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7|2017
Was ist der Mehrwert eines solchen Nachhal-
tigkeitsberichtes gegenüber dem traditionel-
len Geschäftsbericht?
Esser:
Der Fokus der Geschäftsberichterstattung
liegt eher auf der Darstellung der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit eines Unternehmens. Häufig
wird der Geschäftsbericht dazu genutzt, den
Jahresabschluss des Unternehmens zu kommuni-
zieren und, soweit gesetzlich gefordert, auch die
Lageberichterstattung hier einzubinden und dies
zu unterlegen mit einer vertieften Berichterstat-
tung über die Geschäftsfelder des Unternehmens.
Die Nachhaltigkeitsberichterstattung hat einen
anderen Fokus. Sie versucht, die Themen Ökolo-
gie, Ökonomie und Soziales in Einklang zu bringen
und stellt dabei als Leitlinie der Berichterstattung
zunächst die strategische Ausrichtung des Unter-
nehmens in den Vordergrund. Und: Die Berichts-
themen sind sicherlich stärker auf nichtfinanzielle
Leistungsindikatoren ausgerichtet. Beispielsweise,
wie kümmertman sich umdieMitarbeiterentwick-
lung? Was entfaltet man für besondere Aktivitä-
ten für die Mitglieder, bestimmte Mieter- bzw.
Nutzergruppen und Nachbarschaften? Diese Be-
richterstattung kann aber für die Mitglieder von
Genossenschaften wie auch andere interessierte
Stakeholder-Gruppen und die Öffentlichkeit ein
deutlich spannenderes Berichtsfeld sein, als es die
klassische Geschäftsberichterstattung ist.
Macht es Sinn, erst einen Nachhaltigkeits-
bericht mit Hilfe eines Prüfungsverbandes
zu erstellen und anschließend die Unterneh-
mensstrategie stärker auf Nachhaltigkeit
auszurichten?
Viemann:
Natürlich geht es bei dem Thema
Nachhaltigkeit um einen langfristigen Strategie-
prozess. Viele, vor allem kleinere Unternehmen,
scheuen aber davor zurück, diesen Strategiepro-
zess als solchen anzugehen. Insoweit ist die Vor-
gehensweise, zunächst einen schlanken Nachhal-
tigkeitsbericht entlang der branchenspezifischen
Ergänzung des Deutschen Nachhaltigkeitskodex
mit entsprechender Unterstützung und Beratung
durch einen Prüfungsverband zu erstellen und
daraus anschließend Themen und Maßnahmen
abzuleiten, die für die langfristige Strategieaus-
richtung wesentlich sind, durchaus eine praxis-
gerechte und praxisorientierte Vorgehensweise.
Wie soll das gehen, dass ein Musternachhal-
tigkeitsbericht für alle kleinen Wohnungsun-
ternehmen angeboten wird?
Esser:
Auf den erstenBlick erscheint es unmöglich,
allen kleinen Wohnungsunternehmen einen Mus-
ternachhaltigkeitsbericht anzubieten. Deshalb sind
kleineWohnungsunternehmen, vor allemauch die
kleinen Genossenschaften, die Zielgruppe dieses
Produkts der regionalenPrüfungsverbände. Dahin-
ter verbirgt sich die Erkenntnis, dass das Geschäfts-
modell der kleinenUnternehmen sehr vergleichbar
ist. Es liegt selbstverständlich in der Bewirtschaf-
tung, der Weiterentwicklung und Modernisierung
der Wohnungsbestände, vor allem auch mit Blick
auf die energetische Anforderungen sowie den
altengerechten und barrierearmen Umbau. Viel-
leicht kommt im Einzelfall noch das Thema eines
moderatenNeubaus hinzu. Gleichfalls sind die per-
sonellen Ressourcen dieser Unternehmen und die
Herausforderungen an dieser Stelle sehr ähnlich.
Das war der Grund, warum die Prüfungsverbände
auch der Auffassung waren, dass hier ein Muster-
produkt sinnhaft sein kann. Selbstverständlich ist
diese sehr standardisierte Berichterstattung unter-
nehmensindividuell ergänz- und erweiterbar. Dies
sollte aber über die Unternehmen selbst erfolgen.
Kann ein solcher Musternachhaltigkeitsbe-
richt (s. o.) überhaupt zu einem Festpreis
angeboten werden?
Viemann:
Weil sich das Produkt an kleine Woh-
nungsunternehmen richtet, deren Geschäftsmo-
delle sehr vergleichbar sind, bieten die genossen-
schaftlichen Prüfungsbände, dies auch zu einem
Festpreis an. Allerdings umfasst dieser Festpreis
natürlich auch nur das standardisierte Produkt,
und nicht etwaige Ergänzungen oder zusätzliche
Erweiterungen auf der Grundlage unternehmens-
individueller Wünsche. Was selbstverständlich
ebenfalls noch nicht enthalten ist, sind das un-
ternehmensindividuelle Layout und die ggf.
entstehenden Druckkosten. Möchte das einzelne
Wohnungsunternehmen den Musternachhaltig-
keitsbericht noch um unternehmensindividuelle
Berichterstattungen ergänzen, was selbstver-
ständlich möglich ist, kann es sinnvoll sein, eine
eigene journalistische Überarbeitung durchzufüh-
ren. Dies machen nicht die Prüfungsverbände sel-
ber. Sie können aber geeignete Partner benennen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Olaf Berger.
Interview mit
Ingeborg Esser und Gerhard Viemann
„Nachhaltigkeitsbericht
zum attraktiven Festpreis“
Die Geschäftsmodelle kleiner Wohnungsunternehmen bzw. -genos-
senschaften ähneln sich. Der Musternachhaltigkeitsbericht adressiert
daher insbesondere diese Unternehmen. Die Autoren erklären hier, was
der Festpreis umfasst und dass der Bericht individuell erweiterbar ist.
Quelle: GdW