-
zugen indes tendenziell ältere Mitarbei-
ter. Konsequenz daraus ist, dass eine
– nicht optimierte – Sozialauswahl im
Zweifel stets zur Kündigung jüngerer, ge-
gebenenfalls leistungsfähigerer und mit
geringeren Personalkosten verbundener
Mitarbeiter führt. Folge sind überalterte
und durchschnittlich teurere Mitarbei-
terstrukturen, die bereits kurzfristig den
Sanierungserfolg gefährden. Erfahrungs-
gemäß wird häufig zu wenig und zu spät
über Gestaltungsmöglichkeiten zur Opti-
mierung der Sozialauswahl nachgedacht.
Diese Passivität führt oft nach kurzer Zeit
zu einer weiteren Restrukturierungswel-
le und sorgt bei Mitarbeitern und Kunden
für eine erhebliche Verunsicherung.
Erfolgsfaktor strategische Planung
Die strategische Planung einer optimier-
ten Sozialauswahl ist daher für Sanie-
rungsprozesse ein ganz entscheidender
Erfolgsfaktor. Dazu ist ein ganzheitliches
Umsetzungskonzept erforderlich, das
strategische, juristische und fachliche
Anforderungen bündelt und ein ganz-
heitliches Zielbild definiert. Dieses Kon-
zept (zum Beispiel in Form eines „White
Book“) muss die Rahmenparameter defi-
nieren, mit denen eine Soziauswahl ak-
tiv gestaltet werden kann. Wichtig sind
strategische Überlegungen bereits im
Vorfeld, weil die zur Optimierung der
Sozialauswahl vorgesehenen gesetz-
lichen Regelungen – wie gleich näher
erläutert wird – in ihrer Ausformung
durch die Rechtsprechung lediglich be-
grenzte Handlungsspielräume bieten,
die nur durch im Vorfeld getroffene
strategische Weichenstellungen erwei-
tert werden können. Angeknüpft wird
dazu an grundlegenden Organisations-
strukturen, denn die Sozialauswahl
erfolgt gemäß § 1 KSchG im jeweiligen
Betrieb des Unternehmens, also weder
unternehmens- noch betriebsübergrei-
fend. Optimierungen sind daher durch
Änderungen des Betriebszuschnitts
(das heißt der Spaltung, Zusammenfas-
sung oder Neugründung von Betrieben)
beziehungsweise die Übertragung von
Personal auf andere Unternehmen mög-
lich. Dadurch scheiden die gewünschten
Mitarbeiter aus dem von Personalabbau
betroffenen Betrieb beziehungsweise
Unternehmen und der dort erforderli-
chen Sozialauswahl aus. Die Ziele der
Sanierung definieren die Fachbereiche,
die für die Sozialauswahl relevanten
Daten erhalten sie von der Personalab-
teilung. Dabei entsteht in der betrieb-
lichen Praxis erfahrungsgemäß unver-
meidlich eine Mitarbeiter-Wunschliste,
welche die Leistungsfähigkeit des Un-
ternehmens sicherstellen und eine
Verbesserung der Abteilungsstruktur
bewirken soll. Diese durchaus berech-
tigte Erwartung der Fachbereiche löst
verglichen mit den Ergebnissen einer
starren Sozialauswahl indes rechtlich
massive Umsetzungsprobleme aus. Es
liegt auf der Hand, dass ein reines „Mit-
arbeiter-Ranking“ nach starren sozialen
Kriterien beziehungsweise Vergleich-
barkeitsgruppen nicht mit dem fach-
lichen Zielbild übereinstimmen kann,
Eine Sozialauswahl nach Altersgruppen kann Überalterungs- und Verteuerungsef
fekten entgegenwirken. Dazu muss der Arbeitgeber im Prozess konkret vortragen,
welche Auswirkungen diese Auswahl hat und was so vermieden werden kann.
Nur wenn die Anzahl der Entlassungen innerhalb der Vergleichsgruppe die Schwel-
lenwerte des § 17 KSchG erreicht, ist ein berechtigtes betriebliches Interesse an der
Beibehaltung der Altersstruktur – widerlegbar – indiziert. Bei der Sozialauswahl hilft das
folgende Handlungschema, um auf der rechtlich sicheren Seite zu sein.
Handlungsschritte:
1. Ermittlung der vergleichbaren Mitarbeiter i.S.d. § 1 Abs. 3 KSchG (Vergleichsgruppe)
2. Bildung von Altersgruppen innerhalb der Vergleichsgruppe aufgrund eines
plausiblen Systems
3. Bestimmung des Mitarbeiteranteils der jeweiligen Altersgruppe an der
Vergleichsgruppe
4. Verteilung der betriebsbedingten Kündigungen anhand des aus Schritt 3
folgenden Verhältnisses
5. Ergebniskontrolle bezüglich der Altersstruktur: proportionale Betroffenheit
aller Altersgruppen
6. „Normale“ Sozialauswahl innerhalb der jeweiligen Altersgruppe.
Das BAG fordert die proportionale Betroffenheit aller Altersgruppen innerhalb der Ver-
gleichsgruppe (Schritt 5). Denn eine Altersgruppenbildung ist (soweit keine Insolvenz
vorliegt) nur zulässig, wenn sie dazu führt, dass die bestehende Struktur bewahrt bleibt
(BAG v. 22.3.2012, 2 AZR 167/11). Das grenzt den Spielraum deutlich ein.
Beispiel: In der Vergleichsgruppe sollen fünf Kündigungen erfolgen, es werden fünf
Altersgruppen (AG) gebildet (AG eins: 18-25 Jahre, AG zwei: 26-35 Jahre, AG drei: 36-45
Jahre, AG vier: 46-55 Jahre, AG fünf: 56-67 Jahre). Die proportionale Verteilung führt
rechnerisch dazu, dass in den AG zwei bis vier insgesamt vier Kündigungen auszuspre-
chen wären, während die AG eins und fünf jeweils zu 0,45 betroffen sind. Eine Sozial-
auswahl nach Altersgruppen scheidet hier mangels proportionaler Umsetzbarkeit aus.
Sozialauswahl nach Altersgruppen
HANDLUNGSSCHEMA