Die Wohnungswirtschaft 7/2017 - page 57

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Hier fällt mir als Erstes die Wohnraumförderung
ein, die zurzeit ein aktuelles Thema für uns ist. In
Rheinland-Pfalz sind rückwirkend zum Jahresbe-
ginn neue Förderkonditionen in Kraft getreten.
Tilgungszuschüsse zu den Darlehen hat das Fi-
nanzministerium zwar bereits im letzten Jahr
ausgegeben, nun wurden die Konditionen aber
nochmals verbessert, sodass es für die Unterneh-
men interessanter wird, gefördertenWohnraumzu
schaffen. In Hessen werden erst im kommenden
Jahr die Richtlinien der Wohnraumförderung no-
velliert. Der VdW südwest bringt sich aber bereits
jetzt in diesen Prozess ein. Ende Juni führen wir
z.B. eine gemeinsame Veranstaltung mit der För-
derbank, denMinisterien und unserenWohnungs-
unternehmen durch, weil wir unserenMitgliedern
die Gelegenheit geben möchten, bereits in einem
frühen Stadiumkonkrete Verbesserungsvorschlä-
ge in den politischen Prozess einbringen zu kön-
nen. Entscheidend ist hier: Der Wurm muss dem
Fisch schmecken, nicht dem Angler.
Einweiterer Unterschied liegt darin, dass inHessen
der Fokus sehr stark auf dem Rhein-Main-Gebiet
liegt, demzentralenBallungsraum, der übrigens bis
in Teile vonRheinland-Pfalz hineinreicht. InRhein-
land-Pfalz selbst sind hingegen die sog. Schwarm-
städte, die es natürlich auch in Hessen gibt, mehr
im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit.
Ansonsten sieht man in den politisch organisier-
ten Bündnissen, sei es die Allianz für Wohnen in
Hessen, sei es das Bündnis für bezahlbaresWohnen
und Bauen in Rheinland-Pfalz, dass die Probleme
oft identisch sind: In den Ballungsgebieten fehlt
Bauland und infolgedessen auch bezahlbarerWohn-
raum. In beiden Bundesländern haben wir mit den
steigenden Baukosten, immer mehr Auflagen und
langwierigenGenehmigungsverfahren zu kämpfen.
Zur Zukunft des bezahlbaren Wohnens: Was
kann die Wohnungswirtschaft, was können
Wohnungsunternehmen und -genossen-
schaften, tun? Welche Ansätze sehen Sie?
Die Baukostensenkungskommission hat bereits
Ende 2015 in ihrem Endbericht zahlreiche Hin-
weise für effektive Maßnahmen zur Baukosten-
senkung geliefert, die alle Bereiche – von der
Planung, besonders der Grundrisseffizienz und
Funktionalität der Architektur, über intelligente
bauliche Lösungen bis hin zu rechtlichen Vorgaben
in den einzelnen Landesbauordnungen – betreffen.
Besonders hier, in den einzelnen Landesbauord-
nungen, sieht man, wie unterschiedlich die politi-
schen Rahmenbedingungen sind, dieman kritisch
hinterfragen muss, weil sie kostentreibend sind.
Die Vorschläge der Baukostensenkungskommis-
sion müssen nun endlich umgesetzt werden, die
Politik muss jetzt handeln.
Wie schon erwähnt ist Bauland besonders hier im
Rhein-Main-Gebiet ein großes Thema. Während in
nordhessischen Städten teilweise noch innerstäd-
tische Brachflächen vorhanden sind, wird hier in
Frankfurt und Umgebung um jeden Quadratmeter
Bauland gekämpft. Das treibt natürlich die Prei-
se in die Höhe. Hier muss aber auch die Politik
gegensteuern, Stichwort: Grundstücksvergabe
nach dem besten Konzept und nicht nach dem
höchsten Preis. In der Allianz für Wohnen in Hes-
sen hat man jetzt begonnen, einen Leitfaden zur
Konzeptvergabe zu entwickeln. Auch hier sindwir
in den zuständigen Ausschüssen und Gremien per-
sonell vertreten, können also die Belange unserer
Mitgliedsunternehmen auf direktem Weg in den
politischen Prozess einbringen.
Stichwort Migration: Einige Städte im
Verbandsgebiet, wie Frankfurt/Main oder
Wiesbaden, sind klassische Zuwanderer-
städte mit hohen Preisen. Andere Regionen
haben mit Abwanderung und drohendem
Arbeitsplatzverlust zu kämpfen – z. B. Pirma-
sens in Rheinland-Pfalz. Wie bewältigen Sie
in Ihrer Verbandsarbeit diesen Spagat?
Diesen Spagat muss ja nicht nur der VdW süd-
west bewältigen, sondern alle Regionalverbände
des GdW. Die regionalen Anforderungen mögen
unterschiedlich sein, aber viele grundsätzliche
Probleme sind gleich: hohe Baukosten, energeti-
sche und technische Anforderungen, langwierige
Genehmigungsverfahren. Hier können wir unsere
Mitgliedsunternehmen unterstützen, indemwir sie
immer aktuell über neue Entwicklungen informie-
ren, ihnen Plattformen anbieten zum Erfahrungs-
austausch und die Probleme gegenüber der Politik
kommunizieren – Netzwerken eben.
Als Verband tretenwir dafür ein, gleichwertige Le-
bensverhältnisse imLand zu schaffen. Auch in den
Regionen und im ländlichen Raum brauchen die
Menschen gute Lebens- und Wohnbedingungen.
Sonst nehmen die Abwanderung und der Druck
auf die ohnehin schon belasteten Großstädte noch
weiter zu.
Die Bedeutung von Quartierskonzepten bei
der Stadtentwicklung ist inzwischen erkannt.
Welche Rolle sollte die Wohnungswirtschaft
Ihrer Meinung nach dabei übernehmen?
Mittlerweile ist es unumstritten, dass abgestimm-
te Handlungskonzepte eine wichtige Grundlage
für die Stärkung der Zukunftsfähigkeit sind, sei
es imQuartier, in der Stadt oder auf Landesebene.
Erst durch die Einbindung aller Beteiligten – priva-
te Eigentümer, Mieter, aber auch Energieversor-
ger und ganz besonders die Wohnungswirtschaft
– werden gemeinsamgetragene Ansätzemöglich.
Um einen möglichst ausgeglichenen Mix in sozi-
aler, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht zu
erlangen, muss man strategische Kooperationen
eingehen. Da führt kein Weg an der Wohnungs-
wirtschaft vorbei, das ist zwischenzeitlich jedem
Verantwortlichen klar. Ich sehe die Wohnungs-
wirtschaft als treibende Kraft, als Motor der Quar-
tiersentwicklung. Bei denWohnungsunternehmen
laufen viele Fäden zusammen: Nachbarschaftshil-
fe, betreutes Wohnen, additive Services, all dies ist
tägliches Geschäft unserer Unternehmen, genauso
wie energetische Maßnahmen oder Mieterstrom-
projekte.
In diesen beiden Bereichen unterstützenwir unse-
re Unternehmen schon seit einigen Jahren durch
unsere Beratungsleistungen.
Wo werden die Schwerpunkte Ihrer
Arbeit liegen?
Wir wollen die Interessenvertretung weiter stär-
ken durch eine breite Öffentlichkeitsarbeit und
klare wohnungspolitische Konzepte. Dabei müssen
wir selber kluge Lösungen für die Herausforderun-
gen auf denWohnungsmärkten anbieten und diese
in engemAustauschmit den politischen Akteuren
einbringen. Das ThemaWohnen ist derzeit so prä-
sent in Medien und Politik wie schon seit vielen
Jahren nicht mehr. Diese hohe Aufmerksamkeit
müssen wir nutzen.
Auch der Ausbau unseres Mitgliederservice liegt
mir sehr am Herzen. So haben wir gerade einen
neuen Arbeitskreis Wohnungswirtschaft 4.0 ge-
gründet, der sich mit den Auswirkungen der Di-
gitalisierung auf das Planen und Bauen, aber auch
auf die Geschäftsprozesse in den Unternehmen
befasst. Auch im Bereich der Verbandskommuni-
kationwird ein Schwerpunkt liegen. So überarbei-
ten wir zurzeit unseren Internetauftritt, wir sind
seit kurzem in den sozialen Netzwerken vertreten
und „twittern“ fleißig.
Zum Abschluss: Wo wird die Wohnungs-
wirtschaft in Hessen und dem südlichen
Rheinland-Pfalz in fünf Jahren stehen?
Die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Ver-
bandsgebiet ist gut. Davon kann auch die Woh-
nungswirtschaft in den nächsten Jahren profi-
tieren. Mitentscheidend dafür wird sein, wie die
Wohnungswirtschaft mit den derzeitigen Mega-
trends Digitalisierung, Demografie und Migrati-
on sowie Technisierung umgeht. Wenn es gelingt,
diese aktivmitzugestalten – dann sindwir auch für
die Zukunft gut aufgestellt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Ulrike Silberberg.
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