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_FORSCHERPORTRÄT
PERSONALquarterly 01 /16
Gute Führung kann man lernen
Universell richtiges Verhalten gebe es nicht, so Jörg Felfe. Chefs müssten Werte und
Motive der Mitarbeiter individuell wahrnehmen – und verwandeln.
Ruth Lemmer
,
Freie Wirtschaftsjournalistin, Düsseldorf
D
ieser Schritt liegt nah: Professor Jörg Felfe arbeitete
viele Jahre zu Commitment und Führung im Ver-
änderungsprozess. Jetzt schaut er verstärkt auf die
Gesundheit von Mitarbeitern. Mit dem Instrument
Health-oriented-Leadership können Unternehmen die gesund-
heitsfördernden und die gefährdenden Aspekte des Füh-
rungsverhaltens ihrer Chefs diagnostizieren und Maßnahmen
entwickeln. „Nichts ist dabei so nützlich wie eine gute Theorie“,
betont der Wirtschaftspsychologe der Helmut-Schmidt-Univer-
sität in Hamburg, dem vom Start seiner Psychologenkarriere
an die Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Pra-
xis wichtig war, was sich in vielen Publikationen niederschlägt.
Jörg Felfe zog von seiner Heimatstadt Dortmund aus ab 1982
seine Kreise: zuerst zum Studium nach Bochum und nach Ber-
lin (FU). Nach der Promotion und der Habilitation in Halle ging
es weiter an den Universitäten in Köln, Braunschweig und
Siegen. Seit 2010 lehrt der 52-Jährige an der Universität der
Bundeswehr Arbeits-, Organisations- undWirtschaftspsycholo-
gie. „Gesundheitsförderung, Führungskräfteentwicklung, Ar-
beitgeberattraktivität und Commitment sind aktuelle Themen
in der Bundeswehr, zu denen die psychologische Forschung
einen wichtigen Beitrag leistet“, sagt der Wissenschaftler, der
selbst nie Soldat war.
1991 promovierte Jörg Felfe an der FU zu einem „Training pä-
dagogischer Kompetenzen zur Vermittlung fachübergreifender
Qualifikationen in der beruflichen Bildung“. 2003 erwarb er
an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg die Lehr-
befähigung für Psychologie. Sein Thema: „Transformationale
und charismatische Führung und Commitment im organisati-
onalen Wandel“.
Zwischen den beiden Arbeiten lagen praktische Erfahrungen
und Erkenntnisse, die der Wissenschaftler in der Wirtschaft
sammelte – als freiberuflicher Trainer und Coach, etwa bei
Banken und Sparkassen. „Führung allein durch ein enges Ziel-
system funktioniert nicht, das habe ich dort gelernt“, schildert
der 52-Jährige. „Auch wenn der Arbeitskontext für alle gleich
war, lief es in einigen Filialen besser als in anderen.“ Die Be-
obachtungen brachten ihn dazu, Führungspersönlichkeiten in
den Fokus zu stellen. Er befragte Führungskräfte in Unter-
nehmen, Vereinen und öffentlichen Verwaltungen. Mit dem
aus den USA importierten Konzept der transformationalen
Führung blies der Forscher neuen Wind in die Welt der ziele-
fixierten Führungskultur. Transformationale Führung betont
die Vorbildrolle als Führungspersönlichkeit und setzt bei den
Werten und der Veränderungsfähigkeit an, um die intrinsische
Motivation von Mitarbeitern und Führungskräften zu stärken.
„Dabei kann kein Entscheidungs- und Führungsstil universell
eingesetzt werden“, so Professor Felfe. „Situation, Aufgabenart
und die verschiedenen Voraussetzungen der Mitarbeiter erfor-
dern unterschiedliches Verhalten – und das kann man lernen.
Den Studierenden will er Anwendungskompetenz vermitteln.
Sie schlüpfen in die Rolle von Beratern, müssen sich als Trainer
beweisen – im Seminarraum und beim Outdoor-Teamtraining.
Auch mit Forschungsthemen lockt Hochschullehrer Felfe. „Die
Bedeutung der Stimme ist zum Beispiel noch wenig erforscht“,
sagt er. „Und wie unterschiedliche Mitarbeiter jeweils auf das
Verhalten des Chefs reagieren, das bleibt eine spannende Frage.“
PROF. DR. JÖRG FELFE
Professur für Arbeits-, Organisations- und
Wirtschaftspsychologie
Helmut-Schmidt-Universität Hamburg
1...,48,49,50,51,52,53,54,55,56,57 59,60
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