20
7|2018
Interview mit Frank Emrich
„Wir agieren vor Ort, bleiben vor Ort
und werden immer die wichtigsten
Akteure im Stadtumbau sein.“
Die Thüringer Wohnungswirtschaft hat einen neuen Verbandsdirektor: Seit Februar 2018 steht
Frank Emrich an der Spitze des Verbands Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e.V. (vtw).
Welche Bilanz zieht der ehemalige Sparkassenvorstand, seit er den Direktorenposten übernommen hat?
Quelle: vtw
Herr Emrich, seit gut sechs Monaten sind
Sie im Amt. Kann man da schon ein kleines
Resümee ziehen? Wie war der Wechsel von
der Bankenwelt in die Wohnungswirtschaft?
Natürlich sind die ersten Wochen und Monate in
einem neuen beruflichen Umfeld sehr intensiv.
Neue Abläufe, neue Netzwerke, neue Inhalte,
viel zuhören – das alles strömt auf einen ein und
macht so einen Neustart zu einer spannenden
Sache. Und das meine ich wörtlich: Ich empfin-
de meine Arbeit als ungeheuer spannend. Woh-
nungswirtschaft steht in Beziehung zu allen
gesellschaftlichen, kulturellen und politischen
Fragen. Wohnen bewegt Menschen existenziell
– alles was ich, was wir als Verband tun, erfährt
unmittelbares Feedback und hat breite Auswir-
kungen. Dienstleister zu sein für Kunden, sprich
Mitgliedsunternehmen, steht da wie dort imMit-
telpunkt. Die Interessenvertretung in Politik und
Öffentlichkeit nimmt in meinem jetzt Job einen
größeren Raum ein als in der Sparkassenwelt,
macht aber auch viel Spaß.
Angespannte Wohnungsmärkte und wach-
sende Städte einerseits, strukturschwache
und von Abwanderung geprägte Regionen
andererseits – die Situation für die Thüringer
Wohnungsunternehmen könnte einfacher
sein. Was können sie leisten, wo sind Grenzen?
Die Frage hat für mich zwei Aspekte. Unsere
Unternehmen mit ihrer Stärke und Marktdurch-
dringung – jeder zweite Thüringer Mieter wohnt
bei uns – bilden einen zentralen Pfeiler in beiden
Segmenten. Als kommunale und genossenschaft-
liche Wohnungsunternehmen agieren wir auf Ba-
sis unserer Eigentümerstruktur als Verbündete
der Städte und Gemeinden. Wir sind einerseits
mit unseren moderaten Mieten für die Städte die
faktische Mietpreisbremse und ein Garant für
die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum. In
den ländlichen Regionen kommen wir durch die
Abwanderung zwar teilweise unter Druck, stel-
len hier aber andererseits durch unsere breite
Präsenz auch einen – wenn nicht den – gestal-
terischen Partner aus der Immobilienwirtschaft
für die Entwicklung des ländlichen Raumes dar.
Wir können in beiden Situationen unsere Stärken
ausspielen, wenn Politik und Verwaltung unsere
Rolle amWohnungsmarkt erkennen und uns gute
Rahmenbedingungen geben. Das fängt bei der
Bereitstellung von preiswertem Bauland in den
Städten an und hört bei sinnvollen Konzepten
für den ländlichen Raum auf. Wir können aber
nicht zaubern und sind genauso zu wirtschaft-
lichem Handeln gezwungen wie alle anderen
Marktteilnehmer.
Als Verband sind wir der stärkste Vertreter der
Immobilienwirtschaft in Thüringen – mit starken
Mitgliedern, einer hohen Marktdurchdringung
und der gebündelten Kompetenz auf Landes-
ebene. Wir können und werden dieses Potenzial
nutzen, um Politik stärker zu begleiten und zu be-
raten. Wir stoßen an Grenzen, wenn eine Abkehr
von Realpolitik hin zu taktisch-ideologischem
Kalkül im politischen Raum stattfindet.
Die Stabilisierung ländlicher, schrumpfen-
der Regionen ist ein wichtiger Aspekt
Ihrer Verbandsarbeit. Welche Neubau-
und/oder Qualifizierungskonzepte sind
dafür notwendig?
Wohnungswirtschaftlich gesehen bewegenwir uns
im Spannungsfeld von bedarfsgerechtem Neubau
THEMA DES MONATS
STÄDTEBAU UND STADTENTWICKLUNG
„Wohnungswirtschaftlich gesehen bewegen wir uns im Spannungsfeld von
bedarfsgerechtem Neubau respektive Sanierung und Rückbau. Wir benötigen
in großem Umfang seniorengerechten, barrierefreien Wohnraum. Wir müssen
aber gerade auch junge Leute und Familien auf dem Land halten. Auch dafür
brauchen wir bedarfsgerechte Konzepte.“