Immobilienwirtschaft 7/2017 - page 67

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Geschicke des Unternehmens mit leiten
zu können. Und last but not least führt der
Megatrend Digitalisierung dazu, dass sich
die Unternehmen grundlegende Gedan-
ken über die Arbeitsbedingungenmachen
müssen und über das Selbstverständnis
von Führungskräften, die sich letztlich
mehr denn je als Coach verstehenmüssen.
Was bedeutet das konkret?
Erstens
werden sich Arbeitslogiken verändern,
zum Beispiel durch vernetztes Arbeiten.
Zweitens treffenMenschen imArbeitspro-
zess immer weniger aufeinander, weil sie
von unterschiedlichen Orten aus arbeiten
können. Dies stellt Führungskräfte vor
besondere Herausforderungen, und da
ist natürlich HR gefragt. Um auf die erste
Frage zurückzukommen: Das war mit ein
Grund für die Etablierung des Ressorts.
Sie verantworten nun auch den Be-
reich „Compliance“. Welchen Vorteil
hat es, dass dieses Thema näher an HR
herangerückt ist?
Der kulturelle Aspekt
von Compliance gewinnt immer mehr an
Bedeutung. Wir möchten die Mitarbeiter
dafür sensibilisieren, dass Compliance
eine Funktion ist, die jeden angeht. Zu-
demwollen wir die Berührungsängste der
Mitarbeiter abbauen. Letztendlich möch-
ten wir eine eigene Compliance-Kultur
implementieren. Immer dann, wenn man
in die Kultur eines Unternehmens ein-
greift, ist man natürlich ganz schnell bei
den Bereichen HR und Kommunikation.
Es gilt, dieMitarbeiter mitzunehmen, und
da ist die Schnittstelle zuHR undKommu-
nikation sehr, sehr wichtig.
Ihr Unternehmen steht mitten in der
Transformation zum digitalen Asset-
und Investmentmanager. Welche Fol-
gen hat das auf die HR-Arbeit?
Den
Hauptbestandteil „digitale Transformati-
on“ kann man in drei große Blöcke ein-
teilen. Zum einen die strategische Blick-
richtung auf das Thema, wo es ganz klar
darum geht, Digitalisierungsansätze in
bestehenden Produkten, in bestehenden
Wertschöpfungsketten oder auch in neu-
en Produkten zu identifizieren und umzu-
setzen. Dann gibt es den technischen, den
IT-Bestandteil, also die Infrastruktur zu
schaffen und diese auch umzusetzen. Und
dann gibt es noch die kulturelle Transfor-
mation des Unternehmens.
Und vor welchen Herausforderungen
stehen Sie als Vorstand?
Ich bin für die
letztgenannte, die dritte Säule verantwort-
lich, denn die Digitalisierung wird zu
maßgeblichen Veränderungen in der Un-
ternehmenskultur führen. Diese kulturelle
Transformation zieht eine Veränderung
von bestimmten Einstellungen bei den
Mitarbeitern nach sich. Stichwort: agiles
Arbeiten in kurzen Sprints. Dabei geht es
in erster Linie darum, immer wieder die
Kundenperspektive einzunehmen. Das
ist heute State of the Art, und das müs-
sen viele Mitarbeiter lernen. Zudem wird
Ausprobieren wichtiger. Letztlich besteht
dieHerausforderung darin, dass eigentlich
keiner so genau weiß, wie das Zielbild für
die Commerz Real aussehen kann. Wir
nähern uns einem Zielbild nur dadurch
an, dass man Dinge immer wieder ver-
sucht und ggf. nachjustiert, so ein bisschen
in die Richtung „Trial and Error“.
Hierfür braucht es sicherlich auch eine
gewisse Fehlerkultur?
Richtig. Sie müs-
sen eine Fehlerkultur implementieren.
Dadurch ändert sich auch die Rolle der
Führungskräfte komplett: Deren Aufgabe
wird nicht mehr sein, Teams anzuleiten
und hierarchisch von oben zu steuern,
sondern sich eher als Coach zu verste-
hen, der dafür sorgt, die bestmöglichen
Arbeitsbedingungen für die Teams zu
schaffen. Das ist dann wieder ein klas-
sisches HR-Thema wie Führungskräfte-
qualifikation.
Welche Fachqualifikationen sind ge-
fragt?
Die Anforderungsprofile werden
sich natürlich verändern, und da ist die
Zielsetzung für uns, in erster Linie die ei-
genen Leute fit zu machen für die Digita-
lisierung. Gelingt dies nicht, dann werden
wir das Nachsehen haben, weil wir nicht
mehr wettbewerbsfähig sind. Und am
Ende des Tages werden auch die Mitar-
beiter das Nachsehen haben, weil sie selbst
nicht mehr marktfähig sind.
Wie digital ist denn Ihr Recruiting?
Da
leben wir noch etwas in der alten Welt.
Wir wickeln unser komplettes Recruiting
noch über eine normale Internetplattform
ab. Zwar nehmenwir auchwie diemeisten
Unternehmen Papierbewerbungen nicht
mehr an. Aber ich glaube, wir können
noch besser werden.
Es gibt Studien, die zeigen, dass viele
Immobilienunternehmen Social-Media-
Recruiting (noch) gar nicht einsetzen,
obwohl sie junge Mitarbeiter anspre-
chen möchten. Verspielt man damit
nicht eine wertvolle Chance?
Auf jeden
Fall. Wir sind in den gängigen Social-Me-
dia-Kanälen präsent und adressieren dort
auch entsprechende Ausschreibungen, die
für die Zielgruppe infrage kommen. Letzt-
endlich ist ein guter Mix aus analog und
digital sinnvoll.
ZUR PERSON
Sandra Scholz
(45) ist seit 2012 für die Commerz Real tätig und gehört seit dem 1. März 2017 zum Vorstand des
Unternehmens. Die bisherige Leiterin Human Resources und Communications ist im Vorstand neben diesem Bereich auch für Marketing und
Direktvertrieb, Compliance, Recht sowie das Investoren- und Anlegermanagement verantwortlich. Insgesamt ist die Betriebswirtin seit rund
20 Jahren für den Commerzbank-Konzern tätig. Außerdem war sie projektverantwortlich im Besetzungsprozess der Führungsmannschaft im
Rahmen der Fusion mit der Dresdner Bank. Scholz arbeitete zudem als persönliche Assistentin von Vorstandssprecher Klaus-Peter Müller und
beriet Auslandseinheiten und internationale Führungskräfte der Bank in Personalfragen.
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Laura Henkel, Freiburg
„Human Resources
gewinnt deshalb an
Bedeutung, weil sich die
Rahmenbedingungen
ändern, in denen wir als
Unternehmen agieren.“
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