Immobilienwirtschaft 2/2017 - page 11

11
0
2.2017
Die baupolitische Sprecherin der Links-
fraktion im Bundestag, Caren Lay, sieht
diese Positionen skeptisch. Um energe-
tische Sanierungen finanziell attraktiver
zumachen, möchten die Linken ein Fünf-
Milliarden-Euro-Programm in Form von
Zuschüssen oder steuerlichen Vergünsti-
gungen. Die Linksfraktion setzt grund-
sätzlich den Schwerpunkt auf den Miet-
wohnungsbau und spricht sich für einen
starken Staat aus, der Sozialwohnungen
baut und damit Viertel durchmischt.
„Dabei zielen Sozialwohnungen durchaus
auch auf die Mittelschicht ab“, erklärt Lay.
So sollten innerstädtische Lagen auch für
Normalverdiener möglich bleiben.
WIENER MODELL
Modell soll die Stadt
Wien sein, die sich traditionell zu einer
bezahlbaren Wohnraumversorgung für
verschiedene Einkommensschichten
bekennt. Die Stadt investiert hohe drei-
stellige Millionenbeträge jährlich für den
sozialen Wohnungsbau; Fehlentwick-
lungen gibt es zwar, insgesamt findet das
„Wiener Modell“ allerdings international
Beachtung als wirksames Mittel für eine
durchmischte wachsende Stadt.
Der soziale Gedanke durchzieht auch
die steuerpolitischen Pläne von Lays Frak-
tion: Die Grunderwerbssteuer etwa solle
sozial gestaffelt werden. Bund und Länder
sollten Modelle wie die Erbpacht fördern
und damit Normalverdiener ansprechen,
sagt die Sprecherin.
NEUE GEMEINWOHLORIENTIERUNG
SPD
und Grüne bewegen sich zwischen diesen
Polen. „Wir halten einen Steuerzuschuss
für wenig sinnvoll, weil dannWohnungen
an falschen Stellen entstehen“, erklärt der
baupolitische SPD-Fraktionssprecher,
Michael Groß. Er vertritt im Bundestag
den Wahlkreis Recklinghausen im Ruhr-
gebiet – wirtschaftliche Schlingerphasen
sind dem Politiker vertraut. Auch deswe-
gen tritt er für ein Modell ein, in dem der
Staat einen möglichst sicheren Rahmen
um die Lebenssituation seiner Bürger
zieht: Groß möchte eine „Gemeinschafts-
aufgabeWohnen“, mit einemBund, der bei
wohnungspolitischen Fragen als Entschei-
der mit im Boot bleibt. Der Fokus müsse
von der Subjekt- zur Objektförderung
wandern; Grundlage dafür sei ausreichend
Personal in den Landes- und Kommunal-
behörden, um Prozesse voranzutreiben.
Eigenheiminteressenten sollten mit
Investitionszuschüssen unterstützt wer-
den. Steuerliche Anreize kann sich Groß
allenfalls als geringfügig höhere lineare
Abschreibung vorstellen. Über die Frage
„Privat oder Staat“ hinweg wirkt die SPD-
Fraktion auf eine neue „Gemeinwohlori-
entierung“ hin, die ressortübergreifend
„die belohnen soll, die sich im Quartier
für bezahlbares Wohnen engagieren“, er-
läutert Groß.
Ganz ähnlich klingt seinKollege Chris
Kühn von den Grünen. „Wir wollen eine
neue Wohngemeinnützigkeit, die an den
in Deutschland bis 1989 ausgeübten Prin-
zipien sowie in Österreich angewandten
Strategien anknüpft, ohne Fehler der Ver-
gangenheit zu wiederholen“, sagt der bau-
politische Fraktionssprecher und spricht
damit aufgeblähte Verwaltungsstrukturen
undmangelnde Transparenz an. Dahinter
stehe die Idee, Steuerförderung imTausch
gegen bezahlbares Wohnen anzubieten,
verbunden mit einer Dauerbindung. Im
Detail denken die Grünen an Steuergut-
schriften sowie Teil-Erlasse, etwa bei den
Grunderwerbssteuern. Ein Zusammen-
wirken von Bund und Ländern kann sich
Kühn für die Zeit nach 2019, wenn der
Haushaltstitel sozialer Wohnraum weg-
fällt, so vorstellen: Der Bund gewährt
Steuererleichterungen, die Länder garan-
tieren sozialen Wohnungsbau.
Um Bauprozesse zu beschleunigen,
forciert Kühn neben Standardisierungen
wie einer länderübergreifenden Mus­
terbauordnung und einem Um-
SUMMARY
»
Zankapfel der Parteien ist der
Wohnungsneubau
. Soll es hier
Steuererleichterungen
geben? Wie sollen sie aussehen?
»
Im Blick stehen die
Entwicklungen im Land Berlin
.
»
Kommt das Verbot der
Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen?
»
Das Thema könnte auch auf Bundesebene zum Wahlkampfschlager taugen.
»
Auch
die ländlichen Räume
spielen zunehmend in den
Parteiprogrammen eine Rolle.
»
Foto: crazy82 / shutterstock.com
MITTELZENTREN STÄRKEN,
REALITÄTEN ERKENNEN
Nicht nur die Ballungszentren mit ihren
angespannten Wohnungsmärkten, auch
die ländlichen Räume und Heraus-
forderungen eines steiler werdenden
Stadt-Land-Gefälles spielen in den
Parteiprogrammen eine Rolle: Die CDU-
Abgeordnete Marie-Luise Dött etwa
erklärt: „Es geht darum, Menschen
gleichwertige Wohnbedingungen zu er-
möglichen.“ Sie verweist auf Beispiele
von Kleinstädten, in denen Familien
erfolgreich mit Kinderfreibeträgen und
anderen Vergünstigungen zum Bleiben
oder Wiederansiedeln bewogen wor-
den seien. Realität sei gleichwohl auch,
dass einzelne sehr kleine Siedlungen
auf Dauer nicht zu halten seien – hier
wiederhole sich die Geschichte, in
deren Verlauf immer einmal Orte
verschwunden und neue entstanden
seien, sagt Dött.
Die Grünen-Fraktion verfolgt ähnliche
Gedanken und spricht davon, gezielt
junge Familien zurück in die Ortsmit-
ten von ländlichen Zentren zu holen;
zeitgleich müsse die Infrastruktur
so ausgebaut werden, dass auch
Arbeitsplätze in der Umgebung mit
öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht
werden könnten. Mit diesen Vorstel-
lungen bewegen sich die Grünen nahe
an denen der SPD-Fraktion – auch der
Abgeordnete Groß verweist auf die
Bedeutung des öffentlichen Personen-
nahverkehrs in ländlichen Gebieten.
Die Linkspolitikerin Caren Lay würde
sich eher kommunale Investitionspro-
gramme für die Wirtschaft wünschen
und dabei gezielt auch schwache
Gegenden und Bereiche fördern. „Wir
wollen weg vom Fokus Stärken stärken
und eher Starke mit Schwachen kombi-
nieren“, sagt sie.
STADT-LAND-GEFÄLLE
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10 12,13,14,15,16,17,18,19,20,21,...76
Powered by FlippingBook