Immobilienwirtschaft 10/2015 - page 93

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0.2015
KRAFT-WÄRME-KOPPLUNG
Verdrängung von Fernwärme
nach KWKG 2012
Verwaltungsgericht Frankfurt/M., Urteil vom
04.05.2015, Az. 5 K 2866/14.F
Das Verwaltungsgericht Frankfurt/M. hat
über eine Änderung der Verwaltungspraxis
des BAFA zur Verdrängung von Fernwärme
durch eine KWK-Anlage entschieden. Das
Bundesamt für Ausfuhr und Wirtschaftskon-
trolle (BAFA) ist die für die Umsetzung des
Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes zuständige
Behörde. Die Entscheidung des Verwal-
tungsgerichts (VG) beschäftigt sich auch
mit Auslegungsfragen im Spannungsfeld
zwischen KWK-Anlagen und der möglichen
Verdrängung von Fernwärme. Der grund-
sätzliche Fernwärmevorrang ist gegenwär-
tig in § 5 I, II KWKG 2012 geregelt. In den
Materialien zur Gesetzesbegründung des
KWKG 2012 finden sich über den Gesetzes-
wortlaut hinausgehende Tatbestandsmerk-
male, die dazu führen können, dass eine
bestehende Fernwärmeversorgung einer
Zulassung ebenfalls nicht entgegensteht.
Das Amt erkannte seit 2014 nur noch die-
jenigen Ausnahmetatbestände an, die aus-
drücklich im Gesetz genannt werden.
Das Verwaltungsgericht kommt zu dem Er-
gebnis, dass Entscheidungen aus der Zeit
vor der Änderung der Verwaltungspraxis
unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes
Bestand haben. Der Investor durfte mithin
auf den weiteren Vollzug dieser Verwal-
tungspraxis vertrauen.
PRAXIS
Eine wichtige Entscheidung im Um-
feld der KWK-Förderung zum gegenwärtig
gültigen KWKG 2012 und zum rechtsstaat-
lich garantierten Vertrauensschutz, hier in
Gestalt des Investitionsschutzes. Das Gericht
hatte jedoch nicht zu entscheiden, ob die
Änderung der Verwaltungspraxis des BAFA
an sich rechtmäßig war. Diese Frage bleibt
weiterhin offen. Im ersten Halbjahr 2016
soll ein novelliertes KWKG in Kraft treten.
HINWEIS
Das Urteil berührt die Fragestel-
lung, ob und unter welchen Vorausset-
zungen eine neue KWK-Anlage bei vorhan-
dener Fernwärmeversorgung förderfähig
ist und diese verdrängen darf. Die Privile-
gierung der Fernwärme verhindert Investi-
tionen in dezentrale Strukturen vor Ort und
zementiert bestehende Monopolstrukturen.
Sie erschwert zudem die Einführung neuer
Technologien. Im Rahmen der jetzt anste-
henden Novellierung des KWKG sollte dieser
Vorrang zurückgeführt werden, damit de-
zentrale Versorgungsstrukturen mit kurzen
Leitungswegen und somit geringen Netz-
verlusten realisiert werden können.
Aktuelles Urteil
Präsentiert von:
Werner Dorß,
Rechtsanwalt, Frankfurt/M.
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