Die Wohnungswirtschaft 9/2017 - page 68

MARKT UND MANAGEMENT
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9|2017
Alternative Finanzierungen für Wohnungsunternehmen
Wo die Bevölkerung mithelfen kann
Der deutsche Immobilienmarkt ist im Daueraufwind. Neueste Zahlen des Rates der Immobilienweisen
zeigen, dass nahezu alle Assetklassen vom Boom profitieren. Besonders Wohnimmobilien sind weiterhin
im Aufwind. Die hohe Nachfrage bei gleichzeitig niedrigen Zinsen ermöglicht auch eine günstige Situation
für anstehende Sanierung von Altbeständen. Ein Beispiel aus Schwerin könnte hier Schule machen.
Mit 13,7Mrd. € Transaktionsvolumen für Wohn-
portfolios ab50Wohneinheitenwar das vergange-
ne Jahr eines der Besten der Historie und übertraf
dasMittel der vergangenen fünf Jahre. Das soll auch
2017 so bleiben. „DieNachfrage nachWohnobjek-
ten in Deutschland ist auf einem anhaltend hohen
Niveau“, kommentiert Prof. Dr. Günter Vornholz,
Professor für Immobilienökonomie an der EBZBusi-
ness School Bochum, die derzeitigeMarktentwick-
lung. Motive für diese Entwicklung sind neben den
niedrigenZinsen und der damit verbundenen Suche
nach Alternativverzinsungen auch die hohe Nach-
frage nicht nur von Kapitalanlegern, sondern auch
André Eberhard
Research Medien AG
Rheda-Wiedenbrück
DER WOHNUNGSMARKT IN DEUTSCHLAND
Wohnungsbestand
41,3 Mio. Einheiten
Gewerbliche Anbieter
8,4 Mio. Einheiten
Genossenschaften
2,2 Mio. Einheiten
Öffentliche
Wohnungsunter-
nehmen
2,7 Mio. Einheiten
Private
Wohnungsunter-
nehmen
3,2 Mio. Einheiten
Sonstige
0,3 Mio. Einheiten
Private Kleinvermieter
15,4 Mio. Einheiten
Selbstnutzer
17,5 Mio. Einheiten
Nutzern. Das gilt sowohl für die Ballungszentren als
auch die Peripherie der Top-7-StädteDeutschlands
sowie die wirtschafsstarken Regionen wie Erfurt,
Hannover oder Erlangen.
In Deutschland stehen rund 41,1Mio. Wohnungen
zur Verfügung. Der Großteil davon ist in privaten
Händen oder wird selbst genutzt. Dabei ist die
Eigentümerquote mit 45,5% im internationalen
Vergleich immer noch niedrig. In Genossenschaf-
ten sind 2,2Mio. Wohneinheiten strukturiert.
Auch wenn es über das Alter der Portfolios von
Genossenschaften keine Daten beim GdW Bun-
desverband deutscher Wohnungs- und Immobi-
lienunternehmen e. V. gibt, könne man laut GdW
davon ausgehen, dass aufgrund des Alters vieler
Genossenschaften ein Großteil des Bestands sa-
nierungsbedürftig sei. Die derzeit niedrigen Zin-
sen können für Genossenschaften – wie auch für
andereWohnungsunternehmen – demnach derzeit
eine günstige Möglichkeit bieten, den Bestand zu
sanieren. Vor allem in vielen ostdeutschen Städten
sei der Sanierungsbedarf aufgrund der Gebäude-
struktur der ehemaligen DDR notwendig.
Die WGS-Wohnungsgesellschaft Schwerin mbH
(WGS) ist dabei einen neuenWeg bei der Finanzie-
rung gegangen. Da die finanzierende Bank zunächst
nur 60%der Investitionssumme realisierenwollte,
sprang die Hamburger Crowdinvestingplattform
EXPORO ein. Über sog. Schwarmfinanzierung
konnten sich Anleger ab 500 € an dem Projekt
beteiligen und stellten 850.000 € zur Verfügung.
Somit hatten die Schweriner Bürger z. B. direkt die
Möglichkeit, sich an der Sanierung in ihrer Stadt
zu beteiligen und auch noch eine Rendite dafür zu
bekommen. Der Zuspruchwar so groß, dassweitere
Projekte bereits in Planung sind. Das Kapital wird
für das Gebäude in der Neubrandenburger Straße
verwendet: Hier werden 50 Wohnungen saniert
sowie die Außenanlagen neugestaltet. Das Projekt
kostet insgesamt 4,5Mio. €.
Schnell, unbürokratisch und bürgernah
„Der Ersatz des Eigenkapitals durch Darlehen
ohne Belastung des Grundbuches in der Zwischen-
finanzierungsphase war für uns ein unschlagbarer
Vorteil“, so Thomas Köchig, Geschäftsführer der
WGS. „Dadurch konntenwirmehr Projektvolumen
realisieren und gleichzeitig unseren Kunden, Ge-
schäftspartnern und Mitarbeitern eine attraktive
Zinsanlage anbieten.“ Dabei war der Gedanke, die
Bürger am Projekt teilhaben zu lassen, nicht ganz
ohne Risiken. Schließlich hätten die Anleger die
Bereitstellung des Kapitals auch verweigern kön-
nen. Beispiele aus der Crowdinvestingszene zeigen,
dass es durchaus auch Ladenhüter bei den Betei-
ligungsmöglichkeiten gibt. „Sind die Schweriner
aufgeschlossen für neue Finanzierungsmodelle?
Kommt der Gedanke Bürgerbeteiligung an?“, so
Köchigweiter. Viele hätten imVorfeld ihre Beden-
Quelle: Zensus 2011
1...,58,59,60,61,62,63,64,65,66,67 69,70,71,72,73,74,75,76,77,78,...84
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