personalmagazin 5/2015 - page 66

personalmagazin 05/15
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RECHT
_MINDESTLOHN
V
ielen Arbeitgebern bereiten
ausufernde Bürokratie und
neue Haftungsregeln größere
Sorgen als der Mindestlohn
selbst. Vor allem die Auftraggeberhaf-
tung ist vielen Branchenvertretern ein
Dorn im Auge: Beispielsweise drohen ei-
nem Maschinenbauer Regressforderun-
gen und Bußgelder, wenn er Spezialteile
durch einen Zulieferer herstellen lässt,
der wiederummit einer Zeitarbeitsfirma
zusammengearbeitet hat, die weniger als
8,50 Euro pro Stunde vergütet. Die Ar-
beitnehmer der Zeitarbeitsfirma können
in diesem Fall wählen, ob sie gegen den
eigenen Arbeitgeber, den Zulieferer oder
den Maschinenbauer klagen. Grundsätz-
lich erhalten die Angestellten mit jedem
eingeschalteten Nachunternehmer ei-
Von
Jochen Bernhard
und
Frieder Werner
nen zusätzlichen Anspruchsgegner.
Wenn ein Subunternehmer den Min-
destlohn unterschreitet und weitere un-
zuverlässige Nachunternehmer einsetzt,
fürchten Unternehmer, dass eines Tages
zahlreiche unterbezahlte Arbeitnehmer
Lohnausgleich von ihnen fordern.
Nur Generalunternehmer haften
Voraussetzung dafür ist allerdings, dass
der Maschinenbauer als Generalunter-
nehmer auftritt. Er muss ein anderes
Unternehmen im Rahmen eines Werk-
oder Dienstleistungsvertrags einschal-
ten, um eigene Aufträge gegenüber
einem Kunden oder Vertragspartner
zu erfüllen. Keine Anwendung findet
das Mindestlohngesetz nach derzeiti-
ger Rechtsauffassung, wenn ein Unter-
nehmen Ware lediglich einkauft oder
Dienstleistungen für sich selbst erbrin-
gen lässt: Keine Haftung besteht etwa
dann, wenn der Maschinenbauer eine
Reinigungsfirma beauftragt, seine eige-
nen Büroräume zu säubern.
Die Abgrenzung führt in der Praxis
zu großen Schwierigkeiten: Kauft der
Maschinenbauer lediglich Standardteile
zur Weiterverarbeitung ein und muss
er daher nicht für den Mindestlohn der
Angestellten seines Lieferanten haf-
ten? Oder lässt er die Teile durch den
Zulieferer modifizieren, sodass er um-
fassend an das Mindestlohngesetz ge-
bunden ist? In letzterem Fall haftet der
Maschinenbauer zum einen gegenüber
den Arbeitnehmern des Zulieferers auf
das Nettoentgelt, also den Betrag, der
nach Abzug von Steuern und Beiträgen
zur Sozialversicherung an den Arbeit-
nehmer auszuzahlen ist. Zum anderen
drohen ihm ein Bußgeld bis zu 500.000
Euro pro Verstoß und in dessen Folge
auch der Ausschluss von öffentlichen
Vergabeverfahren.
Haftung soll Arbeitnehmer schützen
Bundesarbeitsministerin Nahles will
durch die Auftraggeberhaftung sicher-
stellen, dass der Mindestlohn in der
Praxis nicht umgangen und auch dann
gezahlt wird, wenn ein Generalunter-
Haftung für Subunternehmer
PRAXISTIPPS.
Aufträge an Subunternehmer bergen Haftungsrisiken im Rahmen des
Mindestlohngesetzes. Mit Compliance-Klauseln lassen sich diese verringern.
Die Insolvenz des Subunternehmers liegt nicht im Risiko des Auftraggebers. Doch auch
in diesem Fall erhalten die Angestellten keinen Mindestlohn – das birgt ein Problem.
Noch ist unklar, ob der Auftraggeber nur haftet, wenn der Nachunternehmer weniger
als 8,50 pro Stunde vergüten will, oder auch bei insolvenzbedingter Leistungsunfähig-
keit seines Subunternehmers. Gegen Letzteres spricht, dass das Ziel des MiLoG ist, zu
geringe Löhne zu verhindern. Sinn und Zweck ist nicht, Angestellten von insolventen
Nachunternehmern im Wege der Durchgriffshaftung ihre Gehälter zu sichern. Allerdings
haben die Landesarbeitsgerichte zu Paragraf 14 Arbeitnehmerentsendegesetz entschie-
den, dass der Auftraggeber auch im Insolvenzfall haftet. Sollte die Rechtsprechung auch
im Fall des MiLoG diesen Weg einschlagen, wäre dies ein erhebliches Haftungsrisiko für
Firmen, die Nachunternehmer beauftragen.
Insolvenz des Geschäftspartners
PRAXISBEISPIEL
UNGEKLÄRTE FRAG N
RECHNER
Der Mindestlohnrechner in unserer
App berechnet den Stundenlohn unter
Berücksichtigung aller anrechenbaren
Bestandteile Ihrer Mitarbeiter.
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