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tenstädte ist dagegen von Geschosswohnbauten
und weitläufigen Parkanlagen geprägt.
Seine Renaissance verdankt der Begriff „Garten-
stadt“ dem akademischen Diskurs im Zukunfts-
labor „Gartenstadt 21“ (Gartenstadt des 21.
Jahrhunderts), das das Bundesinstitut für Bau-,
Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Frühjahr
2017 organisiert hat. Das Gartenstadtkonzept,
das dort diskutiert und weiterentwickelt wurde
(siehe Kasten auf dieser Seite unten), orientiert
sich nicht an der deutschen Gartenstadtidylle,
sondern an deren englischem Vorbild. Dort hat-
te Ebenezer Howard (1850-1928) Ende des 19.
Jahrhunderts als Gegenbild zu den Arbeiterslums
der Industriestädte ein Gartenstadtkonzept ent-
worfen, das autarke Städte mit Wohn-, Gewerbe-
und Grünanteil vorsah.
Nachhaltigkeit
Die Forderung nach einer Organisationsform, die
eine nachhaltige Entwicklung garantiert, ist nur
einer von vielen Punkten, die im Rahmen eines
Forschungsprojekts des BBSR aufgestellt wur-
den. Noch ist die Diskussion nicht abgeschlossen,
einig sind sich die Experten aber darin, dass an
Berlin die Forderung. „Die Gartenstadt muss dazu
beitragen, die Großstadtregion zu qualifizieren.“
Sie muss es umso mehr, da die Innenverdichtung
der Städte an ihre Grenzen stößt und das Bau-
en auf der grünen Wiese am Stadtrand und im
stadtnahen Speckgürtel kein Tabu mehr ist. Die
Fehler der Vergangenheit, nämlich der Bau mo-
nofunktionaler Siedlungen und Gewerbegebiete,
sollen nicht wiederholt werden.
Im Kern sind Howards Überlegungen also auch
heute noch aktuell und ausbaubar, auch wenn er
viele neue Herausforderungenwie die Integration
von Menschen verschiedener Kulturen nicht vor-
hersehen konnte. Er hatte die vielen Reformansät-
ze seiner Zeit, die das Wohnelend in den Slums der
englischen Industriestädte beseitigenwollten, zu
einem Modell zusammengefasst, dessen Charme
u. a. darin lag, dass es flexibel und entwicklungs-
fähig war – ein „workingmodel“, das auch für den
aktuellen Diskurs interessant ist. Howard ging es
weniger um die städtebauliche Gestalt der Gar-
tenstadt, auchwenn er beispielsweise einemehr-
geschossige Bebauung für sinnvoll hielt, sondern
vielmehr um die Frage, wie sich organisatorisch
langfristig – also nachhaltig – die Entwicklung der
Gartenstadt sichern ließ.
Organisationsform
Das „workingmodel“ betrifft demnachnicht nur die
städtebaulichen Elemente, die für die Gegenwart
neu interpretiert werden können, sondern auch die
Organisation dieser Siedlungen. Wenn bestimmte
Organisationsprozesse in der Siedlung institutio-
nalisiert werden –wie durch Kooperationsverträge
der Immobilienunternehmen, Nachbarschaftsver-
eine oder ein gemeinsames wohnungswirtschaftli-
ches Quartiersmanagement –, können sie sich
Urban Gardening in
Freiburg-Weingarten
Quelle: Holmer Stahncke
die neue große Wohnsiedlungen besondere An-
sprüche gestellt werden. „Sie dürfen sich nicht
länger selbst genügen, sondern müssen einen
Beitrag für die umliegenden Quartiere leisten“,
umriss Prof. Dr. Harald Bodenschatz von der TU
Obwohl die Debatte noch nicht abgeschlossen ist, haben Politik und Immobilienwirtschaft den
Begriff „Gartenstadt“ aufgegriffen und planen bereits in mehreren Städten eine „Gartenstadt
des 21. Jahrhunderts“. Dabei unterscheiden sich die Konzepte dieser „Gartenstadt 21“ durchaus.
Einige reflektieren den akademischen Diskurs, dessen aktueller Stand 2017 vom BBSR in zwei
Schriften veröffentlich wurde.
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Andere nehmen nur städtebauliche Elemente auf. Nicht berück-
sichtigt wird oft der Aspekt einer flexiblen Entwicklung. Gemeinsamer Nenner in den Planungen
sind die ausgedehnten öffentlichen Grünflächen. Und anders als in der herkömmlichen deutschen
Gartenstadt gibt es in der „Gartenstadt 21“ überwiegend Geschosswohnungsbau, wie er auch in
der ursprünglichen englischen Konzeption vorgesehen war.
Es fällt auf, dass die Politik den Bau einer „Gartenstadt 21“ immer dann favorisiert, wenn diese
auf der grünen Wiese entstehen soll. Nachdem das jahrzehntelang geltende Tabu, die Landschaft
nicht weiter zu zersiedeln, aufgrund der immensen Wohnbaubedarfe nicht länger gilt, stehen
Politik und Wohnungswirtschaft unter dem Zwang, eine qualitativ anspruchsvolle städtebauliche
Planung vorzulegen. Auf keinen Fall sollen Schlafstädte wie in den 1960er und 1970er Jahren
entstehen. Trotzdem ist der Bürgerprotest vorprogrammiert – und tatsächlich stehen solche Bau-
vorhaben häufig in der Kritik. In Berlin hat die rot-rot-grüne Koalition das Projekt „Gartenstadt
Elisabeth-Aue“ bereits gekippt (siehe DW 8/2016, S. 7).
Dabei stehe die „Gartenstadt 21“, wie sie im akademischen Diskurs entwickelt wird, nicht
zwangsläufig mit dem Bau auf der grünen Wiese in Zusammenhang, betont die Stadtplanerin
Claudia Dappen vom Bremer Büro BPW Baumgart + Partner: „Es ist vielmehr ein Konzept für
die Transformation vorhandener Quartiere.“ Die Gartenstadt müsse sich mit den umliegenden
Quartieren vernetzen und diese qualifizieren. Sie dürfe sich nicht, wie die monofunktionalen
Neubauviertel der Vergangenheit, selbst genügen. Das bedeute beispielsweise, so Dappen, dass
die öffentlichen Grünanlagen in ihren Dimensionen auch die Bedürfnisse der benachbarten Quar-
tiere berücksichtigten und die Siedlungen einen angemessenen Gewerbeanteil vorsehen.
DIE GARTENSTADT IM AKTUELLEN PLANERISCHEN DISKURS
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Gartenstadt 21, Bd. 1: Die Entwicklung der Gartenstadt und ihre heutige Relevanz; Bd. 2: Ein Modell der nachhalti-
gen und integrierten Stadtentwicklung. Hrsg.v. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Bonn 2017.