8
3|2018
STÄDTEBAU UND STADTENTWICKLUNG
Quelle aller Fotos: Rolf Wegst
Hartmut Netz
freier Journalist
München
Sharing-Angebote in der Wohnungswirtschaft
Pendleton Barracks Gießen – Sharing-Kultur in der Kaserne
Zunächst schien es nur eine Idee ohne Aussicht auf Verwirklichung: gemeinschaftliches Wohnen in einer
ehemaligen Kaserne, Sozialmieter und Studenten-WGs Tür an Tür. Mit Hilfe der Stadt Gießen und des
hessischen Wissenschaftsministeriums wurden die Pendleton Barracks zu einer Siedlung mit günstigem
Wohnraum für Studenten und Familien – mit Mietercafé, Töpferwerkstatt und Kletterbunker. Eine lebendige
Gemeinschaft entwickelte sich, für die das Prinzip „Teilen statt Besitzen“ selbstverständlich wurde.
Gießen wurde im Mittelalter als Militärstütz-
punkt des Grafen von Gleiberg gegründet und
ist seither eine vom Militär geprägte Stadt. Die
Bleidorn-Kaserne, erbaut als Artilleriekaserne
für pferdebespannte Geschütze, war nur einer
von mehreren Militärkomplexen, die die Nazis
in den Jahren 1935 bis 1938 in der Stadt errich-
teten oder ausbauten. Anders als der historische
Stadtkern Gießens, den die britische Luftwaffe im
Dezember 1944 in Schutt und Asche legte, über-
standen die Militärbauten den Weltkrieg ohne
größere Schäden. Als im April 1945 die Ameri-
kaner die Stadt besetzten, requirierten sie die
Bleidorn-Kaserne für ihre Zwecke und benannten
sie nach einem ihrer Kriegshelden in Pendleton
Barracks um.
Neues Leben in historischen Kasernenbauten
1992, mit dem Abzug der Amerikaner, brach für
das Kasernengelände eine neue Ära an. Initiati-
ven aus dem studentischen Milieu entwickelten
ein Konzept für den Umbau der Kaserne in Sozi-
al- und Studentenwohnungen. Dazu muss man
wissen, dass Gießen als Universitätsstadt mit
der höchsten Studentendichte in ganz Deutsch-
land gilt: Von heute rund 84.000 Einwohnern
studieren etwa 37.000 an den fünf Hochschul-
einrichtungen der Stadt. „Wir wollten Wohnraum
schaffen für eine Klientel, die sich auf dem frei-
en Wohnungsmarkt schwer tut“, erinnert sich