Die Wohnungswirtschaft 7/2018 - page 13

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schäftsführer der Bauhilfe Pirmasens GmbH, gerne
zusammen, was in den zurückliegenden Jahren
die Herausforderung war. Seit den 1970er Jah-
ren leidet die kreisfreie Stadt in Rheinland-Pfalz
unter einem Bevölkerungsrückgang. Die Stadt ist
um ein Drittel geschrumpft und hat heute um die
41.000 Einwohner. Erst seit 2015 gelingt es, die
Einwohnerzahl zu stabilisieren. Das steht damit im
Widerspruch zu Expertengutachten, die Pirmasens
bis 2030 einen weiteren Aderlass von fast 11%
prophezeien.
Für die städtische Bauhilfe – mit 2.054 Wohnun-
gen größter Vermieter in der Region – ist der Rück-
gang der Einwohner seit Jahrzehnten die größte
Herausforderung (anders als bei der mit 160Woh-
nungen recht kleinen Gemeinnützige Spar- und
Baugenossenschaft eG). Stegner: „Vor zehn Jahren
stand bei uns fast jede fünfte Wohnung leer. Zu-
dem ist die Kaltmiete imDurchschnitt sehr niedrig.
Bei Sozialwohnungen liegt sie seit über 15 Jahren
gleichbleibend bei 3,58€/m
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.“ Auf diese somit
auch betriebswirtschaftlich schwierigen Rahmen-
bedingungen „mussten wir eine Antwort finden,
um dauerhaft guten und bezahlbaren Wohnraum
anbieten zu können.“ Ziel sei gewesen, gemeinsam
mit der Stadt Pirmasens wieder Akzente für eine
positive Stadtentwicklung zu setzen. „Das ist uns
insgesamt gelungen. Wir sind durch die Talsohle
durch und können heute wieder positiv nach vor-
ne schauen“, sagt Stegner. Und das, obwohl auch
heute noch 14% der Wohnungen leerstehen und
der kommunalen Gesellschaft damit pro Jahr etwa
960.000 € fehlen.
Mehr Dialog sorgt für mehr Bindung
Woher nimmt Stegner den Optimismus? Er geht
ins Detail. „Wir haben seit 2005 unseren gesamten
Wohnungsbestand genau unter die Lupe genom-
men und ein detailliertes Portfoliomanagement
entwickelt. Seitdem haben wir auch etwa 600
Wohnungen abgerissen oder teilweise verkauft.
Der wichtigste Schritt war, dass wir einen Kern-
bestand von 1.500 Wohnungen mit guten Ent-
wicklungsperspektiven definiert haben, der seit-
dem gezielt von uns bearbeitet wird.“ Mit Erfolg.
Bei diesen Wohnungen konnte der Leerstand auf
6,8% gesenkt werden. Weitere Ansätze waren,
hochwertige Wohnungen mit höheren Mieten
am Markt zu platzieren sowie nur noch Kom-
plettsanierungen im Kernbestand vorzunehmen
und dabei auch die Mieter von Beginn an zu be-
teiligen. Stegner: „Wir suchen den Dialog. Damit
haben wir eine viel bessere Mieterbindung und
Zufriedenheit erreicht.“ Auchwurden die internen
Prozesse umgestellt und alle Aktivitäten werden
heute nicht mehr aus technischer Sicht, sondern
mit Blick auf den Markt angegangen. Pro Jahr
werden etwa 3 Mio. € für Instandhaltungen und
Modernisierungen ausgegeben.
Neue Wohnformen erfolgreich umgesetzt
Ein weiterer Baustein ist die Schaffung von neu-
en Wohnformen. „Wir haben gemeinsam mit
erfahrenen Partnern sowohl Objekte für alters-
gerechtes und barrierefreies Wohnen umgesetzt
als auch Wohnformen mit inklusivem Charakter
geschaffen“, so Stegner, der seit 2003 an der
Spitze der Bauhilfe steht. Bestes Beispiel für die-
ses „Zielgruppen-Wohnen“ sei das generationen-
übergreifende Wohnangebot „PS:patio!“, das ge-
meinsammit der Stadt und demDiakoniezentrum
umgesetzt wurde. Stegner: „Das hat sich zu einem
der attraktivsten Wohnquartiere in Pirmasens
entwickelt – mit bundesweiter Bekanntheit.“
Insgesamt sei es gelungen, das Miteinander in
Nachbarschaften zu stärken. „Noch in diesemJahr
werden wir auch einen ersten Nachbarschafts-
treff fertigstellen, um den Zusammenhalt weiter
zu fördern.“ Auch die Integration von Flüchtlingen
sei gut gelungen. „Wir haben mit viel Begleitung
etwa 100 Mietverhältnisse mit diesen Menschen
geschlossen und die Integration hat gut funktio-
niert“, so Stegner. Zudem sei der Service für die
Mieter ausgebaut worden. „Wir bieten heute einen
Rund-um-die-Uhr-Notdienst und unsereMitarbei-
ter helfen unseren Mietern in vielen Fragen des
Alltags weiter“, betont er.
Bis 2030 weiter gezielt investieren
Für Stegner ist klar, dass in den nächsten Jahren
weitere Schritte gegangen werden müssen. „Wir
erarbeiten gerade die Strategie, wie wir uns bis ins
Jahr 2030 aufstellen wollen. Unser Ziel ist es,
Mit der Entwicklung neuer Wohnformen und Quartiere – hier das generationenübergreifende Angebot
„PS:patio!“ – hat sich die Bauhilfe Pirmasens neue Zielgruppen erschlossen
Vier Jahrzehnte des kontinuierlichen Bevölkerungsrückgangs liegen hinter der Stadt Pir-
masens. Als Gründe für die Abwanderungen werden der Wandel in der Schuhindustrie –
etwa 20.000 Menschen arbeiteten in der Spitze in der Schuhherstellung –, der Abzug der
US-Streitkräfte mit einem Verlust an Arbeitsplätzen und Kaufkraft und die ungünstige
infrastrukturelle Anbindung genannt. Zeitweise hatte die Stadt eine Arbeitslosenquote
von 20%. Erst seit 2011 konnte durch zahlreiche Aktivitäten der Abwärtstrend gestoppt
werden. Mit einer langfristigen Strategie setzte die Stadt positive Impulse. So wurden
Investoren gewonnen, die in der Stadt neue Wohnungen und andere Immobilien bauten.
Die Stadt stellte ihre Wirtschaftsförderung neu auf und erreichte, dass sich 120 Firmen
auf dem Areal der US-Kaserne ansiedelten. Zudem gelang es, den Bahnhof wieder zu
beleben und als klimafreundliche Kommune voranzugehen. Weitere Akzente sind die
Schaffung einer „Wissensfabrik“, die Eröffnung einer Jugendherberge in 2019 und die
Aktivierung der Innenstadt und des Einzelhandels durch ein gezieltes Förderprogramm.
PIRMASENS: ABWÄRTSTREND GESTOPPT
Quelle: Bauhilfe Pirmasens
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