Die Wohnungswirtschaft 3/2018 - page 13

11
3|2018
Als Nächstes stellte eine Mieterin im Keller einen
Brennofen auf – die Töpferwerkstatt mit Töpfer-
kursen und Gratistöpfern für Kasernenbewohner
war geboren. Zudem betreiben die Mieter in Ei-
genregie ein Café und einen Umsonstladen, zie-
hen inMikrogärten unter Anleitung eines Gärtners
gemeinsam Tomaten und Paprika und geben in
der Foodsharing-Ausgabestelle kostenlos Lebens-
mittel, deren Ablaufdatum kurz bevorsteht, an
Bedürftige ab.
Was sind die bei Mietern und Wohnungsun-
ternehmen beliebtesten Sharing-Angebote?
In den Top Ten der Sharing-Angebote rangieren
Gemeinschaftsgärten sowie Gemeinschaftsräume
zum Feiern und für Veranstaltungen sowie ge-
meinschaftliche Wohnangebote wie Alten- und
Studenten-WGs ganz oben. Auch das Carsharing
hat sich in den vergangenen Jahren etablieren
können. Neuere Sharing-Ansätze wie Leih- und
Tauschbörsen oder Angebote imEnergie-, Ernäh-
rungs- oder Wissensbereich sind dagegen noch
unterrepräsentiert.
Folgen Wohnungsunternehmen, die so etwas
anbieten, nur einem Zeitgeist, der „Nutzen
statt Besitzen“ propagiert?
Nein, Sharing ist ein langfristiger Trend. Ge-
meinsame Wasch- und Trockenräume, Gemein-
schaftsräume zum Feiern oder Gästewohnungen
für auswärtigen Besuch bieten Genossenschaften
und kommunale Wohnungsunternehmen ja schon
seit Langem an. Diese traditionellen Angebote
werden am stärksten von Älteren und Familien
angenommen. Innovative Angebote wie Tausch-
und Leihbörsen oder Foodsharing, die jetzt noch
zarte Pflänzchen sind, werden künftig aber an
Bedeutung gewinnen. Das zeigt sich am Beispiel
des Carsharings, das für junge Leute, Familien
und Haushalte mit geringem Einkommen auch
deshalb interessant ist, weil sich damit Geld
sparen lässt.
Sharing-Angebote kosten Geld. Was be-
kommt ein Wohnungsunternehmen dafür?
Zufriedene Mieter und ein postitives Image auf
demWohnungsmarkt. Sharing-Angebote verbes-
sern die Bindung zwischen Mieter und Vermieter;
dadurch sinken Fluktuation und Leerstandsrate.
Zudem wird das Gemeinschaftsgefühl der Haus-
gemeinschaft gestärkt, was einem friedlichen
Zusammenleben förderlich ist.
Was kann ein Wohnungsunternehmen tun,
um die Kultur des Teilens unter seinen Mie-
tern zu fördern?
Es sollte immer ein offenes Ohr für die Bedürfnisse
der Mieter haben und mit ihnen diskutieren, wel-
che Angebote interessant sein könnten. Denn jede
Hausgemeinschaft ist anders. Ein Konzept, das in
dem einen Haus funktioniert, lässt sich nicht eins
zu eins auf ein anderes übertragen. Ob sich eine
lebendige Kultur des Teilens entwickelt, hängt al-
lerdings auch von der Einstellung des Wohnungs-
unternehmens selbst ab. Versteht es sich als Ak-
teur und Unterstützer, können Sharing-Angebote
durchaus zum Selbstläufer werden.
Machen Sharing-Angebote das Wohnen in
der Stadt bezahlbarer?
Dafür ist Zürich ein gutes Beispiel. Wer dort lebt,
hat entweder viel Geld oder wohnt in einer Ge-
nossenschaftswohnung, denn die innovativsten
Akteure auf dem äußerst engen Züricher Woh-
nungsmarkt sind Genossenschaften. Die Woh-
nungen in den Genossenschaftsprojekten Kalk-
breite und Hunziker Areal sind vergleichsweise
klein; dafür teilen sich die Bewohner beispiels-
weise eine große Küche. In der Mobilitätsstation
Hunziker Areal kann man sich vom E-Bike übers
Lastenrad bis zum Elektroauto alle möglichen
Fahrzeuge ausleihen. Ein eigenes Auto darf man
dort allerdings nicht besitzen. Dafür sind die
Wohnungsmieten ein Drittel niedriger als auf
dem privaten Wohnungsmarkt.
Vielen Dank für das Interview.
Die Fragen stellte Hartmut Netz.
Interview mit Prof. Dr. Heidi Sinning
„Zufriedene Mieter und ein positives Image“
Im Jahr 2016 befragte das Institut für Stadtforschung, Planung und Kommuni-
kation (ISP) der Fachhochschule Erfurt in Zusammenarbeit mit der Bergischen
Universität Wuppertal rund 2.000 Wohnungs- und Immobilienunternehmen zu
ihren Sharing-Angeboten und den damit gemachten Erfahrungen. Die Leiterin
des Instituts spricht über zufriedene Hausgemeinschaften, traditionelle und
innovative Sharing-Angebote und neue Entwicklungen in der Schweiz.
Teilen als Wohnprinzip
„Die meisten Projekte werden nach einer Anlauf-
phase von den Bewohnern getragen“, erläutert
Stoodt das Sharing-Prinzip der GSW, das ganz auf
die Initiative der Mieter setzt. „Wer eine Idee hat,
kann sich an uns wenden. Wir helfen bei der Rea-
lisierung.“ Den Raum für den Umsonstladen hat
die GSW beispielsweise mietfrei zur Verfügung
gestellt. Zwar koste die Kultur des Teilens, die
sich über die Jahre unter den Kasernen-Bewoh-
nern entwickelt habe, manchmal etwas Geld, sagt
Stoodt: „Doch das wird durch die Zufriedenheit
unserer Mieter mehr als aufgewogen.“ Auch in
anderer Hinsicht lohnt sich die Aufgeschlossen-
heit der GSW: Leerstand und Vandalismus sind
kein Thema in den Pendleton Barracks.
Weitere Informationen:
gsw-giessen.de/wohnprojekt-pendleton
Neubau und Sanierung
Energie und Technik
Rechtssprechung
Haufe Gruppe
Markt undManagement
Stadtbauund Stadtentwicklung
1...,3,4,5,6,7,8,9,10,11,12 14,15,16,17,18,19,20,21,22,23,...84
Powered by FlippingBook