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Standort anzufangen. Eingeklemmt zwischen
Autobahn und Einkaufscenter erschien das Ge-
biet chancenlos. Zeitweise dachteman sogar über
Abriss nach, aber wegen der herrschendenWohn-
raumknappheit erschien ein Rückbau nicht sinn-
voll. Gegen Ende der ersten Dekade der 2000er
zeichnete sich ab, dass die in die Jahre gekom-
menenWohnhäuser modernisiert werdenmüssen.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt kam die Frage
auf, wie und wohin die Wohnungswirtschaft die
Drewitzer Bestände entwickeln will. Wie können
3.000 Wohnungen in einem städtebaulich unzu-
länglichen, sozial verworfenen und infrastruktu-
rell defizitären Stadtteil zukunftsfähig entwickelt
werden? Und wie kann der Stadtteil aufgewertet
werden, ohne dabei die angestammte Bewohner-
schaft zu verdrängen?
Wohnungsunternehmen ergreifen Initiative
Die kommunale Immobilienholding ProPotsdam
GmbH, diemit rund 1.600Wohnungen der größte
Eigentümer in Drewitz ist, stieß 2009 den Umbau
der Siedlung an. Nach jahrelanger Ideensuche, die
das Unternehmen in Kooperationmit verschiede-
nen Hochschulen interdisziplinär vorangetrieben
hatte, gab der bundesweite Wettbewerb „Ener-
getische Sanierung von Großsiedlungen auf der
Grundlage von integrierten Stadtentwicklungs-
konzepten“ den letzten Anstoß, Nägel mit Köpfen
zu machen: Die ProPotsdam ließ fur den Stadt-
teil ein Entwicklungskonzept erarbeiten, das fur
das „defekte“ Quartier eine grune Zukunft als
modern interpretierte Gartenstadt vorsieht.
Die energetische Sanierung der Gebäude sollte
mit einem radikalen Umbau des Freiraums und
des Verkehrssystems verbunden werden. Die Be-
grünung von Straßen, der Neubau vonWohnungen
und die Schaffung adäquater sozialer Infrastruktur
waren die wichtigsten Bausteine dieses Konzeptes.
Unter dem Titel „Energetisch stark – energisch
grün“ wurde es von der Wettbewerbsjury für gut
befunden. Ihrer Empfehlung zur Umsetzung folg-
ten die Stadtverordneten der Landeshauptstadt
Potsdam im Januar 2010 und fassten einstimmig
einen entsprechenden Beschluss.
Allerdings war die Realisierung leichter empfoh-
len und schneller beschlossen als getan. Denn vor
Ort schlug das Konzept erst einmal hohe Wellen.
Besonders erregte es die Gemuter der fast 6.000
Drewitzer, dass anstelle der Hauptstraße und der
zahlreichen Pkw-Stellplätze ein Park angelegt
werden sollte. Die harsche Kritik, die sich in Ver-
anstaltungen tumultartig ausdrückte, und ein paar
kommunikative Ungeschicktheiten gefährdeten
das Projekt, ehe es richtig starten konnte. Ein auf-
wendiges, vierstufiges Werkstattverfahren half,
die Situation zu entschärfen. Es vereinte ab
Blick auf die Konrad-Wolf-Allee 2012 (o.) und den neu angelegten Konrad-Wolf-Park
2014 (u.): Grünflächen, Bäume und Gehwege verbessern die Aufenthaltsqualität
Quelle: ProPotsdam, Foto: Ulf Böttcher
Quelle: ProPotsdam, Foto: Adam Sevens
man nach langer Pause erst 1991 fertiggebaut.
Obwohl sie schonmit Westgeld finanziert wurden,
konnten auch sie die Wucht der Monotonie kaum
mindern, das städtebauliche Ärgernis nicht repa-
rieren. Und es kam noch schlimmer: Als 1997 in
der Nachbarschaft eines der größten Brandenbur-
ger Einkaufscenter eröffnete, sog es die Kaufkraft
der Drewitzer auf. Die wenigen Läden entlang der
wichtigsten Straßemachten dicht. Der gerade erst
aufwändig überdachte Marktplatz verwaiste.
Erosion oder Aufwertung?
Wenig später begann die soziale Erosion des Stadt-
teils: Viele der bisher für Drewitz typischen finanzi-
ell gut ausgestatteten Familienhaushalte und gut-
verdienende Paare zogen fort. Ihren Platz nahmen
Familien ein, zu deren Alltag schlecht bezahlte Jobs
oder gar Arbeitslosigkeit gehörten. Gewachsene
Nachbarschaften bröckelten, die Menschen wur-
den einander fremd. Der Tonwurde rauer und Fälle
von Drogenmissbrauch, Gewalt und Vandalismus
häuften sich. Den Problemen stand eine völlig
unzureichende soziale Infrastruktur gegenüber:
Zwar gab es schon damals ausreichend Schulen und
Kitas, aber keinerlei Beratungsangebote, Möglich-
keiten der Weiterbildung oder Arbeitsförderung,
nicht einmal einen Ort, wo sich Nachbarn in ihrer
Freizeit treffen könnten.
Potsdams Wohnungswirtschaft, aber auch die
Stadtverwaltung wussten lange nichts mit dem