DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT6/2017 - page 12

STÄDTEBAU UND STADTENTWICKLUNG
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6|2017
Stattauto. Wegen der hohen Nachfrage habe man
den Pkw-Bestand erst kürzlich von fünf auf sieben
Fahrzeuge erhöhen müssen. Dabei soll es nicht
bleiben: Eine zweite Carsharing-Station ist in der
Nordhälfte des Quartiers geplant.
Der Gedanke dahinter: Sind in der unmittelbaren
Nachbarschaft Carsharing-Fahrzeuge verfügbar,
ist das Stadtzentrummit Bus und Bahn gut erreich-
bar und liegen zudem Supermarkt, Kindergarten
und Schule in fußläufiger Entfernung, wird der
eigene Pkw vielleicht entbehrlich. Gibt es darüber
hinaus noch eine zentrale Paketstation, die die
Lieferwagen der Paketdienste abfängt, die sonst
mit ihren online bestellten Waren ständig durchs
Viertel brausen würden, könnte der Autoverkehr
in Grenzen gehalten und die Aufenthaltsqualität
auf Straßen und Plätzen gesteigert werden. „Der
öffentliche Raum im Domagkpark soll den Men-
schen gehören“, sagt Maria Knorre. Ob sich ihre
Hoffnung erfüllt, wird die Zukunft zeigen, doch
die Zeichen dafür stehen gut.
Das Konsortium Domagkpark besteht aus
sehr unterschiedlichen Bauherren.
Was ist die verbindende Idee?
Unser gemeinsames Ziel war es, schon frühzei-
tig Einfluss auf das Wohnumfeld zu nehmen, die
Bewohner in den Entstehungsprozess des Vier-
tels einzubeziehen und ein intaktes Quartier auf
die Beine zu stellen. Motor des Konsortiums sind
Baugemeinschaften und Genossenschaften, die
insgesamt 40% der Fläche bebauen. Die Bauher-
ren mögen zwar unterschiedlich sein, doch die
Schnittmenge ist groß.
Wie bekommen Sie die Bewohner
mit ins Boot?
Das Viertel ist erst zur Hälfte bezogen. Elementare
Themen wie Schule, Kindergarten oder Nahver-
sorgung sind deshalb von hohem Interesse. Dazu
informieren wir auf Treffen und im Internet.
Im Grunde genommen geht es darum, die Men-
schen zusammenzubringen. Als zentrales Medi-
um für Informationen, Veranstaltungen und ge-
meinsame Aktivitäten dient der Internetauftritt.
Weiteres verbindendes Element sind die vielen
Gemeinschaftsräume, die sehr gut angenommen
werden.
Man kocht gemeinsam oder feiert Kinderpartys.
Das bringt Leben ins Viertel und fördert den nach-
barschaftlichen Zusammenhalt.
Wie äußert sich nachbarschaftlicher
Zusammenhalt?
Beispielsweise darin, dass die Bewohner einen
Raum in Eigenregie als Kasino eingerichtet ha-
ben, komplett mit Getränkeausgabe und Sitzge-
legenheiten. Dort kann man sich auch aufhalten,
ohne konsumieren zu müssen. Das Kasino dient
als niederschwelliger Treff für selbst organisierte
Angebote im Quartier. Außerdem sind Neigungs-
gruppen entstanden, in denen engagierte Be-
wohner thematisch arbeiten; sich beispielsweise
Gedanken über die Begrünung des öffentlichen
Straßenraums machen.
Der Straßenraum soll nicht nur grün, sondern
auch möglichst frei von Autoverkehr sein.
Welches Konzept steckt dahinter?
Der Domagkpark wird teilweise mit reduziertem
Stellplatzschlüssel gebaut. Normalerweise ver-
langt die Stadt proWohnung einen Pkw-Stellplatz;
die Genossenschaften bauen nur die Hälfte. Das
dadurch gesparte Geld wurde zum Teil in die För-
derung alternativer Mobilitätsformen gesteckt.
Sowurden Pedelecs und Lastenräder angeschafft,
die über die Mobilitätszentrale, bei der auch die
Carsharing-Fahrzeuge buchbar sind, jedem Be-
wohner zur Verfügung stehen. Damit bieten wir
Mobilität aus einer Hand, die für viele Bewohner
den eigenen Pkw entbehrlich macht.
Ein ungewöhnliches Angebot für die, die den
eigenen Pkw gewohnt sind. Wurden wegen
des Mobilitätsangebots schon private Pkw
abgeschafft?
Das untersuchen wir gerade. Wir wissen aber,
dass bereits rund 200 von 800 Haushalten eine
Mitgliedschaft beimhiesigen Carsharing-Anbieter
haben, darunter 70, die erst nach dem Umzug in
den Domagkpark Mitglied wurden. Tatsache ist
auch, dass der Carsharing-Fuhrpark von fünf auf
sieben Fahrzeuge aufgestockt werden musste.
Wer alternative Mobilitätsformen und gute
Nachbarschaften fördern will, muss Geld
ausgeben. Warum sollten Wohnungsunter-
nehmen das tun?
Weil die Vorteile die Kosten aufwiegen. Gesell-
schaften, diemehr als Wohnen bieten, bekommen
dafür eine bessereMieterbindung. Die Fluktuation
im Haus sinkt, denn die Mieter entwickeln eine
höhere Wertschätzung für ihr Haus und ihr Quar-
tier. In gut nachbarschafltich funktionierenden
Quartieren gibt es praktisch keinen Vandalismus.
DieWohnungen lassen sich besser vermarkten und
die Bewirtschaftungskosten sinken.
Vielen Dank für das Interview.
Die Fragen stellte Hartmut Netz.
Interview mit Christian Stupka
„Die Vorteile überwiegen“
Die Bauherren des Münchner Neubauviertels Domagkpark, ein heterogener
Mix städtischer Gesellschaften, Baugemeinschaften, Wohnungsbaugenossen-
schaften und privater Bauträger, haben sich bereits drei Jahre vor Baubeginn
zu einem Konsortium zusammengeschlossen und die „Charta Quartiersver-
netzung“ verabschiedet. Die Wohnungswirtschaft sprach mit Christian Stupka,
dem Koordinator des Konsortiums.
Quelle: privat
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