STÄDTEBAU UND STADTENTWICKLUNG
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November 2010 Bewohner, Wohnungsunterneh-
men, Gewerbetreibende, Lokalpolitiker und Pla-
ner. Gemeinsamerarbeiteten sie einenMasterplan
und eine Vorstellung, wie die Gartenstadt Drewitz
tatsächlich aussehen sollte. Dabei machten Planer
und Politiker die Erfahrung, dass die Bewohner
Lösungen vorschlugen, an die sich die Planer aus
Angst vor der Reaktion der Bewohner nie heran-
gewagt hätten. Durch die Wahl einer Bürgerver-
tretung und die Schaffung von Gremien, in denen
die Bewohner Platz und Stimme hatten, konnte
die Mitarbeit der Drewitzer bis heute gesichert
werden.
Die Umwandlung der überdimensionierten Dre-
witzer Hauptverkehrsstraße Konrad-Wolf-Allee
in einen Park mit Naherholungsfunktion ist das
Schlüsselprojekt des Entwicklungskonzeptes.
Der Park bietet unter dem Motto „Bewegte
Wege“ eine Folge von Erlebnisräumen mit Klet-
terfelsen, generationenübergreifenden Spiel-
und Sportangeboten sowie einem Wasserspiel.
Um ihn zu errichten, wurden 2,5 ha Fahrbahn
entsiegelt und anstelle der Straße 133 Bäume
gepflanzt. Hinzu kamen 22.500 Sträucher und
2.700 Stauden. Die Anlage wird ergänzt durch
eine grüne Promenade, die in nordwestlicher
Richtung verläuft und den Konrad-Wolf-Park im
rechten Winkel kreuzt. Sie verbindet die beiden
Stadtteilhälften, die einst durch die Hauptstraße
getrennt waren. Die verkehrsberuhigte Promena-
de ordnet die Wegebeziehungen neu, sie wird zur
Hauptachse, um zum Park, zur Tram oder zu den
Einkaufsmöglichkeiten im Stadtteil zu gelangen.
Da, wo sich die Achsen des Parks und der Prome-
nade kreuzen, ist ein Stadtplatz mit Wasserspiel
und Spielplatz entstanden. Demnächst wird hier
ein Café gebaut.
Mit dem „Grunen Kreuz“ wurden die Lärm- und
Schadstoffemissionen imStadtteil erheblich ver-
mindert und die klimatische Situation verbessert.
Zugleich wurde die Wohnbebauung entlang des
ehemaligen Straßenverlaufs aufgewertet: Aus
einer der bisher ungunstigsten wurde so eine der
besten Wohnlagen im Gebiet.
Wohnen statt rasen
Um die Hauptstraße in eine Grünanlage umzu-
bauen, war die grundlegende Neuordnung des ru-
henden und fließenden Verkehrs erforderlich. Zu
diesem Zweck wurde der Durchgangsverkehr für
Kraftfahrzeuge weitgehend unterbunden: Es ist
zwar nicht unmöglich, die Siedlung zu durchque-
ren, aber es ist unbequem und setzt die Kenntnis
des Gebietes voraus. ImErgebnis verringerte sich
das Aufkommen des Autoverkehrs um 37%. Auch
die zahlreichen Stellplätzemusstenweichen, was
die Einführung einer Parkraumbewirtschaftung
erforderte. Auch sie trägt erheblich zur Verkehrs-
beruhigung bei: Weil jeder seinen Platz sicher hat,
entfällt jeder Suchverkehr. Das dient gleicherma-
ßen der Verkehrssicherheit und der Verringerung
des CO
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-Ausstoßes. Das Konzept selbst wurde von
Vertretern der Potsdamer Stadtverwaltung, der
Bürgervertretung Drewitz und der ProPotsdam
GmbH erarbeitet. Die Vergabe der Stellplätze er-
folgt nach sozialen Kriterien, wie Anzahl der Kin-
der im Haushalt, Behinderungen, altersbedingte
Beeinträchtigung oder auch Wohndauer.
Der im Juni 2014 eröffnete Konrad-Wolf-Park
hat alle Funktionen der öffentlichen Naherholung
aufgenommen, die bislang auf die verschiedenen
Wohnhöfe verteilt waren. Künftig müssen nicht
mehr alle Höfe allen Bewohnern des Gebietes of-
fenstehen. So wurde der Weg frei zu deren Um-
wandlung in private und halbprivate Bereiche,
die denMietern der umgebendenWohnbebauung
vorbehalten bleiben. In den geschützten Höfen
entstehen nach und nach Einzel- und Gemein-
schaftsgärten, die Identität, Kommunikation und
Integration fördern.
Die Gartenstadt Drewitz schafft einen barrierefrei-
en und leistungsstarken Stadtraum. Mit der Anlage
des aus Park und Promenade bestehenden „Grünen
Kreuzes“ werden mehr als 1.000 Wohnungen an
ein barrierefreies Wegesystemangeschlossen, das
Einkaufsmöglichkeiten, Haltestellen des Nahver-
kehrs, Gastronomie, Arztpraxen und grüne Erho-
lungsbereichemiteinander verbindet. AuchMen-
schen mit körperlichen Einschränkungen können
hier ihren Alltag ohne fremde Hilfe organisieren,
weil alles barrierefrei zu erreichen ist. So macht
die Gartenstadt Drewitz das Wohnen ohne Auto
möglich und attraktiv.
Die überzeugenden neuen Qualitäten des Wohnor-
tes gestatten es nun, das Wohnen ohne ein eigenes
Auto aktiv zu bewerben. Die ProPotsdam GmbH
setzt diese Idee exemplarisch umund unterbreitet
seit 2012 ein Vermietungsangebot, das Wohnen
und Mobilität miteinander verbindet: Neumieter
einer 1- oder 2-Raum-Wohnung erhalten zum
Mietvertrag ein Jahresticket für Bus und Tram.
Seit Beginn der Einführung des Bonusprogramms
wurden mehr als 160 solcher Mietverträge abge-
schlossen.
Gebäudesanierung und Mieterbindung
Die städtebauliche Intervention wird begleitet
von umfänglichen Investitionen in die Sanierung
der Wohngebäude. Etwa 600Wohnungenwurden
bislang energetisch und sozialverträglich saniert.
Der ProPotsdam gelingt es, energetisch ertüch-
tigte, barrierefrei und mit Aufzug erschlossene
Wohnungen für 5,50 €/m
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Miete anzubieten. Das
Angebot überzeugt und bindet dieMieter: In 90%
der sanierten Wohnungen der ProPotsdam leben
auch nach der SanierungMieter, die schon vor Be-
ginn der Baumaßnahme im Stadtteil lebten. Das
Versprechen, die Bewohner durch die Entwicklung
des Stadtteils nicht zu verdrängen, wird damit
eingelöst. Nachdem die Potsdamer Wohnungs-
genossenschaften die Sanierung ihrer Bestände
in Drewitz größtenteils abgeschlossen haben, zie-
hen nun auch die privaten Unternehmen nach und
beginnen 2017, ihre Bestände zu modernisieren.
Bis 2025, so die aktuelle Schätzung, werden die
Investitionen eine Höhe von mehr als 300 Mio. €
erreicht haben.
Energetisch saniert wurde auch die soziale In-
frastruktur. Dabei sollte sich die Sanierung der
Grundschule als Glücksfall erweisen. Hier wurde
eine Stadtteilschule geschaffen, die unter ihrem
Das Gebäude der Stadtteilschule beherbergt auch das Begegnungszentrum Oskar
Quelle: ProPotsdam, Foto: Adam Sevens